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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Nacht wieder in meiner Zelle zu verbringen. Ich war erleichtert, nicht
     noch einmal in der Dunkelheit im Spital ausharren zu müssen - und
     dabei womöglich wieder dem Unbekannten zu begegnen. Der Prior gab mir
     zudem einen Dispens für die Nacht, sodass ich nicht an den
     Gottesdiensten teilnehmen musste. So ging ich denn in meine Zelle zurück,
     wartete, bis das Kloster still wurde für die Nacht — und entzündete
     meine Kerze. Wieder studierte ich den            
    »Liber floribus«. Zugleich bemühte ich mich,
     auf den Gang hinauszulauschen, ob ich womöglich erneut verdächtige
     Geräusche hören würde. Vergebens.
    Weder fand ich beim zweiten
     Lesen des Folianten eine Spur, die ich beim ersten Mal übersehen
     hatte, noch hörte ich im Kloster irgendetwas, das mir verdächtig
     vorkam.
    Deshalb rief ich mich
     irgendwann zur Ordnung und ermahnte mich, meine Sinne nicht erneut zu
     überreizen. So fiel ich denn endlich in einen tiefen, traumlosen
     Schlaf.
    Am nächsten Morgen aß
     ich das Morgenmahl mit meinen Mitbrüdern im Speiseraum, wo mich der
     eine oder andere mit einem freundlichen, aufmunternden Nicken bedachte.
     Ich ahnte, dass ich noch blass sein musste, doch erwiderte ich lächelnd
     die Gesten. Meister Philippe allerdings konnte ich nicht begrüßen,
     denn er war schon verschwunden — und niemand wusste, wohin.
    Zur Terz ging ich wieder in
     die Kirche, doch danach ruhte ich in meiner Zelle. Ich musste wieder zu Kräften
     kommen, denn im Kloster würde ich die Geheimnisse, die meine Seele
     plagten, nicht lösen können. Dabei nutzte ich die stillen
     Stunden in dem kleinen, kahlen Raum zum Nachdenken.
    Ich musste herausfinden, was
     es mit dem rätselhaften Land namens terra perioeci auf sich hatte. Welche Verbindung
     gab es von diesem Land — oder von einer Seekarte — zu Nechenja
     ben Isaak und Heinrich von Lübeck? Hatte Richard Helmstede etwas
     damit zu tun?
    Welche Rolle spielte der
     Vagant Pierre de Grande-Rue, der den toten Mönch ausgeraubt hatte und
     der das Messer so beängstigend gut zu führen verstand? Wo mochte
     er sich versteckt halten? Warum musste der Domherr Nicolas d'Orgemont
     sterben?
    Und hatte Jacquette, die unglückliche
     Schönfrau, mir wahrhaftig alles gesagt, was sie in jener Nacht
     gesehen hatte?
    Was hatten all die nächtlichen
     Begebenheiten in meinem Kloster zu bedeuten? Oder war dies alles nur eine
     Vision meiner irregeleiteten Einbildungskraft?
    »Terra perioeci«, murmelte ich. Irgendwie lag hier
     der Schlüssel zu allen Geheimnissen verborgen.
    Ich seufzte und streckte mich
     auf der Pritsche aus. Am nächsten Tag, so beschloss ich, würde
     ich zum Kollegium de Sorbon an der Universität gehen. Dort befand
     sich eine der größten Bibliotheken der Christenheit. Wenn ich
     in diesen Werken keinen weiteren Hinweis auf die terra perioeci fand — wo dann?
    *
    Doch kam es am nächsten
     Morgen anders, als ich es geplant hatte. Es war der Peter-und-Pauls-Tag,
     der Juni neigte sich seinem Ende zu und die Hitze stand wie ein drückender,
     unsichtbarer Schleier in den Straßen.
    Wieder halbwegs bei Kräften,
     verließ ich das Kloster und wandte mich nach rechts. Doch hatte ich
     noch keine drei Schritte getan, als ich die Dienerin von Klara Helmstede
     erblickte. Wie stets, so vermied sie es auch an diesem Tag, mir in die
     Augen zu blicken. Mir machte dies nichts aus, vielmehr schlug mein Herz
     vor Freude bis zum Halse. Sie hatte im Schatten eines Torbogens gestanden
     und wahrlich auf mich gewartet!
    Nun eilte sie zu mir, besann
     sich dann jedoch darauf, dass es unschicklich und wohl auch zu auffällig
     wäre, einen Mönch auf offener Straße anzusprechen. So
     verlangsamte sie ihren Schritt, während auch ich, den Kopf gesenkt,
     wieder losmarschierte. Wer uns erblickte, mochte denken, dass wir nichts
     miteinander zu schaffen hatten und nur zufällig nebeneinander unseres
     Weges gingen. »Meine Herrin wünscht Euch zu sehen«, flüsterte
     die Dienerin.
    »Wann?«, zischte
     ich zurück und vermochte meinen Jubel kaum zu bezähmen.
    »Heute morgen noch«,
     antwortete sie, dann schritt sie eiliger aus. Ich musste ihr nur folgen,
     es war nicht nötig, dass wir weitere Worte wechselten.
    Ich dachte nicht einen
     Augenblick daran, Klaras Wunsch nicht nachzukommen. Zwar musste das
     Kollegium de Sorbon nun warten und ich würde nichts Neues erfahren
     über die Geheimnisse der terra perioeci, doch größer noch als
    

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