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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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meine Sehnsucht nach Wissen war an jenem Tag mein Verlangen nach Klara.
     Ja, dieses hatte sich durch die beiden Tage, da ich krank daniederlag,
     sogar noch gesteigert — so als ob die Hinfälligkeit des eigenen
     Körpers, kaum überwunden, in uns eine geradezu unbezwingbare
     Sehnsucht nach Befriedigung aller körperlichen Gelüste
     entflammt, statt unseren Geist zu läutern. So folgte ich denn der
     Dienerin, wobei ich allerdings sorgfältig darauf achtete, stets
     einige Schritte hinter ihr zu bleiben, sie dabei jedoch nie aus den Augen
     zu verlieren. Wir gelangten rasch zum Katzenmarkt.
    Die Frau ging um das »Haus
     zum Hahn« herum und betrat eine düstere, kleine Sackgasse. Dort
     öffnete sie einen Hintereingang zum Anwesen, schlüpfte hinein
     und ließ die Pforte einen Spalt breit offen. Ich wartete einen
     Moment, blickte mich rasch um, sah allerdings niemanden, der meiner
     geachtet hätte. Dann machte ich drei, vier eilige Schritte und
     schlich wie ein Dieb in Klaras Haus hinein. Drinnen wartete die Dienerin,
     führte mich eine Stiege bis in das Obergeschoss hinauf und geleitete
     mich in ein Zimmer. Dann verschwand sie, ohne noch ein Wort an mich zu
     richten. Ich sah mich um: Der Raum war nicht besonders groß, doch
     hell, da ein hohes, offenes, zweiflügeliges Fenster, das auf den
     Katzenmarkt wies, Licht und Luft hereinließ. Schwach drangen von
     unten die Geräusche der Straße herauf. Auf dem hell gefliesten
     Boden lag wohl ein Dutzend Schaffelle. Die Wände waren holzvertäfelt
     und mit schweren Tapisserien aus Brügge behängt, die Jagdszenen
     zeigten. An einer Wand stand ein mit kostbaren Intarsien verzierter
     kleiner Tisch, darüber hing ein Spiegel in goldenem Rahmen. Eine mit
     Blumen bemalte Waschschüssel und ein ebenso dekorierter Krug standen
     auf dem Tisch, daneben ein verschlossenes Kästchen aus Ebenholz und
     Elfenbein. Ein leichter, mit Leder bespannter Stuhl war die einzige
     Sitzgelegenheit. Auf der Fensterbank erblickte ich einen Zinnkrug, der zwölf
     weiße Rosen enthielt, deren süßer Duft das Zimmer erfüllte.
    In der Mitte des Raumes erhob
     sich eine Bettstatt, wie ich, der Mönch, sie noch nie erblickt hatte:
     Vier gedrechselte Pfosten aus dunkler Eiche trugen ein mit rotsamtenen
     Kissen und Decken überladenes Bett, das wohl so groß war wie
     drei oder vier Klosterpritschen nebeneinander gestellt. Die Pfosten
     erhoben sich mehr als mannshoch, denn ein Baldachin überwölbte
     dieses Lager: Ein Dach aus rotem Samt, dessen schwere, mit Goldbrokat
     eingefasste Vorhänge zurückgeschlagen waren.
    Auch wenn ich viele weltliche
     Dinge noch immer nicht kannte, dies wusste ich doch sofort: Ich stand im
     Schlafzimmer der Reedersgattin. Mein Herz schlug mir im Halse und ich
     schluckte schwer vor Aufregung. Doch glücklicherweise quälte
     mich meine Geliebte nicht lange mit ihrer Abwesenheit. Kaum hatte ich mich
     umgesehen, da öffnete sich leise die Tür — und Klara stand
     vor mir. Ich glaubte, etwas sagen zu müssen, doch wollten mir nicht
     die rechten Worte einfallen - so stotterte ich nur und rang verlegen mit
     den Händen.
    Sie lächelte jedoch bloß
     und führte einen Finger an ihre Lippen und hieß mich so
     schweigen. Dann wollte ich sie in die Arme schließen. Doch wieder
     genügte eine Geste von ihr, um mich in die Schranken zu weisen. Auf
     einen Schritt durfte ich mich ihr nähern, sodass ich den Duft ihrer
     Haut einatmen konnte — doch anrühren durfte ich sie nicht.
    Dann entkleidete Klara sich.
    Mit zwei Schritten, so
     elegant, wie sie sonst wohl nur Tänzerinnen auszuführen
     vermochten, streifte sie ihre flachen Lederschuhe ab. Dann hob sie mit
     einer koketten Geste die Haube mit dem Spitzenschleier vom Haupt, sodass
     ihr langes, blondes Haar auf ihre Schultern floss. Nun erst sah ich ihr
     Gesicht ohne den Schleier — und sie lächelte und blickte mich
     unverwandt an. Dann glitt ihr samtenes Obergewand zu Boden, darauf folgte
     ihr weiter, schwerer, dunkelroter Rock. Mit einem eleganten Schritt tänzelte
     sie hinaus aus den Gewändern, die ihr wie eine Fessel um die Füße
     lagen. Langsam öffnete sie die Schnüre ihres Mieders, wobei sie
     den Blick nicht einen Augenblick von mir nahm. Zuletzt schwebte ihr
     Untergewand zu Boden, leicht und lautlos wie eine Feder.
    Oh, welches Wunder schuf GOTT
     doch am Körper des Weibes! Nackt stand Klara Helmstede vor mir. Es
     war dunkel gewesen in der Gasse, in der ich sie das erste

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