In Nomine Mortis
meine Sehnsucht nach Wissen war an jenem Tag mein Verlangen nach Klara.
Ja, dieses hatte sich durch die beiden Tage, da ich krank daniederlag,
sogar noch gesteigert — so als ob die Hinfälligkeit des eigenen
Körpers, kaum überwunden, in uns eine geradezu unbezwingbare
Sehnsucht nach Befriedigung aller körperlichen Gelüste
entflammt, statt unseren Geist zu läutern. So folgte ich denn der
Dienerin, wobei ich allerdings sorgfältig darauf achtete, stets
einige Schritte hinter ihr zu bleiben, sie dabei jedoch nie aus den Augen
zu verlieren. Wir gelangten rasch zum Katzenmarkt.
Die Frau ging um das »Haus
zum Hahn« herum und betrat eine düstere, kleine Sackgasse. Dort
öffnete sie einen Hintereingang zum Anwesen, schlüpfte hinein
und ließ die Pforte einen Spalt breit offen. Ich wartete einen
Moment, blickte mich rasch um, sah allerdings niemanden, der meiner
geachtet hätte. Dann machte ich drei, vier eilige Schritte und
schlich wie ein Dieb in Klaras Haus hinein. Drinnen wartete die Dienerin,
führte mich eine Stiege bis in das Obergeschoss hinauf und geleitete
mich in ein Zimmer. Dann verschwand sie, ohne noch ein Wort an mich zu
richten. Ich sah mich um: Der Raum war nicht besonders groß, doch
hell, da ein hohes, offenes, zweiflügeliges Fenster, das auf den
Katzenmarkt wies, Licht und Luft hereinließ. Schwach drangen von
unten die Geräusche der Straße herauf. Auf dem hell gefliesten
Boden lag wohl ein Dutzend Schaffelle. Die Wände waren holzvertäfelt
und mit schweren Tapisserien aus Brügge behängt, die Jagdszenen
zeigten. An einer Wand stand ein mit kostbaren Intarsien verzierter
kleiner Tisch, darüber hing ein Spiegel in goldenem Rahmen. Eine mit
Blumen bemalte Waschschüssel und ein ebenso dekorierter Krug standen
auf dem Tisch, daneben ein verschlossenes Kästchen aus Ebenholz und
Elfenbein. Ein leichter, mit Leder bespannter Stuhl war die einzige
Sitzgelegenheit. Auf der Fensterbank erblickte ich einen Zinnkrug, der zwölf
weiße Rosen enthielt, deren süßer Duft das Zimmer erfüllte.
In der Mitte des Raumes erhob
sich eine Bettstatt, wie ich, der Mönch, sie noch nie erblickt hatte:
Vier gedrechselte Pfosten aus dunkler Eiche trugen ein mit rotsamtenen
Kissen und Decken überladenes Bett, das wohl so groß war wie
drei oder vier Klosterpritschen nebeneinander gestellt. Die Pfosten
erhoben sich mehr als mannshoch, denn ein Baldachin überwölbte
dieses Lager: Ein Dach aus rotem Samt, dessen schwere, mit Goldbrokat
eingefasste Vorhänge zurückgeschlagen waren.
Auch wenn ich viele weltliche
Dinge noch immer nicht kannte, dies wusste ich doch sofort: Ich stand im
Schlafzimmer der Reedersgattin. Mein Herz schlug mir im Halse und ich
schluckte schwer vor Aufregung. Doch glücklicherweise quälte
mich meine Geliebte nicht lange mit ihrer Abwesenheit. Kaum hatte ich mich
umgesehen, da öffnete sich leise die Tür — und Klara stand
vor mir. Ich glaubte, etwas sagen zu müssen, doch wollten mir nicht
die rechten Worte einfallen - so stotterte ich nur und rang verlegen mit
den Händen.
Sie lächelte jedoch bloß
und führte einen Finger an ihre Lippen und hieß mich so
schweigen. Dann wollte ich sie in die Arme schließen. Doch wieder
genügte eine Geste von ihr, um mich in die Schranken zu weisen. Auf
einen Schritt durfte ich mich ihr nähern, sodass ich den Duft ihrer
Haut einatmen konnte — doch anrühren durfte ich sie nicht.
Dann entkleidete Klara sich.
Mit zwei Schritten, so
elegant, wie sie sonst wohl nur Tänzerinnen auszuführen
vermochten, streifte sie ihre flachen Lederschuhe ab. Dann hob sie mit
einer koketten Geste die Haube mit dem Spitzenschleier vom Haupt, sodass
ihr langes, blondes Haar auf ihre Schultern floss. Nun erst sah ich ihr
Gesicht ohne den Schleier — und sie lächelte und blickte mich
unverwandt an. Dann glitt ihr samtenes Obergewand zu Boden, darauf folgte
ihr weiter, schwerer, dunkelroter Rock. Mit einem eleganten Schritt tänzelte
sie hinaus aus den Gewändern, die ihr wie eine Fessel um die Füße
lagen. Langsam öffnete sie die Schnüre ihres Mieders, wobei sie
den Blick nicht einen Augenblick von mir nahm. Zuletzt schwebte ihr
Untergewand zu Boden, leicht und lautlos wie eine Feder.
Oh, welches Wunder schuf GOTT
doch am Körper des Weibes! Nackt stand Klara Helmstede vor mir. Es
war dunkel gewesen in der Gasse, in der ich sie das erste
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