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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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weder mit uns diese Vesper feiern noch dich ausruhen
     kannst. Ich habe einen Auftrag für dich, der keinen Aufschub duldet.«
     Demütig nickte ich und wartete auf eine Anweisung, dabei hoffend,
     dass keine Geste, kein Zucken im Gesicht, kein aufblitzendes Auge die
     stolze Erregung verriete, die mich erfasst hatte. Bruder Carbonnet atmete
     tief durch. »Es wartet ein Toter auf dich«, verkündete er
     schließlich.
    Der Prior sagte nichts weiter
     zu mir. Stattdessen rief er einen Novizen zu sich und erteilte ihm flüsternd
     eine Anweisung. Der Junge nickte eifrig und verschwand. Ich wartete
     derweil voll Zittern und Zagen, verwirrt und doch neugierig zugleich.
    »Ein Mitbruder aus den
     deutschen Landen hat uns vor einiger Zeit mit seinem Besuch beehrt«,
     hob Bruder Carbonnet schließlich an, »Heinrich von Lübeck
     mit Namen.«
    Ich blickte nicht auf. Diesen
     Namen hatte ich noch nie vernommen. Der Prior seufzte schwer. »Bis
     zu eurem Eintreffen heute Abend war er der einzige Dominikaner aus dem
     Reich, der zurzeit an der Seine weilt. Allerdings gibt es ein Problem.«
     Nun sah ich auf, fragend. Doch noch immer schwieg ich. »Heinrich von
     Lübeck ist vor der ihm zugemessenen Zeit vor den HERRN berufen
     worden.« Der Prior zögerte, als wage er nicht, den nächsten
     Satz auszusprechen. Doch dann straffte er seinen feisten Leib. »Er
     wurde vor wenigen Stunden erstochen. Und das vor einem der heiligsten Plätze
     der Christenheit: vor unserer geliebten Kathedrale Notre-Dame.«
    »Wer wagt es, so einen
     Frevel zu begehen?«, rief ich.
    »Wir wissen es nicht.
     Noch nicht.« Bruder Carbonnet sah mich aufmerksam an. Und plötzlich
     fehlte seiner feisten Gestalt alles Gemütliche.
    Aufmerksam, ja lauernd
     starrte er zu mir hinüber. Mich fröstelte unter dem Blick seiner
     dunklen Augen. »Wir sind Dominikaner«, flüsterte er.
     » DOMINI
     canes, die
     ›Hunde des HERRN‹. Wir bewachen SEINE Herde und führen
     verirrte Schäflein auf den rechten Weg zurück. Und wir schützen
     SEIN Haus vor den reißenden Wölfen — weshalb uns die Wölfe
     hassen. Aus diesem Grund sind viele von uns Dominikanern zugleich auch
     Inquisitoren. Wenn jemand herauszufinden vermag, wer unseren Mitbruder ins
     Reich der Seligen geschickt hat, dann sind wir es. Denn wir stellen die Männer,
     die furchtlos sind und gelehrt und die sich auch dem abscheulichsten
     Verbrechen entgegenstellen.«
    »Die Inquisitoren«,
     flüsterte ich nur.
    »Und du wirst fortan
     einer von ihnen sein«, bestimmte der Prior. In diesem Moment betrat
     ein Mönch den Raum, der sich vor dem Prior demütig verneigte
     — und doch spürte ich sofort, dass von dem Neuankömmling,
     seinem respektvollen Verhalten zum Trotz, eine große geistige Kraft
     ausging und eine bezwingende Autorität. So wie ihn hätte ich mir
     den Prior unseres Ordens an einer so bedeutenden Stätte der
     Christenheit wie Paris vorgestellt: Der Mönch war sicherlich schon fünfzig
     Jahre alt, jedoch groß und kraftvoll. Um seine Tonsur stand dichtes,
     eisengraues Haar wie der Ring eines Panzerhemdes, und auch seine klaren
     Augen schimmerten grau. Seine Haut war dunkel, seine Hände waren kräftig;
     die Linke befleckt mit Tintenklecksen, an der Rechten fehlte ihm der
     kleine Finger. Als sich der Mitbruder mir zuwandte und sich leicht
     verbeugte, da fühlte ich mich unwillkürlich geehrt. Meinerseits
     verneigte ich mich tief, tiefer noch als ich mich zuvor dem Prior gebeugt
     hatte. »Dies ist Bruder Philippe«, sprach der Prior und Stolz
     schwang mit in seiner Stimme, Bewunderung und wohl auch so etwas wie
     Angst. »Philippe de Touloubre, von vielen, nicht nur in unserem
     Orden, ›Meister Philippe‹ gerufen, denn er ist Doktor der
     Theologie und unser scharfsinnigster Inquisitor. Er diente noch dem einem
     Heiligen gleichenden Bernard Guy, als dieser in den Pyrenäen die
     letzten Katharer aufspürte und ins reinigende Feuer schickte.«
     Philippe de Touloubre deutete eine demütige Verbeugung an. »Wir
     wollen nicht von vergangenen Dingen sprechen«, antwortete er seinem
     Prior.                   
    Seine Stimme klang ruhig, kräftig
     und schmeichelte den Ohren. »Willkommen in unserem bescheidenen Haus«,
     sagte er dann. » Auch wenn es«, er lächelte dünn,
     »ein etwas ungewöhnlicher Empfang ist, den wir dir bereitet
     haben.«
    »In der Tat«,
     rief Bruder Carbonnet und klatschte in die Hände. »Meister
     Philippe wird sich

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