Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
auf die Spur des schrecklichen Sünders begeben,
     welcher unseren Mitbruder aus deutschen Landen so heimtückisch tötete.
     Und du, Bruder Ranulf, der du als einziger Gelehrter unseres Ordens aus
     jenen Landen stammst, wirst unserem besten Inquisitor zur Hand gehen, wenn
     es denn nötig sein sollte.«
    »Das wird es«,
     sprach Bruder Philippe. Er klang noch immer freundlich. Doch irgendetwas
     in der Entschlossenheit seiner Stimme flößte mir Unruhe ein.
    *
    Wir eilten den Weg zurück,
     den Bruder Anselm und ich vor kaum einer halben Stunde gekommen waren. Der
     Portarius geleitete Meister Philippe und mich zum Portal, nachdem wir uns
     vom Prior verabschiedet hatten. Im Kloster erblickten wir keinen anderen Mönch.
     Als wir das verschlammte Pflaster der Rue Saint-Jacques betraten, warf
     sich mein Begleiter die Kapuze über das Haupt und verhüllte sein
     Gesicht. Ich wunderte mich, denn so kühl war es nicht geworden in den
     Gassen der Stadt, doch wagte ich nicht zu fragen und tat es ihm nach.
     Respektvoll hielt ich mich zwei Schritte hinter meinem älteren
     Mitbruder und schwieg. So bemerkte ich, dass die Menschen, wann immer sie
     unserer verhüllten Gestalten ansichtig wurden, eilig und demütig
     zur Seite wichen. Manche verneigten sich, andere hingegen wandten sich ab.
     Selbst die auf den Straßen streunenden Hunde und Schweine wichen vor
     uns zurück.
    Noch immer drängten sich
     Menschen und Fuhrwerke auf der Straße, doch die ersten Händler
     verrammelten bereits die Türen und Fenster ihrer Läden mit
     schweren, eichenen Flügeln und eisernen Ketten. In dem einen oder
     anderen Fenster in den oberen Stockwerken der verwinkelten Häuser
     leuchtete schon der rötliche Schimmer einer Kerze, der sich in den
     Fenstergläsern brach und tausend Lichtkreise tanzen ließ, als
     glühten im Innern dieser Häuser die Essen der Schmiede. Meine
     Gedanken tanzten mindestens genauso unruhig wie jene Lichtkreise umher.
     Nach Paris war ich gekommen zum Studieren, ein Doktor der Theologie, ja,
     GOTT strafe meinen Hochmut, »der« Doktor der Theologie wollte
     ich werden, der größte und weiseste Gelehrte meiner Zeit. Nun
     hatte ich noch nicht einmal meine Studierstube in Paris erblickt und erst
     recht keinen Lehrer. Stattdessen wanderte ich durch die finster werdenden
     Straßen der Stadt, einem grausigen Fund entgegen.
    Doch am verwirrendsten von
     allem war, dass ich, der ich Gelehrter werden wollte, plötzlich zum
     Inquisitor berufen worden war. Hatte ich überhaupt die Kraft, dem Bösen
     ins Auge zu sehen, wenn es sich mir offenbarte? Konnte ich die Seelen der
     Sünder erkennen und sie vor dem Ewigen Feuer erretten? Was geschah
     mir, wenn ich fehlte? Hatte ich den Platz gefunden, den der HERR mir
     zugemessen hatte? Oder war ich, durch eine Macht, die ich nicht zu
     benennen wagte, erhoben in einen Rang, der mir nicht zukam? Nisi unicuique sicut divisit
     DOMINUS unumquemque sicut vocavit DEUS ita ambulet. Ich fühlte mich plötzlich
     klein und schwach und unendlich verloren. Meister Philippe, der bislang
     schweigend und rasch vor mir ausgeschritten war, musste meine Gedanken
     gespürt und in meinem Herzen gelesen haben. Denn schließlich,
     wir hatten wohl schon die Hälfte der Rue Saint-Jacques bis zur Seine
     zurückgelegt, verlangsamte er seine Schritte und bedeutete mir mit
     einer knappen Geste, an seine Linke zu kommen.
    Wir durchschritten gerade
     einen kleinen Markt an einer Stelle, da sich die Rue Saint-Jacques zu
     einem Plätzchen erweiterte. Die Händler bauten ihre Stände
     schon ab, doch noch drängten sich späte Käufer -
     liederliche Mägde, verschlafene Studenten und ruppige ältere Männer,
     denen man ansah, dass schon lange keine Frau mehr um sie sorgte- zu den
     geduldigeren der Verkäufer, die nun in der letzten Stunde des Tages
     ein gutes Geschäft machten. Heu und Holzscheite erblickte ich da,
     Fische, Rüben, Kohl und Fett, Wein, Met und Brombeerwein, lebende Hühner
     und geschmiedete Türschlösser, hölzerne Dachschindeln und
     große Backtröge und noch vieles mehr - und dies war nur ein
     unbedeutender Markt!
    Meister Philippe folgte
     meinen staunenden Blicken und lächelte leicht. »Es sind Dinge
     ganz von dieser Welt, doch immerhin nützliche Dinge«, sagte er.
     »Ich habe Märkte gesehen, so überquellend vor Gold und
     Edelsteinen und Brokat, dass die Augen schmerzten, wenn das Sonnenlicht in
     dieser Pracht funkelte. Und die Sonne schien fast

Weitere Kostenlose Bücher