In Nomine Mortis
auf die Spur des schrecklichen Sünders begeben,
welcher unseren Mitbruder aus deutschen Landen so heimtückisch tötete.
Und du, Bruder Ranulf, der du als einziger Gelehrter unseres Ordens aus
jenen Landen stammst, wirst unserem besten Inquisitor zur Hand gehen, wenn
es denn nötig sein sollte.«
»Das wird es«,
sprach Bruder Philippe. Er klang noch immer freundlich. Doch irgendetwas
in der Entschlossenheit seiner Stimme flößte mir Unruhe ein.
*
Wir eilten den Weg zurück,
den Bruder Anselm und ich vor kaum einer halben Stunde gekommen waren. Der
Portarius geleitete Meister Philippe und mich zum Portal, nachdem wir uns
vom Prior verabschiedet hatten. Im Kloster erblickten wir keinen anderen Mönch.
Als wir das verschlammte Pflaster der Rue Saint-Jacques betraten, warf
sich mein Begleiter die Kapuze über das Haupt und verhüllte sein
Gesicht. Ich wunderte mich, denn so kühl war es nicht geworden in den
Gassen der Stadt, doch wagte ich nicht zu fragen und tat es ihm nach.
Respektvoll hielt ich mich zwei Schritte hinter meinem älteren
Mitbruder und schwieg. So bemerkte ich, dass die Menschen, wann immer sie
unserer verhüllten Gestalten ansichtig wurden, eilig und demütig
zur Seite wichen. Manche verneigten sich, andere hingegen wandten sich ab.
Selbst die auf den Straßen streunenden Hunde und Schweine wichen vor
uns zurück.
Noch immer drängten sich
Menschen und Fuhrwerke auf der Straße, doch die ersten Händler
verrammelten bereits die Türen und Fenster ihrer Läden mit
schweren, eichenen Flügeln und eisernen Ketten. In dem einen oder
anderen Fenster in den oberen Stockwerken der verwinkelten Häuser
leuchtete schon der rötliche Schimmer einer Kerze, der sich in den
Fenstergläsern brach und tausend Lichtkreise tanzen ließ, als
glühten im Innern dieser Häuser die Essen der Schmiede. Meine
Gedanken tanzten mindestens genauso unruhig wie jene Lichtkreise umher.
Nach Paris war ich gekommen zum Studieren, ein Doktor der Theologie, ja,
GOTT strafe meinen Hochmut, »der« Doktor der Theologie wollte
ich werden, der größte und weiseste Gelehrte meiner Zeit. Nun
hatte ich noch nicht einmal meine Studierstube in Paris erblickt und erst
recht keinen Lehrer. Stattdessen wanderte ich durch die finster werdenden
Straßen der Stadt, einem grausigen Fund entgegen.
Doch am verwirrendsten von
allem war, dass ich, der ich Gelehrter werden wollte, plötzlich zum
Inquisitor berufen worden war. Hatte ich überhaupt die Kraft, dem Bösen
ins Auge zu sehen, wenn es sich mir offenbarte? Konnte ich die Seelen der
Sünder erkennen und sie vor dem Ewigen Feuer erretten? Was geschah
mir, wenn ich fehlte? Hatte ich den Platz gefunden, den der HERR mir
zugemessen hatte? Oder war ich, durch eine Macht, die ich nicht zu
benennen wagte, erhoben in einen Rang, der mir nicht zukam? Nisi unicuique sicut divisit
DOMINUS unumquemque sicut vocavit DEUS ita ambulet. Ich fühlte mich plötzlich
klein und schwach und unendlich verloren. Meister Philippe, der bislang
schweigend und rasch vor mir ausgeschritten war, musste meine Gedanken
gespürt und in meinem Herzen gelesen haben. Denn schließlich,
wir hatten wohl schon die Hälfte der Rue Saint-Jacques bis zur Seine
zurückgelegt, verlangsamte er seine Schritte und bedeutete mir mit
einer knappen Geste, an seine Linke zu kommen.
Wir durchschritten gerade
einen kleinen Markt an einer Stelle, da sich die Rue Saint-Jacques zu
einem Plätzchen erweiterte. Die Händler bauten ihre Stände
schon ab, doch noch drängten sich späte Käufer -
liederliche Mägde, verschlafene Studenten und ruppige ältere Männer,
denen man ansah, dass schon lange keine Frau mehr um sie sorgte- zu den
geduldigeren der Verkäufer, die nun in der letzten Stunde des Tages
ein gutes Geschäft machten. Heu und Holzscheite erblickte ich da,
Fische, Rüben, Kohl und Fett, Wein, Met und Brombeerwein, lebende Hühner
und geschmiedete Türschlösser, hölzerne Dachschindeln und
große Backtröge und noch vieles mehr - und dies war nur ein
unbedeutender Markt!
Meister Philippe folgte
meinen staunenden Blicken und lächelte leicht. »Es sind Dinge
ganz von dieser Welt, doch immerhin nützliche Dinge«, sagte er.
»Ich habe Märkte gesehen, so überquellend vor Gold und
Edelsteinen und Brokat, dass die Augen schmerzten, wenn das Sonnenlicht in
dieser Pracht funkelte. Und die Sonne schien fast
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