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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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dort ebenfalls nach
     gelehrten Werken suchen, die ein Licht werfen könnten auf jenes Land.«
    Lea schwieg, da uns gerade
     ein paar Marktweiber passierten, doch sah ich aus den Augenwinkeln, dass
     sie zustimmend nickte. »Noch etwas«, flüsterte ich, als
     die Frauen außer Hörweite waren. »Hat Euer Vater je etwas
     mit einem Vaganten zu schaffen gehabt, der sich Pierre de Grande-Rue
     nennt?«
    Die junge Jüdin war so
     beherrscht, dass sie selbst bei dieser Frage, die ihr sicherlich seltsam dünkte,
     keine Überraschung zeigte. »Vaganten haben keine Scheu, mit
     Juden zu reden«, antwortete sie. »Und sie kommen viel herum.
     So zahlen Geldwechsler ihnen hin und wieder kleine Summen, damit ihnen das
     Fahrende Volk Neuigkeiten bringt. Über Armut und Reichtum in fremden
     Städten etwa oder wo sich gute Handwerker finden lassen oder welcher
     hohe Herr sich mit den Vaganten auf Glücksspiele und dergleichen einlässt.
     Auch mein Vater lädt manchmal Vaganten in sein Haus. Doch ich kenne
     deren Namen nicht, denn diese Leute stellen sich einer Frau nicht vor und
     mein Vater vermeidet es, mit mir über sie zu sprechen.«
    »Ich meine einen
     Vaganten, der sehr groß und dick und dabei kräftig ist. Er hat
     feuerrote, wilde Haare und einen ebensolchen Bart. Wer ihn einmal gesehen
     hat, der vergisst seine Erscheinung nicht mehr.«
    Lea dachte ein paar
     Augenblicke nach. »Nein«, gab sie schließlich zur
     Antwort, »ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Mann gesehen zu
     haben, auf den Eure Beschreibung zutrifft. Doch ich könnte versuchen,
     meinen Vater unauffällig nach seinem Wissen über die Vaganten
     auszufragen«, entbot sie.
    »Tut das«,
     antwortete ich und hätte gerne noch mehr Worte an sie gerichtet.
    Doch da sah ich zwei Mitbrüder,
     die mir entgegenkamen. Ich senkte das Haupt, ging jedoch weder schneller
     noch langsamer. Lea musste die Mönche ebenfalls gesehen haben —
     und verstand sofort. Sie folgte mir noch eine kurze Wegstrecke, dann bog
     sie in eine Seitengasse ein. So verschwand sie lautlos hinter meinem Rücken,
     ohne dass wir uns voneinander verabschieden konnten. Ich traf meine Mitbrüder
     genau vor der Klosterpforte. »Pax vobiscum«, murmelte ich. Zusammen mit den
     beiden Mönchen, die sich nicht überrascht zeigten, mich in der
     Abendstunde noch auf der Straße zu sehen, trat ich dann ein.
    Doch als ich mich schon in
     Sicherheit wähnte, fuhr mir der Schrecken in die Glieder. Es war im
     Kreuzgang, den ich langsam durchschritt — und wo mir plötzlich
     Meister Philippe entgegenkam.
    »Hast du noch einen
     kleinen Spaziergang unternommen, Bruder Ranulf?«, fragte mich der
     Inquisitor höflich. »Kannst du keine Ruhe finden?«
    Ich spürte, wie mir die
     Röte ins Gesicht schoss. Waren dies nur die freundlichen, besorgten
     Worte eines älteren Mitbruders oder hatte der Inquisitor etwas
     geahnt? Hatte er mich gar auf der Straße gesehen und bemerkt, wie
     mir die verschleierte junge Frau gleich einem Schatten gefolgt war? Würden
     sich seine scharfen Augen überhaupt von Leas Gewändern täuschen
     lassen? Hatte er mich also gar gesehen — und wusste zugleich, mit
     wem ich gesprochen hatte? Sollte ich ihm nun die Wahrheit sagen - oder
     sollte ich weiter lügen? Ich entschloss mich zur Lüge.
    So murmelte ich denn etwas
     von meiner Besorgnis über die wirren und gefährlichen Ereignisse
     im Schlachthof und versicherte Meister Philippe, dass ich meine Ruhe nun
     jedoch wiedererlangt hätte. In unziemlicher Hast nahm ich dann meinen
     Abschied und eilte zu meiner Zelle. Dort lehnte ich mich an die Wand und
     atmete tief durch. Ich fühlte mich erschöpft. Und zugleich
     zitterte ich, denn dies war mir nun klar: Ich hatte den Verdacht des
     Inquisitors erregt.
    *
    Der nächste Tag war der
     des Apostels Thomas. Ein neuer, heißer Julimorgen brach gerade an.
     Ich war dankbar für die Kühle der Kirche, in der ich mich, noch
     schlaftrunken, zur Prim einfand. Doch kaum erklangen die Stimmen der Brüder
     zum ersten Hymnus, entstand Unruhe an der Pforte unseres GOTTEShauses. Ein
     Novize drängte sich herein, schlich zum Platz von Meister Philippe
     und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Der Inquisitor unterbrach seinen
     Gesang, dann gab er mir mit der Hand ein Zeichen, ihm zum Ausgang der
     Kirche zu folgen.
    Ich wagte nicht, ein Wort zu
     sagen, sondern ging schweigend hinter Meister Philippe her bis zum
     Kreuzgang. Als ich dort ankam, schauderte ich, als

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