In Nomine Mortis
vermag, ist er doch verschlagen und auf eine gefährliche Art
klug. Nimm dich also in Acht und hüte deine Zunge, sobald du ihm
gegenübertrittst!« Eine gute Stunde später standen wir im
bischöflichen Palais, einem mit Säulen, Giebeln und hohen
Fenstern gar schön geschmückten Haus neben Notre-Dame. Ein
Diakon führte uns in das erste Obergeschoss, wo er uns durch eine
hohe Halle geleitete, wo Tapisserien, die Szenen der Jagd verherrlichten,
an den Wänden hingen. Trotz der dicken Mauern des Palastes war es im
Innern warm und stickig. Daher war ich erleichtert, als uns der Diakon den
Weg bis zum Ende der Halle wies, wo eine Tür auf eine Loggia führte,
die mit filigranen, gedrehten Säulen und steinernen Fabelwesen
verziert war. Hier saß der Bischof auf einem mit rotem Samt
ausgeschlagenen, hochlehnigen Stuhl. Seine in Seidenpantoffeln steckenden
Füße ruhten auf einem ebenso gepolsterten Fußbänkchen.
Jean Courtecuisse war sicherlich an die sechzig Jahre alt und ungeheuer
dick. Sein Gesicht war rot und glänzte wie ein polierter Spiegel.
Sein Ornat war aus feinsten Stoffen gewirkt. Ein rot-grün karierter,
pelzbesetzter Mantel lag um seine Schultern, trotz der drückenden
Hitze des Sommers. Ein diamant- und rubinglänzender Gürtel
spannte sich um seinen mächtigen Wams. Doch trug er, was mir seltsam
dünkte, das kahle Haupt unbedeckt. An jedem seiner zehn fetten Finger
steckte ein großer, goldener Ring, sodass der Ring des Bischofs
inmitten dieser glitzernden Pracht kaum auszumachen war.
Mit seiner geschmückten
Rechten griff er in eine Schale aus Kristallglas und klaubte sich einige
kandierte Birnen und Kirschen heraus, die er mit einem Schwung in seinen
riesigen Schlund warf. Ein sehr junger, weißgesichtiger Priester
hielt ihm die Obstschale hin, dann zog er sich diskret einige Schritte zurück,
blieb jedoch im Schatten der Gaube stehen.
Der Bischof reichte uns mit müder
Geste seine Hand, auf dass wir ihm den Ring küssten. Wir taten dies
mit aller gebotenen Ehrerbietung.
Zunächst schien es so,
als ob er bloß mit uns plaudern wolle. Seine Stimme war tief und
klang überaus angenehm. Jovial erkundigte er sich nach der Gesundheit
unseres Priors und nach dem Stand der Dinge im Kloster. Er bot uns
kandierte Früchte an. Meister Philippe antwortete höflich,
lehnte jedoch — zu meinem heimlichen Bedauern — die
dargebotenen Köstlichkeiten ab, sodass auch ich nicht von ihnen zu
nehmen wagte.
Doch nachdem sich dieses
unverbindliche Gespräch einige Zeit dahingezogen hatte, wechselte
Jean Courtecuisse plötzlich das Thema. »Sagt, Meister Philippe«,
hub er an, »mir sind da Vorkommnisse zu Ohren gekommen. Unangenehme
Vorkommnisse.« Dann ließ er seine Stimme verklingen und sah
uns aufmerksam an. »Eure Eminenz meinen den getöteten Mönch
und den ebenso dahingeschiedenen Dekan der Domherren, den ehrwürdigen
Nicolas d'Orgemont«, antwortete der Inquisitor ernst.
Der Bischof nickte, sagte
jedoch nichts. Seine dunklen Augen glitzerten plötzlich wie die eines
Wolfes. Ich begann, mich vor dem Bischof zu fürchten.
»Wir wissen, wer der Täter
ist«, fuhr Meister Philippe ungerührt fort. »Zumindest
gibt es einen Mann, von dem wir annehmen können, dass er der Unhold
ist. Wir wissen auch, in welchem Viertel er sich versteckt hält. Wir
jagen ihn. Wir werden ihn bald finden.«
»Das freut mich zu hören«,
antwortete der Bischof und stopfte sich wieder eine Handvoll kandierter Früchte
in den Mund, nachdem er den jungen Priester mit einer Geste an seine Seite
beordert hatte. Dabei strich er mit seinen fetten Fingern kurz und wie zufällig
über die Hand des Geistlichen. Weder Meister Philippe noch mir
entging indes diese Berührung. Wir wechselten einen raschen Blick und
der Inquisitor bedeutete mir, keine Regung zu zeigen. »Es ist überaus
beruhigend zu wissen, dass die Inquisition die festeste Stütze der
Kirche ist. Gerade in diesen Zeiten«, fuhr Jean Courtecuisse fort.
»Ihr wisst so gut wie ich, was das Volk von Paris glaubt; welche Gerüchte
in den Straßen geflüstert werden; was von der schrecklichen
Krankheit erzählt wird, die angeblich schon fast an unsere
Stadtmauern herangekrochen ist; und wie schnell in solchen Tagen Hitzköpfe
zu Schwert und Brandfackel greifen könnten. Dies, zumindest, möchte
ich als guter Hirte in meiner Herde vermeiden.« Er blickte
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