In Nomine Mortis
der
Inquisitor.
Sein Gesichtsausdruck war
derart, dass ich nicht mehr wagte, das Wort an ihn zu richten.
*
Kein Mönch geleitete
uns. Es war nur zu deutlich, dass Meister Philippe den Weg kannte, den wir
nun einzuschlagen hatten. Wir durchquerten den Garten, gingen um den
weiten Kreuzgang von Saint-Martin-des-Champs und passierten schließlich
wieder die Klosterkirche.
Hinter dem Hause GOTTES erhob
sich ein wuchtiger Bau mit mächtigen Mauern und wenigen Fenstern in
plumpen, runden Bögen. Mit einem Blick erkannte ich, dass dieses
finstere Haus, das eher an eine Festung gemahnte, weit älter sein
musste als die anderen, so kunstvollen und lichten Monumente des Klosters.
Meister Philippe schritt zum
einzigen Portal, einer schweren, eichenen Tür. Dort erwarteten uns
bereits zwei Bewaffnete. Ihre Gewänder zierten die Insignien der
Heiligen Inquisition. Die beiden Hellebardenträger verneigten sich
schweigend und während der eine am Tor zurückblieb, führte
uns der andere hinein ins düstere Innere. Ich folgte ihm und meinem
Meister durch einen langen, fensterlosen Gang. Dann öffnete sich ein
gemauerter Bogen zu einer engen, gewundenen Treppe, die in die Tiefe führte.
Dumpfe Luft und ein Gestank nach heißem Eisen und anderen Dingen,
die ich zu jener Zeit noch nicht zu deuten wusste, schlugen uns entgegen.
Ich zog den Saum meiner Kapuze über Mund und Nase, während der Wächter
eine Fackel entzündete, bevor er weiter voranschritt. Tief ging es
hinab, mir wollte es scheinen, als führte diese Treppe bis in die Hölle.
Die mit schwarzem Schimmel überzogenen Wände schwitzten Wasser
aus und mit jeder Stufe nahm die Hitze zu, roch die Luft modriger.
Endlich gelangten wir wieder
auf einen Gang. Hier steckten im Abstand von jeweils mehreren Schritten
Fackeln in eisernen Ringen an den Wänden und warfen ein unruhiges,
rotes Licht auf den Boden, der mit fauligem Stroh bedeckt war. Ein Wesen,
dunkel und wohl so lang wie mein Unterarm, huschte leise raschelnd davon:
die größte Ratte, die ich je gesehen hatte. In unregelmäßigen
Abständen waren zu beiden Seiten des Gangs Eichentüren in die Wände
gelassen — so niedrig, dass ein erwachsener Mann bestenfalls tief
gebeugt, eher nur auf Knien hindurchkommen mochte. Ich glaubte, während
ich voranschritt, hinter mancher der verschlossenen Pforten Schmerzensstöhnen
zu vernehmen, doch das mochte ich auch meinen überreizten Sinnen
zuschreiben. Einen Menschen sah ich jedenfalls nicht — bis wir am
anderen Ende des Ganges in ein überraschend hohes, von wohl einem
Dutzend Pfeilern getragenes Gewölbe traten. Zwei kräftige, in
kurze Ledergewänder gehüllte Männer verbeugten sich
schweigend und traten respektvoll zurück, als Meister Philippe ihnen
dies mit einem Wink gebot. Zu meiner Überraschung gewahrte ich im
Hintergrund des hohen Raumes den Bader Nicolas Garmel, den der Inquisitor
offensichtlich ebenfalls hierhin befohlen hatte. Auch er verneigte sich,
doch gab er sich nicht würdevoll wie die beiden anderen Männer,
sondern war blass und zitterte, als erwarte er jeden Augenblick seinen
Tod.
Im Gewölbe schimmerte
das Licht noch rötlicher, hier war die Luft noch stickiger, denn
neben den Fackeln in eisernen Ringen strahlte ein großer Rost mit
einem Berg glühender Kohlen Licht und Hitze aus.
Doch nicht deshalb stockte
mir der Atem.
Mitten im Gewölbe stand
ein großer Tisch aus dunklen Eichenbalken. Auf diesem lag, nackt und
von einigen Hieben ein wenig zerschunden, Pierre de Grande-Rue.
Der mächtige Körper
des Vaganten war immer noch Furcht einflößend, obwohl der
Gefangene ausgestreckt war und sich nicht mehr rühren konnte. Seine
Hand- und Fußgelenke umklammerten eiserne Zwingen, die wiederum mit
schweren Ketten an Ringen befestigt waren, die tief im Eichentisch
verschraubt waren.
Außer den unbedeutenden
Wunden, die ihm bei seiner Gefangennahme zugefügt worden waren,
schien mir Pierre de Grande-Rue unverletzt zu sein. Schweiß glänzte
allerdings auf seiner Haut und ließ seine langen, roten Haupt- und
Barthaare verkleben; sein Atem ging schwer. Er sog die Luft ein wie nach
einem Hieb, als er den Inquisitor erblickte.
»Mein Sohn«,
sagte Meister Philippe, »du wirst schwerer Verbrechen und großer
Sünden bezichtigt. Es sind Taten, die du nicht mehr rückgängig
machen kannst. Noch aber ist es nicht zu spät zu
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