In Nomine Mortis
fragte der Inquisitor. Seine Stimme klang plötzlich
müde.
»Ja, Herr.« Der
Vagant, der spürte, dass Meister Philippe nicht mit ihm zufrieden
war, zitterte am ganzen Leibe, obwohl es im Gewölbe heißer und
immer heißer wurde, denn hin und wieder ging einer der Folterknechte
zum Rost und legte noch mehr Kohlen auf. »Du elender Lügner!«,
donnerte der Inquisitor plötzlich so laut, dass uns allen der Atem
stockte — selbst den beiden Folterknechten. Die allerdings erholten
sich als Erste von dieser Überraschung und warfen sich einen
wissenden Blick zu. Einer fing an, seine Hände zu massieren. Der
andere entfachte noch mehr Glut auf dem Rost. »Du willst mir also
sagen«, fuhr Meister Philippe fort, »dass du den unglücklichen
Heinrich von Lübeck nur zufällig erblickt hast. Du warst auf dem
Weg zu einer Dirne, da lag er dir im Weg. Finster war die Nacht, so
finster, dass du den Toten zunächst mit einem Haufen Lumpen
verwechselt hast. Doch kaum bist du näher herangetreten, da weißt
du nicht nur unzweifelhaft, dass der Mönch tot ist, nicht einfach nur
besinnungslos, ohnmächtig oder verletzt, nein, du weißt sogar
genau, woran er gestorben ist: einem Messerstich! Das hast du gerade
selbst gesagt.«
»Ich habe schon viele
Messerwunden gesehen!«, fuhr Pierre de Grande-Rue auf, doch seine
Stimme klang heiser.
»Nicht genug damit«,
Meister Philippe hatte sich wieder beruhigt und tat, als hätte er den
Einwurf des Gefangenen nicht vernommen. »Du willst uns weismachen,
dass du den Toten ausrauben wolltest. Doch einen ganzen Beutel voller
Gold- und Silbermünzen lässt du liegen. Dafür stiehlst du
ein Buch - obwohl du nicht einmal lesen kannst!«
»Aber das ist die
Wahrheit!«, flehte der Vagant. »Mir blieb keine Zeit, den
toten Mönch länger zu durchsuchen.«
»Ja, weil diese unglückselige
Nacht so still war, bis du plötzlich Geräusche aus einer Gasse
vernommen haben willst. Einer Gasse, in der, wie ich Grund habe zu
vermuten, sich in jenem Augenblick entweder der Domherr Nicolas d'Orgemont
oder die Schönfrau Jacquette oder gar beide aufgehalten haben. Zwei
Menschen, die du nie gesehen haben willst — vor denen du jedoch
geflohen bist, so schnell und so weit du konntest!«
»Es war doch so
finster!«, stammelte der Gefangene. »Und finster ist auch die
Aussicht für dich, verstockter Sünder«, verkündete
der Inquisitor.
Meister Philippe nickte den
Folterknechten zu. »Zeigt ihm die Instrumente!«, befahl er.
Da nahmen die beiden Männer
eiserne Zangen zur Hand, dornengespickte Peitschen, Daumenschrauben und
Stricke und hielten dem Gefangenen eine glühende Kohle nahe ans
Gesicht. Pierre de Grande-Rue weitete angstvoll die Augen. »Gnade!«,
kreischte er. »Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen weiß!«
Darauf seufzte Meister Philippe, schloss die Augen und betete. Da er stumm
blieb und nur die Lippen bewegte, vermag ich nicht zu sagen, welches Gebet
er sprach. Doch als er die Augen wieder auftat, schlug er das Kreuz.
»HERR, schenke uns Kraft«, murmelte er. Dann blickte der
Inquisitor die beiden Folterknechte an und nickte. »Fangt an!«
*
Selbst jetzt, so viele Jahre
später, sträubt sich mir die Feder, all das niederzuschreiben,
dessen Zeuge ich nun werden musste. Wohl hatte ich in Köln und auch
in Paris schon gar manchen Bettler, Verbrecher oder Häretiker
gesehen, der im Kerker geschmachtet und die Folter erduldet hatte, später
jedoch, dank der Gnade der Richter, wieder freigelassen worden war. Ich
hatte Narben auf der Haut gesehen, ausgerenkte Arme, ausgeschlagene Augen
und verkrüppelte Hände. Doch hatte ich stets rasch den Blick von
diesen Sündenmalen abgewendet. Es waren Verletzungen einer früheren
Zeit gewesen, abscheulich anzusehen zwar, doch längst verheilt, so
gut es eben ging.
Nun sah ich jedoch, wie diese
Wunden geschlagen wurden. Und ich muss gestehen, auch wenn mir die
Schamesröte das Gesicht verbrennt, dass ich mit einem Schauder Zeuge
wurde — einem Schauder, den nicht nur die Angst in mir hervorrief.
Es ging eine seltsame, schreckliche Faszination aus von diesem Schauspiel
menschlicher Qualen, von der Farbe des Blutes und vom Geräusch reißender
Sehnen, vom Stöhnen des Gefangenen und vom Geruch verbrannter Haut.
An Jacquette dachte ich und an Rache, wiewohl mir doch zugleich graute vor
dem, was ich miterleben musste. Der Tisch,
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