In Nomine Mortis
bereuen und zu
gestehen. Wenn du ohne Falsch redest und uns ehrlichen Herzens alles
sagst, was du getan hast, ohne auch nur eine Winzigkeit verbergen zu
wollen, dann mag der HERR dir dies dereinst zu deinen Gunsten anrechnen.
Und ich verspreche dir, dass auch ich es dir zu deinen Gunsten auslegen
werde, wenn du uns Zeit und dir selbst unnötige Pein ersparst.«
Dann gebot mir Meister
Philippe, mich an ein Pult zu stellen, das einige Schritte neben dem Tisch
stand, auf dem der Gefangene lag. Auf diesem Pult fand ich eine Feder, ein
Fass Tinte und etliche Bögen guten Pergaments.
»Bruder Ranulf, du
wirst das Protokoll führen und alles getreulich aufzeichnen, was der
Gefangene sagt.« Ich nickte gehorsam.
Schließlich wandte sich
der Inquisitor in freundlichem, doch festem Ton wieder an Pierre de
Grande-Rue. »Nun rede!«, forderte er ihn auf. Dann fragte er
ihn, ob er Heinrich von Lübeck erstochen habe. Pierre de Grande-Rue
hob den Kopf, so weit es ihm die eisernen Fesseln erlaubten. Alles Wilde
war aus seinem Gesicht gewichen. Furchtsam blickte er zu uns auf, einem
großen, verstörten Kind ähnlicher als dem Messer werfenden
Berserker, der mir noch vor einigen Tagen im Schlachthof beinahe das Leben
geraubt hatte.
Für einen Moment wollte
mich Mitleid gegen ihn ankommen, doch dann dachte ich an Jacquette und
dies wappnete mein Herz. Kalt blickte ich auf ihn hinab, nahm die Feder
zur Hand und wartete darauf, was er uns zu sagen hatte.
»Gnade, Herr!«,
hub der Vagant an. Seine Stimme war tief, doch hörte ich ein Zittern
in ihr.
»Es liegt allein an
dir, wie groß die Gnade der Inquisition ist«, erwiderte
Meister Philippe. »Also befehle ich dir ein zweites Mal: Rede!«
»Ich habe den Mönch
nicht getötet«, rief daraufhin der Vagant - und ich schrieb
dies nieder, obgleich sich mir bei diesen Worten die Feder sträuben
wollte.
»Den Mönch habe
ich gesehen, das ja«, fuhr er fort, »doch da war er schon tot.
Es war nachts, als ich an Notre-Dame vorbeischritt, die genaue Stunde
vermag ich nicht zu sagen.«
»Was hattest du dort zu
suchen«, unterbrach ihn Meister Philippe, »zu einer Stunde,
die du nicht benennen magst oder kannst, die aber doch sicherlich schon
ungewöhnlich spät war?«
Kurz zögerte der Vagant
und ich sah, wie er in seinem Innern mit sich rang. Dann seufzte er
vernehmlich. »Verzeiht mir, Herr, dass ich Eure Ohren mit einer Sünde
beleidige. Ich wusste, wie jedermann es weiß, dass stets Schönfrauen
im Schatten von Notre-Dame ausharren, auch in der Nacht. Ich hatte in
einer Taverne Glück im Würfelspiel gehabt. Da wollte ich ein
paar Sous von meinem gewonnenen Geld zu einer Dirne tragen und mir den
Rest der Nacht versüßen.« Der Vagant schluckte schwer, da
er diese Sünde gestand. Doch Meister Philippe blickte ihn bloß
aufmerksam an, seine Gesichtszüge blieben undurchdringlich. Die
beiden Folterknechte und der Wächter sahen starr vor sich hin und
schienen, wenn überhaupt eine Regung in ihnen auszumachen war, ein
wenig gelangweilt. Der Bader Nicolas Garmel hatte sich an einen Pfeiler
gelehnt und wirkte so, als würde er am liebsten mit dem Stein
verschmelzen, um sich unsichtbar zu machen. Ich kritzelte eifrig mit der
Feder über das Pergament und ließ nur kurz mein Auge über
die Runde schweifen. Statt erleichtert darüber zu sein, dass sich
niemand über diese Sünde empörte, flackerte neue Angst auf
in den Zügen des Vaganten. Vielleicht verstand er erst in jenem
Moment, dass diese Sünde, so schrecklich sie war, uns lässlich
schien angesichts jener Sünden, die wir gekommen waren zu hören.
Pierre de Grande-Rue räusperte
sich. »Darf ich einen Schluck Wasser haben, Herr? Mich dürstet.«
Der Inquisitor nickte. Da
trat einer der Folterknechte gleichmütig zu einem offenen Wasserfass,
in dem eine Holzkelle schwamm. Mit der brachte er einen Schluck an die
Lippen des Gefangenen, dann zog er sich wieder zurück.
»Ich wollte also zu nächtlicher
Stunde die Kathedrale passieren«, setzte der Vagant seine Geschichte
fort. »Da erblickte ich an deren Seite, vor jenem kleinen Portal,
etwas Dunkles auf dem Boden. Ich hielt es zunächst für ein paar
Lumpen, die jemand verloren hatte. Doch als ich näher kam, da
gewahrte ich, dass es ein Mensch war, der dort ausgestreckt auf dem Boden
lag. Ein Toter.«
»Heinrich von Lübeck?«,
fragte der
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