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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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antwortete der Inquisitor, »würdig, langsam und im stillen
     Lobpreis GOTTES.
    Der Sergeant und der junge
     Torwächter, dessen Schaden dieses Abenteuer nicht sein soll, werden
     sich um den Vaganten kümmern und ihn gebunden dorthin führen. In
     Saint-Martin-des-Champs werden wir dann die Zeit finden, uns ausführlich
     mit Pierre de Grande-Rue zu unterhalten.«
    Er lächelte dünn.
     »Ich danke IHM fürwahr für SEINE Gnade, dass er uns
     endlich jenen Mann in die Hand gegeben hat. Vielleicht, wer weiß,
     gelingt es uns gar, die gute Stadt Paris doch noch vor SEINEM Zorn zu schützen
     - jenem Zorn, der schon ganz Frankreich, ja das ganze Abendland, so hört
     man, verheert hat.«
    Ich schlug das Kreuz und
     folgte dem Inquisitor. Es war ein langer Weg, für den wir wohl zwei
     Stunden oder mehr brauchten. Zunächst gingen wir bis zur Porte
     Saint-Honore zurück, doch betraten wir nicht die Stadt, sondern
     hielten uns außerhalb der Mauer an einen staubigen Weg, der in einem
     großen Bogen links von der Seine wegführte. So wanderten wir
     durch Felder und Obstgärten. Weiß und rosafarben blühten
     noch manche Apfel- und Birnbäume, in den meisten reiften schon rote
     und gelbe Früchte zwischen den Blättern. Mich hungerte und dürstete,
     doch wagte ich es selbstverständlich nicht, mir eine dieser Köstlichkeiten
     zu pflücken.
    Der Inquisitor, der meinen
     Blick deuten konnte, lächelte mir aufmunternd zu. »Gedulde
     dich, Bruder Ranulf«, sprach er. »Saint-Martin-des-Champs ist
     weit mehr als nur ein Gefängnis der Kirche. Es ist ein Kloster außerhalb
     der Stadtmauern - und es untersteht der Abtei von Cluny, der reichsten des
     Landes. Die Brüder dort werden sich unserer annehmen. Wir werden
     ausgeruht und gestärkt das Verhör des Vaganten beginnen.«
    So folgte ich ihm denn durch
     die Hitze und durch den Staub. Selten nur erblickten wir einen Bauern auf
     den Feldern, kaum je einen Boten oder Händler auf einer der nach
     Paris führenden Straßen, die wir kreuzten.
    Zwei Hunde sah ich, die tot
     und mit aufgeblähtem Bauch im Graben lagen, umschwirrt von schwarzen
     Wolken aus Schmeißfliegen. Mir dünkten sie ein böses Omen
     und wieder schlug ich das Kreuz - wiewohl hastig, damit mich der
     Inquisitor nicht dabei ertappte und vielleicht über meinen
     Aberglauben spottete.
    Endlich gelangten wir auf die
     große Rue Saint-Nicolas, die genau nordwärts aus Paris führte.
     Hier lag das ummauerte Kloster Saint-Martin-des-Champs wohl einige Hundert
     Schritte jenseits der Wälle der Stadt.   
    Wahrhaftig, der Inquisitor
     hatte nicht übertrieben: Die Mauer um das Kloster wäre einer
     mittleren Stadt würdig gewesen, so hoch und mächtig war sie
     — dabei war sie jedoch weiß gekalkt und rein, sodass sie das
     Licht reflektierte, bis mir die Augen schmerzten. Ein junger Kluniazensermönch
     ließ uns ein. Meister Philippe zeigte ihm an, dass demnächst
     ein Gefangener der Inquisition zu erwarten sei, und bat ihn, alle nötigen
     Vorbereitungen zu treffen. Derweil sah ich mich um und staunte nicht
     schlecht. Die Gebäude des Klosters lagen inmitten großer,
     wohlgepflegter Kräutergärten, die betäubend dufteten. Das
     Gesumm unzähliger Bienen, welche um die Blüten aller Farben
     tanzten, erfüllte die Luft. Die Kirche war so groß, dass sie
     wohl an die tausend Mönche aufnehmen konnte. Eine große Rosette
     und viele fein gearbeitete Skulpturen zierten ihre Front; ein Glockenturm
     mit glänzendem, kupferbeschlagenem Dach ragte in den Himmel und
     selbst das Kreuz auf seiner Spitze war vergoldet. Zwei Novizen eilten uns
     durch die Gärten entgegen, grüßten ehrerbietig und
     geleiteten uns in ein kühles, helles Gästehaus. Dort wuschen sie
     uns die Füße und reichten uns anschließend Obst und weißes
     Brot, Käse und erquickendes, klares Brunnenwasser. Ich schloss die
     Augen, hörte von irgendwoher das beruhigende Plätschern eines
     Springbrunnens, lauschte dem Gesumm der Bienen und dem Gesang der Vögel
     und dankte dem HERRN, dass er mir diese kleine Rast gönnte.                  
    Ich musste in Schlummer
     gefallen sein, denn irgendwann vernahm ich die Stimme von Meister
     Philippe: »Mach dich bereit, Bruder Ranulf! Wir haben lange genug
     geruht.«
    Schuldbewusst blickte ich
     mich um und erhob mich. »Wohin gehen wir?«, fragte ich, noch
     schlaftrunken.
    »Wir werden in den
     Kerker hinabsteigen. Der Vagant ist angekommen«, antwortete

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