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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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geborgen hatte. Genauso verlor er kein weiteres
     Wort über die terra perioeci -
     es war, als hätte es dieses geheimnisvolle Land niemals gegeben, als
     hätte ich jene beiden Begriffe nicht selbst mit eigenen Augen
     gelesen.
    Mit jeder Stunde, die
     verging, war ich mir sicherer, dass er mir etwas verschwieg. Doch was
     mochte er verbergen? Und warum? Die Tage nach der Predigt des Bischofs
     waren erfüllt von Lobgesang und Preis GOTTES. Allenthalben, in allen
     Kirchen und Klöstern von Paris, wurden Messen gelesen und
     Prozessionen gesegnet. Es war - man konnte es fast körperlich spüren
     - als wäre jedem Bürger der Stadt eine Last, schwer wie eine
     Fuhre Steine, von den Schultern genommen. Freier gingen Männer und
     Frauen durch die Straßen, elastischer war ihr Schritt. Die Mägde
     sangen wieder fröhliche Lieder, die Burschen schauten ihnen hinterher
     und wagten auch manch unzüchtiges Wort, die Kinder lachten und
     pfiffen. Alle waren froh, dass der Unhold gefunden und damit der Zorn
     GOTTES abgewendet worden war. Zumal jetzt so gut wie keine neuen Flüchtlinge
     mehr in die Stadt kamen. Die Seuche, so flüsterte man an jeder Ecke,
     zog wieder ab, jeden Tag wohl ein paar Hundert Schritt weiter weg von den
     Mauern.
    Doch die Fröhlichkeit
     der Menschen war eine Spur zu laut, ihr Lobpreis GOTTES klang zu dankbar,
     ihre Erleichterung über die Aufdeckung der Untat und die Strafe des Sünders
     erschien mir zu groß. So ließ uns der Prior Messen lesen;
     Bruder Carbonnet schickte zudem seine begabtesten Prediger aus, auf dass
     sie an allen Ecken der Stadt zu den Menschen sprachen. Denn wir spürten
     wohl, dass die Freude dünn war wie ein Firnis auf einem Gemälde
     — und dass darunter noch immer eine tiefe, namenlose, dunkle Furcht
     lauerte. Wohl kann ich behaupten, dass niemals zuvor so viele Christen uns
     Dominikanern lauschten wie in jenen Tagen.   
    Einzig, dass ich das Kloster
     nicht zu verlassen wagte, schmerzte mich. Denn mit Messen und Predigten
     gab es so viel zu tun, dass ich mich nicht unauffällig zur Bibliothek
     im Kollegium de Sorbon hätte stehlen können. Außerdem war
     es undenkbar, dass ich gegen den Willen Klaras zu ihr geschlichen wäre
     oder der Jüdin Lea bas Nechenja einen Besuch abgestattet hätte.
    Selbst als nach wenigen Tagen
     die Erregung der Bürger abflaute und wir nicht mehr zu jeder Stunde
     Messen lesen mussten, wagte ich mich nicht hervor. Ich fürchtete mich
     vor Meister Philippe. Denn wenn er mir etwas verschwieg, dann mochte er
     mir misstrauen. Und wenn er mir misstraute, dann mochte er meinen geheimen
     Wegen auf die Schliche kommen.
    Ich hoffte nur, dass am
     verabredeten Tag - dem Tag der heiligen Margareta — mein demütiges
     und gehorsames Verhalten seine Aufmerksamkeit etwas eingeschläfert
     hatte, sodass ich die Dienerin und über sie endlich meine Geliebte würde
     wiedersehen können. Doch als schon fast die Stunde gekommen war, da
     ich hoffen durfte, Klara wieder in den Armen zu halten, wurde ich Zeuge
     von einem Ereignis, das meine Seele erzittern ließ.
    *
    In jener Nacht vor dem Tag
     der heiligen Margareta entlud sich über Paris ein schreckliches
     Gewitter. Der HERR schickte eine Flut hernieder, wie er sie wohl auch an
     jenem Tag gesandt hatte, da Noah seine Arche besteigen musste. Donnerschläge
     hallten durch die Stadt, sodass die Mauern der mächtigsten Bauwerke
     erzitterten, und Blitze aus gleißendem Höllenlicht zuckten am
     Himmel.
    Schlaflos lag ich auf meiner
     Pritsche. Doch nicht allein das schreckliche Unwetter gab meinem Geist
     keine Ruhe, auch ein wirrer Gedankenreigen ließ mich nicht
     eintauchen ins süße Meer des Vergessens und der Träume.
     Ich dachte an Klara und sehnte unsere nächste Begegnung herbei.
     Zugleich jedoch quälten mich Bilder des gefolterten Vaganten, Bilder
     von Jacquette, die mit klaffender Wunde auf dem Boden lag, Bilder von Lea,
     die mich anflehte, ihren Vater zu retten, Bilder von einigen schwarzen,
     blauen und roten Strichen auf altem Pergament, die einen Namen
     umschlossen:                  
    terra perioeci. Irgendwann, es war wohl schon weit
     nach Mitternacht, doch das Unwetter tobte noch immer heftig über der
     Stadt, vermeinte ich, wieder Geräusche im Kloster zu hören, die
     nicht vom Regen oder vom Donner herzurühren schienen.
    Konnte ich es wagen, meine
     Zelle zu verlassen, oder würde draußen ein Schatten auf mich
     lauern? Lohnte sich

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