In Nomine Mortis
gekommen wäre. Als der verneinte, nickte ich und zog
mich erleichtert in meine Zelle zurück. Dort entfaltete ich den Brief
und las:
Geliebter!
Ich habe nur wenige
Augenblicke Zeit, um dir diese Zeilen zu schreiben. Die »Kreuz der
Trave« wird in vier Wochen Paris verlassen. Es ist ein Geheimnis,
das nicht einmal der Steuermann kennt. Mein Mann wollte es auch vor mir
verschweigen, doch verriet er sich in einem unbedachten Moment.
Ich weiß nicht, ob
er auf eigene Faust lossegeln will oder ob ihm jemand einen Auftrag
gegeben hat. Wir haben keine Fracht geladen, nur viele Vorräte. Ich
vermute trotzdem, dass es jemanden gibt, der meinem Gatten Befehle geben
kann. Nie hätte ich so etwas gedacht! Und doch: Mein Mann scheint
jemandem zu gehorchen, ja, er scheint ihn zu fürchten.
Ich vermag weder zu sagen,
wer dieser Geheimnisvolle sein könnte, noch weiß ich, wohin
unsere Kogge segeln soll. Ich kenne nicht das Ziel der Reise und nicht
ihre Dauer. Sicher ist nur dies: Wir laden Vorräte ein, Tag um Tag.
So weiß jeder Matrose an Bord, so weiß jeder Diener im Haus,
dass es bald losgehen soll. Nur, wie gesagt, niemand weiß wann genau
und wohin.
Geliebter - verzeihe mir,
dass ich deinen Namen nicht niederschreibe, doch sollte dieser Brief
jemals in falsche Hände gelangen, dann wird er nur mich der Schande
anheimgeben, nicht dich — ich sehne mich nach dir! Doch meine
Sehnsucht muss ich bezähmen. Und auch du musst dich noch ein wenig in
Geduld üben. In acht Tagen werden wir Gäste des Bischofs von
Paris sein. Der hohe Herr hat meinen Gatten und mich in seinen Palast
eingeladen. Ich weiß nicht, warum, doch mein Mann ist seither noch
nervöser als zuvor.
Wir kleiden uns neu ein. Täglich
ist eine Schneiderin da, die mir Maß nimmt oder mir Stoffe präsentiert.
Es kann meinem Gatten nicht kostbar genug sein, ich werde aussehen wie
eine Fürstin! Dann bringen uns Goldschmiede feinstes Geschmeide
vorbei, manches für mich, das meiste jedoch als Geschenk für den
hohen Herrn, dessen Gäste wir die Ehre haben zu sein.
So bin ich keine Stunde
allein, nie bin ich unbeobachtet. In neun Tagen erst, wenn wir aus dem
bischöflichen Palais zurückgekehrt sein werden und Ruhe wieder
einkehrt in unser Haus, wird unsere Stunde kommen!
Bis dahin muss ich mich
damit begnügen, dein Bild in meiner Seele zu tragen und die Stunden
zu zählen, die mich noch von dir trennen. Da ich deine Neugier kenne
— und ich selbst natürlich neugierig bin—, werde ich
versuchen, mehr herauszufinden über das Ziel der »Kreuz der
Trave«, ohne dabei den Verdacht meines Gatten zu erregen. Mag sein,
dass ich dir in neun Tagen ein neues Geheimnis ins Ohr flüstern kann.
Meine Dienerin Magdalena,
die dir diesen Brief überbringt, wird dann zur Mittagszeit vor dem
Kloster auf dich warten und dich zu mir führen. Gedulde dich also
noch eine kleine Weile!
Klara
Neun Tage! Wie lang würde
mir diese Zeit werden! Denn nicht länger war es die Wollust allein,
die mich verzehrte, sondern nun auch die brennende Ungeduld, wieder nach
dem Mörder des Mönches zu suchen.
Meister Philippe würde
keine weiteren Nachforschungen betreiben, das glaubte ich nun sicher zu
wissen. Wahrscheinlich würde er mit mir nicht einmal über das
Buch sprechen, das der Vagant Heinrich von Lübeck geraubt hatte, und
auch nicht über das geheimnisvolle Land terra perioeci, wenn ich auch nicht wusste, warum
er diese Dinge mir gegenüber verschwieg. Ich war auf mich allein
gestellt.
Doch nicht ganz: Zwei
Helferinnen hatte ich, die gleich mir nur heimlich auf die Suche gehen
konnten. Lea durchforschte noch immer die Bibliothek ihres Vaters nach
Hinweisen auf die terra perioeci. Nun,
da ich mit eigenen Augen, wenn auch nur schmerzlich kurz, diesen Namen in
einem weiteren Werk gelesen hatte, war ich noch sicherer als zuvor, dass
irgendwo in einem anderen Buch ein weiterer Hinweis auf dieses Land zu
finden sein müsse.
Und Klara? Sie würde,
geschickt wie sie war, nach dem Geheimnisvollen Ausschau halten, der ihrem
Gatten Befehle geben konnte, und sie würde versuchen, das Ziel der
Kogge zu ergründen. Die »Kreuz der Trave« würde bald
ablegen. Es sollte eine lange Reise werden. Konnte das alles ein Zufall
sein?
Ruhelos warf ich mich auf
meiner harten Pritsche hin und her. Ich hatte keinen Beweis, ja
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