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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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das Risiko einer Entdeckung noch? Denn was hätte
     ich schon davon, klärte ich die Geheimnisse jener unheimlichen
     Treffen auf?
    Andererseits, so dachte ich
     mir, hatte ich, seit ich in Paris weilte, noch keine Sache wahrhaft zu
     Ende geführt. Nichts wusste ich, keine Frage hatte ich beantwortet,
     keine Spur bis zu deren Ende verfolgt. Wenigstens dieses Rätsel
     wollte ich nun klären, wenn ich auch nicht hoffte, darüber
     jemals mit einem anderen Menschen sprechen zu können. So erhob ich
     mich denn, schlich zur Tür und warf mich dort zu Boden. Ich wartete
     eine gute Weile hingekauert auf dem kalten Stein, bis ein besonders
     heftiger Doppelschlag von Blitz und Donner das Kloster bis in die
     Grundfesten erzittern ließ. Sofort drückte ich die Tür auf
     und kroch hinaus.
    Ich hoffte, dass die tobenden
     Elemente das leise Scheuern meiner Kutte auf dem Boden und das Knarzen der
     Zellentür verschluckten und dass ich in meiner Haltung nicht mehr als
     ein Schatten war, den selbst ein aufmerksamer Wächter übersah.
    Rasch blickte ich mich um:
     Niemand war an beiden Enden des Ganges zu erkennen, doch konnte ich nicht
     sicher sein, ob sich nicht doch jemand irgendwo verbarg. Also richtete ich
     mich nicht auf, sondern schob mich, Brust und Bauch am kühlen Boden,
     Handbreit um Handbreit voran.
    So gelangte ich schließlich
     bis zum Kreuzgang. Ich zitterte am ganzen Leib, denn die Kühle des
     Bodens war mir inzwischen bis in die Knochen gedrungen. Doch noch immer
     wagte ich nicht, mich zu erheben. So kroch ich denn weiter, der Schlange,
     dem Tier der Falschheit, ähnlicher als einem Menschen, bis ich in der
     Mitte des vom Kreuzgang allseits umschlossenen Gartens angekommen war, wo
     ich mich hinter der Mauer des Springbrunnens verbarg.
    Der Regen schlug mir ins
     Gesicht und durchnässte meine Kutte, sodass mir die Kälte bald
     unerträglich dünkte. Ich überlegte schon, ob ich nicht
     einem Wahngebilde aufgesessen sei und es nicht besser wäre, in meine
     trockene Zelle zurückzukehren, bevor ich mir in Nässe und Kälte
     ein womöglich tödliches Leiden zuzöge, da gewahrte ich an
     einem Ende des Kreuzgangs eine lange Reihe schweigender Schatten. Dort
     stand wohl ein Dutzend oder mehr Mönche mit hochgeschlagenen Kapuzen.
    Mir stockte der Atem. Keine
     der Gestalten hatte eine Kerze oder Fackel entzündet. Lautlos
     bewegten sie sich in Richtung des Lesesaals der Bibliothek. Wer mochten
     sie sein? Warum versammelten sie sich zu nächtlicher Stunde?
    Ich wäre gerne näher
     herangeschlichen, doch wagte ich dies nicht, denn der Brunnen, hinter dem
     ich mich versteckt hielt, erhob sich in der Mitte des Kreuzganges. Wo auch
     immer ich mich hätte hinwenden mögen: Stets hätte ich ein
     Stück weit über eine freie Fläche kriechen müssen,
     bevor ich in die Dunkelheit der pfeilergeschmückten Gänge hätte
     eintauchen können.
    Also rührte ich mich
     nicht, spähte nur vorsichtig über den Brunnenrand und hoffte,
     noch einen Blick auf die Schatten zu erhaschen. Und wahrlich, GOTT erhörte
     mein Flehen. Denn gerade, als die Mönche die Pforte öffneten,
     welche den Gang zum Lesesaal verschloss, zerriss ein fürchterlicher
     Blitz den Nachthimmel. Es waren gleißend gelbe Feuerzacken, die von
     West nach Ost das Gewölbe über der Welt zu sprengen schienen.
     Irgendwo in Paris fuhr dieser Blitz nieder. Ein gewaltiges Donnern rollte
     durch die Straßen, ein Grollen und Krachen. Es stank nach Schwefel.
    Doch jener Blitz erhellte die
     Dunkelheit für einen Augenblick. Alles tauchte er in ein
     unwirtliches, grelles Licht, das keinen Schatten mehr ließ. Die Mönche
     allerdings hatten ihre Häupter furchtsam gesenkt oder abgewandt,
     sodass ich ihre Gesichter trotz der plötzlichen Helligkeit nicht
     erkennen konnte.
    Nur einer, der Erste, der an
     der Pforte stand, hielt sein Haupt erhoben und zuckte nicht einmal, da der
     Blitz die Nacht erschütterte. Deutlich konnte ich die Züge unter
     der Kutte ausmachen. Einen Augenblick zwar nur, doch brannte sich mir das
     Bild in die Augen und in die Seele. Dort stand Meister Philippe.
    *
    Ich wartete zitternd und
     zagend, bis die Mönche lautlos im Lesesaal verschwunden waren. Nun,
     da ich wusste, wer zu ihnen gehörte, wagte ich es nicht mehr, ihnen näher
     zu kommen. So schlich ich mich denn bei der erstbesten Gelegenheit zurück
     in meine Zelle. Erschöpft warf ich mich auf meine Pritsche. Die Kälte
     war mir in die Knochen gefahren -

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