Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
und doch war es nicht die Kälte des
     Regens, die mich erschauern ließ.
    Wer waren die Mönche,
     mit denen sich der Inquisitor nächtens traf? Andere Inquisitoren? Was
     hatten sie zu bereden? Warum diese Heimlichkeit? Hatten diese Zusammenkünfte
     etwas mit den Toten zu tun, deren Schicksal Meister Philippe und mich
     aneinander gekettet hatte? Oder fanden sie gänzlich unabhängig
     davon statt? Gab es sie vielleicht schon seit Jahren? Wussten die meisten
     Mönche im Kloster Saint-Jacques vielleicht sogar davon? War nur ich
     nicht eingeweiht? Oder — im Gegenteil - war ich der Einzige, der
     ihnen auf die Schliche gekommen war? Was sollte ich nun tun? Hatte ich
     dadurch nicht noch einen Grund mehr, Meister Philippe zu misstrauen? Mit
     diesen Gedanken verbrachte ich den Rest der Nacht. Einer Nacht, die in
     ganz Paris wohl für Unruhe sorgte, denn das Gewitter blieb Stunde um
     Stunde über der Stadt, als wollte der Himmel selbst zornig auf die Dächer
     einschlagen.
    Als allerdings der Morgen
     heraufdämmerte, lösten sich die Wolken auf, als hätte es
     sie nie gegeben. Blau war der Himmel, strahlend und klar und wie rein
     gewaschen die Luft. Schon nach der Prim wärmte uns die Sonne, nach
     der Terz stand sie bereits hoch und brannte heiß.
    Meister Philippe sang bei den
     Gottesdiensten im Chor der Mönche, als wäre nichts geschehen. Er
     sah erfrischt aus und ruhig wie immer.
    Ich wagte nicht, ihn
     anzusprechen, aus Furcht, dass ich in einem unbedachten Moment etwas
     verraten mochte, das den Inquisitor auf die Spur meiner nächtlichen
     Suche gebracht hätte. Außerdem befürchtete ich, dass
     Meister Philippe mich fragen mochte, was ich an diesem Tage außerhalb
     des Klosters zu schaffen hatte.
    Denn schon nach der Prim war
     ich auf die Rue Saint-Jacques getreten, doch zu meiner großen Enttäuschung
     gewahrte ich nirgendwo Klaras Dienerin. Nach der Terz eilte ich wieder
     hinaus - und mein Herz jubilierte, denn nun sah ich sie!
    Wir verständigten uns
     nur durch einen Blick; keine Geste sollte uns verraten. Die Dienerin
     wandte sich die Straße hinab und ging Richtung Seine. Ich folgte ihr
     — doch wie erstaunt war ich, als ich nach einiger Zeit bemerkte,
     dass wir nicht zum »Haus zum Hahn« gingen. Stattdessen führte
     mich die Dienerin in die Kathedrale Notre-Dame. Mit einem Blick bedeutete
     sie mir, an einem der Pfeiler im Kirchenschiff zu warten. Dann zog sie
     sich zu einer Kapelle am Chor zurück und sank dort nieder zum Gebet.
     Ich blickte mich ratlos um, grübelnd, was dies zu bedeuten hatte.
    In der Kirche drängte
     sich ungewöhnlich viel Volk für diese Stunde. Dann gewahrte ich
     mehrere Priester, die vor den Altar traten, um eine Messe zu lesen. Eine
     Totenmesse.
    Neugierig und nicht wenig
     beunruhigt trat ich näher. Ich lauschte dem aufgeregten Gerede
     mehrerer Müllerinnen, die in der Nähe des Pfeilers beisammen
     standen, wo auch ich ausharren sollte. So erfuhr ich denn, dass in der
     Nacht zuvor jener Blitz, der mir das Gesicht des Inquisitors enthüllt
     hatte, tatsächlich in Paris eingeschlagen war: Er war hineingefahren
     in die kleine Kirche Notre-Dame-de-Liesse, wo sich Christenmenschen zur
     Mitternachtsmesse versammelt hatten.
    Vier Menschen hatte der Blitz
     getötet, dreißig weitere hatte er ihrer Glieder oder ihres
     Verstandes beraubt. So gewaltig war die Kraft des Flammenstrahls, dass
     sogar steinerne Platten und Eisengitter, welche den Zugang zur Krypta
     verschlossen hielten, vom Boden hochgerissen und durch die Luft
     geschleudert worden waren.   
    Nun hielten vier Priester die
     Totenmesse in der größten Kirche von Paris, denn gar viele
     Angehörige, Freunde und Nachbarn hatten sich eingefunden und auch
     viele Bürger, obwohl sie keines der Opfer gekannt hatten.
    Die Heiterkeit und Hoffnung,
     die einen jeden in den letzten Tagen beflügelt hatten, waren wie
     weggeflogen. Die Ängste, die bösen Gerüchte, die
     unheilvollen Vorzeichen, die ein jeder gesehen haben wollte, machten
     wieder in getuschelten Worten die Runde. So trauerte ich zwar ob der vier
     Opfer, schlug das Kreuz und murmelte die Gebete, doch noch mehr
     beunruhigte mich das Geschwätz der Lebenden als das Schicksal der
     Toten. Es war, als könnte ich die Furcht wieder spüren, wie sie
     umging in Notre-Dame und mich streifte, gleich einem kühlen Lufthauch
     aus einer Gruft. Deshalb zuckte ich eher erschrocken, denn erfreut
     zusammen, als ich plötzlich Klaras

Weitere Kostenlose Bücher