In Nomine Mortis
begann alles mit
der Einladung zum Bischof«, fuhr sie dann fort. »Magister Jean
Courtecuisse war äußerst zuvorkommend, ja huldvoll gegen mich
und meinen Gatten. Auch wenn — ich gestehe meine weibliche Eitelkeit
— es mich schmerzte zu sehen, dass ihm die Reize einer Frau nichts
bedeuteten, denn er achtete meiner während des ganzen Abends nicht
mehr, als es die Höflichkeit gebot.«
»Ich bin froh zu hören,
dass der Bischof von Paris nicht mein Rivale wird«, bemerkte ich da
säuerlich.
Sie fand ihr altes Lachen
wieder und gab mir einen neckischen Stoß in die Rippen. »Habe
ich dir nicht soeben bewiesen, welchem Mann meine Gunst gehört?«,
fragte sie mich.
Dann wurde sie wieder ernst.
»Nun, trotz all der auserlesenen Speisen, trotz der leisen Musik,
die einige Flöten- und Lautenspieler im Nebenraum erklingen ließen,
trotz Kerzenlicht und damastenen Tischdecken, trotz all der salbungsvollen
Worte des Bischofs kam es mir bald vor, als müssten mein Gatte und
ich einem Inquisitor Frage und Antwort stehen.«
Ich dachte daran, wie Meister
Philippe den Vaganten verhört hatte, doch verzichtete ich auf eine
Erwiderung.
»Höflich und in
langen, verschlungenen Sätzen zwar, doch letztlich hartnäckig
wie ein Jäger fragte Magister Courtecuisse meinen Gatten nach dem
Wann und Wohin der ›Kreuz der Trave‹. Mir schien es, dass
der Bischof sehr wohl wusste, dass wir beabsichtigen, in nächster
Zeit abzulegen — doch dass er weder das Datum noch das Ziel unserer
Reise kannte.
Aus irgendeinem Grund jedoch
wagte er auch nicht, meinen Gatten frank und frei danach zu fragen. Er
schien auch nicht die Macht zu haben, uns diese Auskünfte einfach zu
befehlen — oder unsere Kogge im Hafen festzuhalten, wenn es ihm denn
so beliebte. Es war mehr, als wäre Magister Courtecuisse nicht der
oberste Seelenhirte von Paris, sondern ein anderer Reeder, der neugierig
einen Konkurrenten auszuhorchen versuchte. Neugierig und«, Klara zögerte
kurz, »irgendwie auch voller Furcht.«
»Und was antwortete ihm
dein Gatte?«
»Oh«, sie lachte,
»der Bischof nötigte ihn, ein Glas Burgunder nach dem anderen
zu leeren. Das hätte wohl für manches Abendmahl gereicht!«
Als sie meinen entsetzten
Blick bemerkte, küsste sie mich und flüsterte. »Verzeih
mir, ich vergesse immer wieder, dass du ein keuscher Mann des HERRN bist.«
Dann blickte Klara nach oben
zur Decke. Es war, als würden sich die Geschehnisse der letzten Nacht
nun vor ihrem Geiste noch einmal zutragen. »Mein Gatte hielt sich
achtbar — ob aus Geschick oder aus schierer Not, das vermag ich
allerdings nicht zu sagen. Den Tag der Abreise verriet er jedenfalls
nicht. Auch das Ziel der Fahrt wusste er geschickt bis zum Ende jener
denkwürdigen Einladung zu verschweigen. Hier jedoch vermute ich, dass
es ihm leichter fiel als mit dem Datum, denn so sehr der Bischof auch
nachfragte und so sehr mein Gatte darüber ins Schwitzen geriet: Ich
glaube, dass Magister Courtecuisse nichts von ihm erfahren konnte, weil
mein Mann das Ziel selbst nicht kennt.
Ich glaube ferner, dass der
Bischof dies irgendwann erkannt haben muss. Denn urplötzlich schien
er alles Interesse an uns verloren zu haben. Nach einigen Sätzen,
welche die Höflichkeit erforderte, entließ er uns aus seiner
Gunst. Es war allerdings auch schon spät — doch die Nacht war
da noch längst nicht vorüber.
Wir ließen uns in einer
Trage nach Hause bringen, umringt von Dienern und Fackelträgern. Es
war zu jenen Stunden, da das Gewitter mit Macht einsetzte. Es regnete, als
hätten sich die Schleusen des Himmels geöffnet. Es donnerte und
blitzte, dass selbst ich mich fürchtete. Viele Fackeln unserer Diener
erloschen im Regen oder in plötzlichen, heftigen Böen. Auch
konnte ich aus der Trage heraus kaum etwas erkennen. Und doch: Fast bin
ich sicher, dass uns ein Schatten gefolgt ist, von der Residenz des
Bischofs bis zum ›Haus zum Hahn‹.« Mich durchfuhr ein
Schauder. »Konntest du ihn erkennen?«, fragte ich und wusste
doch zugleich, wie überflüssig diese Frage war. Klara schüttelte
den Kopf. »Nein. Ich bin ja nicht einmal sicher, dass uns wahrhaftig
jemand gefolgt ist. Vielleicht war es auch eine Einbildung meiner überreizten
Sinne. Mein Gatte jedenfalls, ermüdet vom vielen Wein und der hartnäckigen
Befragung durch den
Weitere Kostenlose Bücher