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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nach der Prim, passierte ich stets seine Stube, nickte ihm gemessen zu,
     schwieg jedoch über meinen Weg. Er hob müde die Hand und ließ
     mich hinaus. 
    Auf der Rue Saint-Jacques
     harrte ich dann immer einige Zeit aus, nervös im Schatten einer
     Seitengasse hin und her schreitend — in der Hoffnung, Magdalena zu
     sehen, die Dienerin, die mich zu meiner geliebten Klara führen könnte.
     Doch stets wartete ich vergebens und mein Herz wurde schwer darüber.
    Dann ging ich hinunter zur
     Place Maubert und betrat das Kollegium de Sorbon — allerdings nicht
     ohne zuvor einen Abstecher bis zur Seine-Insel gemacht zu haben, um einen
     Blick auf den Hafen zu werfen. Dass ich die Kogge sah, beruhigte mich ein
     wenig, auch wenn ich wusste, dass jeder Tag, der verstrich, mich der
     unvermeidlichen Abreise der »Kreuz der Trave« und meiner
     Geliebten näher brachte. Noch immer kannte ich weder Ziel noch Zweck
     der heimlich geplanten Seefahrt.
    Magister Jean Froissart, der
     hinkende Bibliothekar im Kollegium, begrüßte mich in den ersten
     Tagen höflich, doch misstrauisch. Nach einiger Zeit jedoch wurde er
     freundlicher zu mir — war ich doch oft der einzige Mensch, der sich
     zwischen den Lesepulten verirrte. Je länger dieser drückende
     Sommer andauerte, desto wilder wurden die Gerüchte über die
     Seuche, die irgendwo vor den Mauern von Paris lauerte. Jeder wartete auf
     den Ausbruch der Krankheit, fast schien es, als würden alle Bürger
     erleichtert sein, bräche das Schreckliche nur endlich hervor. Doch
     nichts geschah.
    So wanderten Männer und
     Weiber wie ruhelos durch die Straßen. Die Bäcker buken kaum
     noch Brot und gar keinen Kuchen mehr, die Schneider beschränkten sich
     auf das Flicken von Gewändern, nähten jedoch keine neuen, die
     Schlächter und Gerber ließen ihre unreinen Gewerbe ruhen, die
     Lumpenhändler zogen nicht mehr durch die Gassen. Für die Bettler
     waren dies goldene Tage, denn viele Bürger waren freigebiger als
     sonst, da sie ihre letzten Tage fürchteten. Ertragreich war diese
     Zeit auch für die Waffenschmiede, denn ein jeder kaufte sich Dolche,
     Spieße, gar Schwerter, wenn auch niemand genau wusste, wozu sie
     dienen sollten — die Englischen und Burgundischen rührten sich
     nicht mehr. Man sagte, dass auch in ihren Lagern die Seuche mehr
     Landsknechte holte als jede Schlacht. Auch die Schönfrauen
     profitierten von der seltsamen Stimmung in der Stadt und versteckten sich
     nicht mehr im Schatten von Notre-Dame, sondern gingen selbst am
     helllichten Tage ohne Furcht über die Straßen und sprachen Männer
     an: mulierespublice
     infamatae. Viele Männer
     waren nur zu willig, ihren Verlockungen zu erliegen. Ich dachte an
     Jacquette und dieser Gedanke betrübte mich sehr. Ihr Tod blieb ungesühnt.
    Auch die Bedrohung der
     Inquisition, die düster über dem Haupt des jüdischen
     Geldwechslers schwebte, wollte nicht weichen, so sehr Lea auch kämpfen
     mochte.
    Dazu würde Klara bald
     die Stadt verlassen und ich ahnte nicht einmal, wohin. So fühlte ich
     mich denn verlassen und erfolglos und musste mich ermannen, nicht in
     Mitleid gegen mich selbst zu versinken.
    Ich verließ die
     Bibliothek des Kollegiums, wenn die Glocken der Kirchen zur Vesper, zur
     Terz und zu all den anderen Gottesdiensten riefen. Magister Jean Froissart
     musste mich für einen sehr gewissenhaften Mönch halten.
    Tatsächlich jedoch ging
     ich zwar jedes Mal zurück zur Rue Saint-Jacques, doch drückte
     ich mich dort nur irgendwo in eine Gasse vor dem Kloster, um mich zu
     verbergen. Ich hoffte, dass ich einmal auf Magdalena treffen würde -
     doch stets ging ich nach einiger Zeit allein zurück zu meinen Büchern.
    In der Bibliothek des
     Kollegiums ließ ich mir zuerst das Werk des Castorius kommen. Es
     überraschte mich nicht mehr, als mir Magister Froissart sagte, dass
     sich Jahre lang niemand um das Werk bekümmert hatte - und dass ich
     nun schon der zweite war, der es in der letzten Zeit zu sehen wünschte.
    Es überraschte mich auch
     nicht, dass er zwar wusste, dass ein Dominikaner dieses Buch zuvor
     ausgeliehen hatte — dass er jedoch nicht zu sagen vermochte, wer der
     Mönch gewesen sei. Als ich die Ausleihliste studierte, bemerkte ich,
     dass jener unbekannte Mönch einen Namen verwendet hatte, den ich noch
     nie gelesen hatte. Genauso wenig überraschte es mich, dass im Werk
     des Castorius die erste Landkarte mit einem scharfen Messer entfernt
     worden war.

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