In Nomine Mortis
kein Geräusch
vernahm, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Klaras Dienerin war
nirgendwo zu sehen. Doch ich hatte mir glücklicherweise den Weg
gemerkt, den wir genommen hatten, sodass ich mich gut zurechtfand.
Meine einzige Sorge war, dass
mich jemand erspähen würde, wenn ich aus dem Haus trat. Kaum
hatte ich jedoch die Rue Darnetal betreten, erkannte ich, dass diese
Furcht unbegründet war, denn die Angst war in die Straßen von
Paris zurückgekrochen.
Freude und Hoffnung, welche
die Predigt des Bischofs auf alle Gesichter gezaubert hatte, waren wieder
wie weggewischt. Viel Volk war auf der Rue Darnetal unterwegs; junge
Burschen standen müßig um den Brunnen Fontaine de la Reine.
Alle zeigten verdrossene oder furchtsame Mienen. Obwohl sich so viele
Menschen auf der Straße drängten, sprach doch kaum jemand ein
Wort. Kein Gesang, keine Scherzworte erklangen zwischen den Häusern,
kein Kinderlachen erscholl.
Was war geschehen? Vielleicht
war es die Totenmesse für die vielen Opfer des Blitzschlages gewesen,
welche in der abergläubischen Menge neue Furcht erregt hatte —
eine Furcht, die von Mund zu Mund getragen wurde und die niemand stoppen
konnte. Möglich auch, dass neue Nachrichten von außerhalb der
Stadtmauern nach Paris gebracht worden waren. Hatte sich die Krankheit im
Land doch nicht zurückgezogen? War die Seuche vielleicht sogar nähergerückt?
Zwei Ärzte der Universität
gingen genau in dem Augenblick, da ich aus dem Haus trat, die Rue Darnetal
entlang. Stolz schritten sie einher in ihren purpurnen Gewändern mit
pelzbesetzten Kragen, mit Silber durchwirkten Gürteln und güldenen
Sporen an den Fersen. Doch niemand entbot ihnen mehr den Respekt, der
ihnen gebührte. Es waren zwei ältere Männer, umgeben von
wohl einem Dutzend Dienern, und sie schritten mit starren Gesichtern
voran, so, als bemerkten sie nicht die gezischten Verwünschungen, die
hinter ihnen laut wurden. Noch gestern hatte man sie fast so hoch geehrt
wie Männer GOTTES oder Edelleute; heute jedoch murrte das Volk wider
sie. Auf einmal flog eine Handvoll Kot durch die Luft und traf einen der
Ärzte am Kopf. Die Burschen am Brunnen lachten, während die
Diener der medici drohend ihre Stöcke hoben und
Schimpfworte ausstießen. Die Ärzte jedoch taten, als sei nichts
geschehen. Sie beschleunigten nur ihre Schritte. Fast sah es aus wie eine
Flucht. Ich nutzte den kleinen Tumult, den der Auftritt jener unglücklichen
Ärzte ausgelöst hatte, um unauffällig vom Haus zur Rue
Darnetal zu schreiten und mich dort in die Menge zu drängen. Ein Mönch
immerhin blieb noch unbehelligt - wenn ich auch nicht wusste, wie lange
dies wohl noch anhalten mochte. Ich drängte mich an einigen
Marktweibern vorbei und glaubte mich schon in Sicherheit, denn nach
einigen Schritten auf jener belebten Straße mochte niemand mehr
meine Anwesenheit mit dem Haus des Wollhändlers in Verbindung bringen
- da sah ich eine verhüllte Gestalt.
Am gemauerten Rand des
Brunnens, abseits der Burschen und verborgen hinter dem hoch aufragenden
Wasserspeier, löste sich plötzlich ein Schatten aus seiner
Erstarrung. Es war ein Mann — oder vielleicht war es auch eine Frau.
Jedenfalls war der Unbekannte trotz der Sommerhitze in einen grauschwarzen
Mantel gehüllt, dessen hochgeschlagene Kapuze sein Gesicht verbarg.
Mir schauderte. Auch ich
schlug die Kapuze hoch und beschleunigte meine Schritte.
Die Schattengestalt schwebte
fast wie ein Geist vom Brunnen und folgte mir nach.
Ich ging schneller. Wurde ich
verfolgt? Von wem? Oder war dies alles nur Ausfluss meiner überreizten
Einbildung? Mehrmals blickte ich mich um: Der Unbekannte war stets hinter
mir, ja, er schien mir langsam näherzukommen.
Wohin sollte ich mich wenden?
Sollte ich auf dem schnellsten Wege zum Kloster zurückkehren? Doch
dafür musste ich quer durch Paris laufen. War es da nicht möglich,
dass mir der Unbekannte irgendwo auf dem Weg eine Falle stellen mochte?
War es nicht besser, ihm zu entkommen, ihn abzuschütteln wie der
Hirsch den Jäger? Ich versuchte zu ergründen, ob der
Schattenmann wohl Linkshänder sei. Doch beide Arme hielt er in den
Falten seines Umhangs verborgen, sodass ich nicht sah, ob er eine Waffe führte
— und falls dem so war, in welcher Hand er sie hielt. Doch fürchtete
ich, dass ich das nächste Opfer sein
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