In Nomine Mortis
lange
nicht mehr gesehen.«
»Woher weißt du
denn, dass er es war, der sich an unserem Mitbruder zu schaffen machte?«
»Ein Spielmann hat es
mir erzählt, gestern, in der ›Roten Hand‹. Der will es
von Pierre de Grande-Rue selbst gehört haben, als dieser zu viel
Burgunder getrunken hatte. Da habe er geprahlt, er hätte sogar die
Taschen eines Dominikaners geöffnet — auch wenn sich dieser
nicht mehr wehren konnte.«
»Was hat er ihm
geraubt?«, fragte der Inquisitor.
Honore schüttelte den
Kopf. »Was weiß ich? Was kann man einem Mönch schon
stehlen? Geld? Ich weiß es nicht, Ihr wisst es besser, Herr.«
Meister Philippe überhörte
diesen Anwurf. »Wie sieht er aus, dieser Spielmann und Halunke?«
»Pierre de Grande-Rue
ist groß wie ein Bär, breit wie ein Fass und rothaarig wie ein
Fuchs«, sagte Honore. »Ihr könntet ihn unter einer Menge
von tausend Menschen auf dem großen Platz vor Notre-Dame erkennen.«
Meister Philippe überdachte,
was er soeben vernommen hatte. Honore beobachtete ihn ängstlich; sein
schmutziges Wams war an Brust und Bauch dunkel von seinem Speichel, der
ihm noch immer unablässig aus dem Mund tropfte.
»Du wirst zur Buße
für dein loses Gerede und deine Respektlosigkeit zehn PATER noster
beten«, bestimmte schließlich der Inquisitor. »Und du
wirst die Mauern von Saint-Lazare einen Monat nicht verlassen, es sei
denn, ich lasse dich rufen.«
Honore nickte eifrig. Er war
erleichtert, dass ihm nichts Schlimmeres widerfahren war.
Wir hatten uns schon
abgewandt und waren beinahe auf der Straße, als Meister Philippe
sich noch einmal zu ihm umdrehte. »Und du wirst nie wieder Fabliaux
erzählen. Schon gar keine, in denen von einem toten Mönch
berichtet wird. Solltest du mir nicht gehorchen, dann wirst du auf dem
Scheiterhaufen brennen.«
*
Es dauerte wohl zwei Stunden
oder mehr, bis wir zu unserem nächsten Ziel gelangten. Die ganze Zeit
über schwieg Meister Philippe, sein Gesicht war verschlossen, sein
Schritt eilig und energisch. Demütig und gehorsam ging ich eine halbe
Mannslänge hinter ihm und ließ ihn allein mit seinen Gedanken.
So eilten wir zurück in
die Stadt. Auf der Rue Saint-Denis ging es langsamer voran, denn Karren,
Träger und die beladenen Ochsen und Esel der Bauern behinderten unser
Fortkommen. An vielen Stellen lagen tote Ratten, ihre Körper von den
unzähligen Tritten von Mensch und Tier blutig zerquetscht. Noch schlüpfriger
als sonst war deshalb das Pflaster.
Der Nebel wollte sich nicht
verziehen, doch waren seine Schleier nun nicht mehr weißlich,
sondern grau, ja fast schwarz, denn Rauchfahnen unzähliger Herdfeuer,
Backofen und Schmieden waren in den feuchten Schwaden gefangen. Bitter
schmeckte die Luft und mühsam ging mein Atem.
Irgendwann bog Meister
Philippe nach rechts ab. Ich folgte ihm durch mehrere Gassen, deren Namen
ich nicht kannte, bis ich in der Ferne den düsteren Schatten des
Louvre erahnen konnte, jener finsteren Burg an der westlichen Stadtmauer,
die sich mit mehreren hohen, runden Türmen und mächtigen
zinnenbekrönten Wällen wie ein gezackter Felsen am Ufer der
Seine in den Himmel reckt. Wieder verließen wir die Stadt. Diesmal
durch ein Tor, das ein Stück weit neben dem Louvre in die Mauer
eingelassen war. Es kam mir wie ein Unheil verkündendes Omen vor,
dass dieses Tor — und die Straße, die hindurch führte
— ausgerechnet nach Saint-Honore benannt war. Diesmal jedoch mussten
wir den Schutz der Mauer nicht allzu weit hinter uns lassen, denn schon
nach wenigen Schritten führte mich Philippe de Touloubre zu einigen
Zelten, die abseits des Weges aufgeschlagen waren.
Im Nebel erkannte ich
zerschlissene Stoffbahnen, drei Ochsenkarren, die mit schweren Holzkeilen
gesichert waren, und deren Zugtiere, die ein Stück weiter auf einer
Wiese grasten. Ich sah schmutzige, halbnackte Kinder, die kreischend
zwischen den Zelten spielten und Zigeunerinnen und andere liederliche
Frauen, die nähten, kochten oder sich in sündigen Gesten das
lange Haar bürsteten. »Vaganten«, sagte Meister Philippe.
Es war das erste Wort, das er in den vergangenen zwei Stunden an mich
gerichtet hatte. Bevor ich etwas erwidern konnte, tauchte aus dem Nebel
blitzschnell ein Mann auf, stellte sich breitbeinig in unseren Weg und
schwang einen schweren Knüppel.
»Was wollt Ihr
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