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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ich, dass
     ihn der Schlag getroffen hätte und er vor unseren Augen tot
     niedersinken würde. Dann sprang er auf, nestelte mit seinen Klauenhänden
     an seinen Beinkleidern herum, stammelte leise wirres Zeug - und warf sich
     schließlich, noch immer unschicklich nackt, vor uns ins nebelnasse
     Gras.
    »Fürchte dich
     nicht, mein Sohn«, sagte der Inquisitor und lächelte. »Wir
     haben deinen Fabliaux in der ›Roten Hand‹ gelauscht«,
     fuhr Meister Philippe freundlich fort, als Honore sich endlich erhoben und
     leidlich angekleidet hatte.
    »Gnade, oh Herr, Gnade,
     Gnade«, stammelte dieser und wäre wieder auf den Boden
     gesunken, wenn wir ihn nicht aufgefangen hätten - Meister Philippe
     hatte ihn am rechten Arm gepackt; ich, der ich das Antoniusfeuer scheute,
     hatte es nur gewagt, seinen Kragen zu fassen, doch seine Haut wollte ich
     nicht anrühren.
    »Mich interessiert
     deine Geschichte der Templer nicht und nicht die vom Blitz, der in eure
     Kirche gefahren ist — sicher zur Strafe unaussprechlicher Sünden,
     doch das soll heute nicht meine Sache sein. Mich interessiert nur, was du
     von unserem toten Mitbruder gehört hast — und von dem
     Spielmann, der seine Leiche entehrte.« Für einen Moment waren
     Honores Augen so blank wie zwei Seen bei Windstille. Ich befürchtete
     schon, dass er in seinem Wahn seine eigene Geschichte vergessen haben
     mochte. Doch da lächelte er — ein wenig verschlagen, wie mir
     schien — und nickte dann eifrig. »Ja, der tote Mönch von
     Notre-Dame«, murmelte er. »Welche unaussprechliche Sünde
     mag er wohl begangen haben?«
    »Es steht dir nicht zu,
     dies zu fragen«, fuhr ihn der Inquisitor an. Nun war der Tonfall
     meines Meisters scharf, sein Gesicht verriet kalten Zorn. Oh ja, vor
     diesem Inquisitor musste auch der verstockteste Sünder zittern!
    Honore duckte sich, als sei
     er geschlagen worden. »Was wollt Ihr wissen, Herr?«, stammelte
     er, jede Frechheit war aus seiner Stimme gewichen.
    Meister Philippe blickte sich
     um, ob uns auch keiner der anderen Verstümmelten beobachtete. Doch
     niemand war zu sehen — wenn ich auch nicht ausschließen
     mochte, dass uns jemand in diesem Nebel unbemerkt belauschte. Dem
     Inquisitor kamen wohl ähnliche Gedanken, denn er trat näher an
     Honore heran und senkte die Stimme.
    »Wer war jener
     Spielmann, der sich an unserem Mitbruder zu schaffen machte?«, flüsterte
     der Inquisitor.
    Honore kratzte sich die
     schrundige Haut. »Ich fürchte, da werde ich Euch nicht helfen können,
     Herr«, murmelte er. Philippe de Touloubre lächelte kalt.
     »Wenn du mir nicht hilfst, guter Mann, dann werde ich dir helfen«,
     erwiderte er. »Ich werde deiner Erinnerung nachhelfen mit einem
     Feuer, das noch viel heißer ist als jenes, das dich verzehrt.«
    Honore begann zu zittern, als
     habe er die Schüttellähmung. Speichel troff in langen Fäden
     aus seinem Mund, seine Augen wanderten wie irr zwischen dem Inquisitor und
     mir hin und her. Ich starrte ihn, wie ich hoffte, ausdruckslos an. Auf
     keinen Fall wollte ich, dass er in mir jemanden sah, von dem er sich eher
     Gnade erwarten könnte als von Meister Philippe. Ich wollte nicht
     schwach erscheinen. Schließlich ließ das Zittern seiner
     Gliedmaßen wieder nach. Honore nickte unterwürfig. »Jetzt
     fällt es mir wieder ein, Herr. Verzeiht, einem Mann, Herr, dem GOTT
     ein Leid in den Leib gesandt hat, das auch die Seele vergiftet. Ich bin
     ein guter Mann, müsst Ihr wissen. Ich habe Familie und Kinder und ich
     hatte einen rechtschaffenden Beruf. Ich…«
    Der Inquisitor unterbrach ihn
     mit einer herrischen Geste. »Den Namen, gib mir den Namen!«,
     verlangte er.
    »Der Spielmann ist
     Pierre de Grande-Rue«, antwortete Honore. »Er ist ein
     Findelkind, gefunden auf der Rue Saint-Denis und aufgezogen von den
     Oblaten des Klosters ebendort. Doch als Kind schon lief er den Mönchen
     davon und lebt seither als Vagant.« Honore kicherte, besann sich
     dann rasch anders, schlug die Hand vor den Mund und murmelte ein Gebet.
    »Er mag wohl in den
     Zwanzigern sein. Er ist ein Feuerschlucker, spielt die Schalmei - und er
     öffnet mit geschickten Händen auch die bestverschnürte
     Tasche, ohne dass deren Besitzer es merkt.«
    »Wo finden wir ihn?«,
     fragte Meister Philippe. Honore zuckte die Achseln, dann hob er seine
     Klauenhand zum Schwur. »Das weiß ich nicht, bei den Seelen
     meiner Kinder, Herr. Er soll in Paris sein, doch ich habe ihn schon

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