In Nomine Mortis
ich, dass
ihn der Schlag getroffen hätte und er vor unseren Augen tot
niedersinken würde. Dann sprang er auf, nestelte mit seinen Klauenhänden
an seinen Beinkleidern herum, stammelte leise wirres Zeug - und warf sich
schließlich, noch immer unschicklich nackt, vor uns ins nebelnasse
Gras.
»Fürchte dich
nicht, mein Sohn«, sagte der Inquisitor und lächelte. »Wir
haben deinen Fabliaux in der ›Roten Hand‹ gelauscht«,
fuhr Meister Philippe freundlich fort, als Honore sich endlich erhoben und
leidlich angekleidet hatte.
»Gnade, oh Herr, Gnade,
Gnade«, stammelte dieser und wäre wieder auf den Boden
gesunken, wenn wir ihn nicht aufgefangen hätten - Meister Philippe
hatte ihn am rechten Arm gepackt; ich, der ich das Antoniusfeuer scheute,
hatte es nur gewagt, seinen Kragen zu fassen, doch seine Haut wollte ich
nicht anrühren.
»Mich interessiert
deine Geschichte der Templer nicht und nicht die vom Blitz, der in eure
Kirche gefahren ist — sicher zur Strafe unaussprechlicher Sünden,
doch das soll heute nicht meine Sache sein. Mich interessiert nur, was du
von unserem toten Mitbruder gehört hast — und von dem
Spielmann, der seine Leiche entehrte.« Für einen Moment waren
Honores Augen so blank wie zwei Seen bei Windstille. Ich befürchtete
schon, dass er in seinem Wahn seine eigene Geschichte vergessen haben
mochte. Doch da lächelte er — ein wenig verschlagen, wie mir
schien — und nickte dann eifrig. »Ja, der tote Mönch von
Notre-Dame«, murmelte er. »Welche unaussprechliche Sünde
mag er wohl begangen haben?«
»Es steht dir nicht zu,
dies zu fragen«, fuhr ihn der Inquisitor an. Nun war der Tonfall
meines Meisters scharf, sein Gesicht verriet kalten Zorn. Oh ja, vor
diesem Inquisitor musste auch der verstockteste Sünder zittern!
Honore duckte sich, als sei
er geschlagen worden. »Was wollt Ihr wissen, Herr?«, stammelte
er, jede Frechheit war aus seiner Stimme gewichen.
Meister Philippe blickte sich
um, ob uns auch keiner der anderen Verstümmelten beobachtete. Doch
niemand war zu sehen — wenn ich auch nicht ausschließen
mochte, dass uns jemand in diesem Nebel unbemerkt belauschte. Dem
Inquisitor kamen wohl ähnliche Gedanken, denn er trat näher an
Honore heran und senkte die Stimme.
»Wer war jener
Spielmann, der sich an unserem Mitbruder zu schaffen machte?«, flüsterte
der Inquisitor.
Honore kratzte sich die
schrundige Haut. »Ich fürchte, da werde ich Euch nicht helfen können,
Herr«, murmelte er. Philippe de Touloubre lächelte kalt.
»Wenn du mir nicht hilfst, guter Mann, dann werde ich dir helfen«,
erwiderte er. »Ich werde deiner Erinnerung nachhelfen mit einem
Feuer, das noch viel heißer ist als jenes, das dich verzehrt.«
Honore begann zu zittern, als
habe er die Schüttellähmung. Speichel troff in langen Fäden
aus seinem Mund, seine Augen wanderten wie irr zwischen dem Inquisitor und
mir hin und her. Ich starrte ihn, wie ich hoffte, ausdruckslos an. Auf
keinen Fall wollte ich, dass er in mir jemanden sah, von dem er sich eher
Gnade erwarten könnte als von Meister Philippe. Ich wollte nicht
schwach erscheinen. Schließlich ließ das Zittern seiner
Gliedmaßen wieder nach. Honore nickte unterwürfig. »Jetzt
fällt es mir wieder ein, Herr. Verzeiht, einem Mann, Herr, dem GOTT
ein Leid in den Leib gesandt hat, das auch die Seele vergiftet. Ich bin
ein guter Mann, müsst Ihr wissen. Ich habe Familie und Kinder und ich
hatte einen rechtschaffenden Beruf. Ich…«
Der Inquisitor unterbrach ihn
mit einer herrischen Geste. »Den Namen, gib mir den Namen!«,
verlangte er.
»Der Spielmann ist
Pierre de Grande-Rue«, antwortete Honore. »Er ist ein
Findelkind, gefunden auf der Rue Saint-Denis und aufgezogen von den
Oblaten des Klosters ebendort. Doch als Kind schon lief er den Mönchen
davon und lebt seither als Vagant.« Honore kicherte, besann sich
dann rasch anders, schlug die Hand vor den Mund und murmelte ein Gebet.
»Er mag wohl in den
Zwanzigern sein. Er ist ein Feuerschlucker, spielt die Schalmei - und er
öffnet mit geschickten Händen auch die bestverschnürte
Tasche, ohne dass deren Besitzer es merkt.«
»Wo finden wir ihn?«,
fragte Meister Philippe. Honore zuckte die Achseln, dann hob er seine
Klauenhand zum Schwur. »Das weiß ich nicht, bei den Seelen
meiner Kinder, Herr. Er soll in Paris sein, doch ich habe ihn schon
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