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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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vernommen? Ich krümmte mich zusammen, versuchte, so klein zu
     werden wie möglich. Dann bemerkte ich, dass wir nicht allein waren.
     Nun, da ich geduckt dastand und mit allen meinen Sinnen den Nebel und die
     Düsternis zu durchdringen versuchte, nun erst sah ich andere Schatten
     in engen Seitengassen und Hauswinkeln. Nun erst hörte ich von
     irgendwoher gedämpfte Stimmen, Flüstern, einen halb unterdrückten
     Schrei. Nun erst vernahm ich das Knirschen von Kieseln unter einer Sohle,
     das Kratzen eines langsam zurückgeschobenen Eisenriegels, das Würgen
     und Stöhnen von jemandem, der sich übergab. Ich war erleichtert
     und beunruhigt zugleich: Mir wurde klar, dass ich mich dem Unbekannten
     nicht so leicht durch ein unbedachtes Geräusch oder eine Bewegung
     verraten würde, wie ich zunächst befürchtet hatte. Doch
     zugleich ängstigte ich mich vor den Menschen und, wer weiß,
     vielleicht auch den verdammten Seelen, die durch das nächtliche Paris
     spukten.                  
    Der Unbekannte schien noch
     eine Weile abzuwarten, dann lief er endlich weiter. Ich folgte ihm bis zum
     Petit Pont. Eine schwere, gusseiserne Kette spannte sich quer über
     den Zugang zur Brücke, doch war dies kaum mehr als eine symbolische
     Absperrung. Eigentlich hätten hier Sergeanten de la Douzaine stehen müssen,
     denn es war verboten, sich ohne Erlaubnis des Prévôt royal nächtens
     durch Paris zu bewegen. Deshalb versperrten Ketten die wichtigsten Brücken
     und Straßen der Stadt.
    Doch zumindest am Petit Pont
     war kein Wächter zu sehen. Vielleicht waren den Sergeanten der Nebel
     zu dicht und die Luft zu feucht. Gut möglich war es aber auch, dass
     sie sich, wie alle vernünftigen Leute, vor der Nacht und ihren Geschöpfen
     fürchteten.
    Der Unbekannte jedenfalls
     schien zu wissen, dass an der Kette niemand lauern würde. Ohne auch
     nur einen Augenblick zu zögern oder nach links oder rechts zu
     blicken, stieg er über die eisernen Glieder. Die Kette zitterte, ihr
     angerostetes Eisen gab kratzende Laute von sich. Dumpf klangen die
     Schritte der Gestalt auf dem hölzernen Boden der Brücke.
    Ich zögerte kurz an der
     Kette. Noch immer konnte ich das dumpfe Klopfen hören, mit dem die
     Schuhsohlen des Unbekannten auf die Holzbalken trommelten. Musste er mich
     dann nicht auch hören? Verzweifelt zermarterte ich mir den Kopf und
     suchte nach einem Ausweg aus meinem Dilemma.
    Schließlich, weil mir
     nichts Besseres einfiel und ich befürchtete, die Gestalt im Nebel
     endgültig zu verlieren, streifte ich meine Sandalen ab und stieg,
     Mantel und Kutte hebend, vorsichtig über die Kette. Ich erschauderte.
     Das feuchte Holz war glitschig und kalt wie der Tod. Ich lief weiter, nur
     mit den Ballen über die Balken tänzelnd wie ein übermütiges
     Kind. Ich machte, wie meinen überreizten Sinnen schien, gehörigen
     Lärm.
    Doch der Schemen vor mir
     verlangsamte nicht seinen Lauf, im Gegenteil: Als er das jenseitige Ende
     der Brücke erreicht hatte, wurde er schneller und schneller. Er eilte
     durch die Gassen der Seine-Insel und strebte einem Ziel zu, das düster
     im Nebel schimmerte wie ein tausendfach gezackter Felsen, wie ein
     Titanenwald, in den niemals Licht fällt, wie die riesenhafte Burg des
     Herrn der Finsternis: der Kathedrale von Notre-Dame.
    Der Unbekannte verschmolz mit
     der dunklen Masse, ein kleiner Schatten, der sich auflöste. Mit
     klopfendem Herzen hatte ich mich bis zum Rand des Platzes vor der
     Kathedrale geschlichen und starrte in den Nebel. Die Gestalt war
     verschwunden.
    Schließlich schlug ich
     ein Kreuz, nahm all meinen Mut zusammen und rannte bis zum Hause GOTTES.
     Ich stand an der lang gestreckten Südfassade der Kirche. Über
     mir ragten Pfeiler und Türmchen auf. Steinerne Fratzen starrten auf
     mich herab, Teufel, Dämonen, Fabelwesen. Im milchigen Halblicht
     vermeinte ich, dass sich ihre Züge in schrecklicher Wut verzogen, da
     ich es wagte, in der Nacht an die Pforte ihres Reiches zu klopfen. Der
     Unbekannte war nirgendwo zu sehen.
    Da hörte ich, ganz
     leise, ein Knarren. Nur wenige Schritte zu meiner Rechten erkannte ich
     schemenhaft eine winzige Tür, die zwischen den Streben zweier
     Kapellen ins Mauerwerk eingelassen war. Lange stand ich vor ihr, zu lange
     vielleicht. Schwer ging mein Atem, mein Herz schlug mir im Halse. Sollte
     ich hineingehen?
    »Du hast dich auf
     diesen Weg begeben, nun musst du ihn auch zu Ende gehen«,

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