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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ging in den Krankensaal, wusch den
     erschöpften Mitbrüdern, die oft wochenlang auf den Straßen
     gewandert waren, die Füße, verband wund gescheuerte Fersen,
     trug eine Paste, die unser heilkundigster Bruder gemischt hatte, auf
     sonnenverbrannte Haut auf und linderte mit kalten Umschlägen und Kräutersud
     wohl manches Fieber. Die Tage verbrachte ich so und auch die meisten Nächte.
     Ich empfand, ich muss es gestehen, eine heimliche Freude an dem, was ich
     tat, denn ich erlegte mir diesen Dienst selbst als Buße auf. Indem
     ich fast pausenlos arbeitete, vermied ich es, zu viel über die Toten
     und über die Lebenden nachzudenken — vor allem über die
     Lebenden.
    Trotzdem bekam ich Jacquette
     nicht vollständig aus meinem Sinn. In jenen Tagen sah ich sie nicht,
     denn ich verließ das Kloster nie. Doch fragte ich mich manchmal, wo
     sie wohl sein mochte und wie es ihr erging in dieser unruhigen Zeit.
    Auch an Klara Helmstede
     dachte ich und an ihr aufreizendes Wesen. Vor allem, da Meister Philippe
     mir nach einem seiner Gänge durch die Stadt gesagt hatte, dass die
     Kogge noch immer im Seinehafen dümpelte.
    »Jetzt ist der Reeder
     gefangen«, murmelte der Inquisitor grimmig. »Richard Helmstede
     wird es nicht wagen, mit seinem Schiff durch ein Land zu segeln, in dem
     der Tod an beiden Ufern regiert. Wenn er uns etwas verheimlicht, dann wird
     er es uns früher oder später gestehen.«
    Vom Vaganten Pierre de
     Grande-Rue hingegen fehlte jede Spur. Wie hätten wir ihn auch aufstöbern
     können? Wir waren in unserem Dienst ans Kloster gebunden. Die
     Sergeanten hatten alle Hände voll zu tun, in der übervölkerten
     Stadt für Ordnung zu sorgen. Und zwischen all den Flüchtlingen
     mochte es dem Spielmann noch leichter fallen als zuvor, unentdeckt zu
     bleiben.
    *
    So verging ein Tag nach dem
     anderen, die Zeit schien zu fliegen, und schließlich wuchs auch in
     mir die Ungeduld. Ich wollte wieder hinaus aus dem Kloster, wollte suchen,
     forschen, wollte - doch das gestand ich mir nicht ein - zwei Gesichter
     sehen, die ich nur in meinem Innern betrachtete.
    Der Juni kam und es wurde heiß
     und stickig in Paris. Es stank bis hinter unsere Klostermauern, denn mit
     den zusätzlichen Menschen gelangte auch mehr Unrat auf die Straßen.
     Immerhin waren wir die Ratten los, denn seit dem großen Sterben im
     nebligen Frühjahr sah man nur noch wenige Tiere. Dafür plagten
     uns nun Flöhe und Wanzen und anderes Getier ärger als in anderen
     Jahren. Es war zu Sankt Erasmus, am zweiten Juni-Tag, dass ich die
     Gelegenheit fand, mich aus dem Kloster zu stehlen. Es war nach der Terz:
     Ich ging zum Portarius und sagte ihm, dass mich unser heilkundiger Bruder
     hinausschickte, auf dass ich irgendwo in Paris getrockneten Salbei und
     noch einige andere lindernde Kräuter kaufen möge. Das war nicht
     einmal gelogen, denn tatsächlich hatte ich mich entboten, an Medizin
     zu kaufen, was überhaupt noch zu kaufen war. Tatsächlich
     streifte ich dann wohl zwei Stunden über die Plätze und durch
     die Gassen, um bei Apothekern nützliche Dinge zu erstehen. Die Preise
     waren hoch, ja wucherisch - oft zahlte ich vier, fünf Sous und noch
     mehr für ein kleines Säckchen mit Kräutern vom letzten
     Jahr. Doch sagte ich mir, dass es, so, wie die Dinge standen, in den nächsten
     Wochen kaum besser werden mochte. Als ich schließlich alle
     Besorgungen erledigt hatte, ging ich zurück über den Grand Pont.
     Dort, auf der Brücke der Geldwechsler, sah ich mich im Gedränge
     rasch um — und trat mit einem eiligen Schritt ins »Haus zum
     Falken«.   
    »Endlich seid Ihr
     gekommen, Bruder!«, rief der junge, höfliche Gehilfe in der
     Wechslerstube. »Messer Datini erwartet schon seit Tagen mit Ungeduld
     Euren Besuch.«
    Ich verzichtete auf eine
     Antwort und nickte nur würdevoll, doch am liebsten hätte ich
     jubiliert: Denn was konnte dies anderes sein als eine gute Nachricht?
    Und es war eine gute
     Nachricht. Pietro Datini hieß mich, auf einem Stuhl in seinem
     Arbeitszimmer Platz zu nehmen. Ich bewunderte heimlich sein prächtiges
     blaues Wams, das seiner kurzgewachsenen, hageren Statur etwas Imposantes
     verlieh.                  
    »Ich habe eine
     Geschichte gehört, die Euch schwerlich gleichgültig lassen wird«,
     begann er das Gespräch. Vorsichtig und höflich wie immer; nur
     sein Florentiner Akzent, der seine Worte noch mehr tränkte als sonst,
     verriet seine innere

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