In Nomine Mortis
Der Papst wird in dieser Situation, da uns Krieg und
Krankheit drohen, um keinen Preis Streit haben wollen mit Ihrer Majestät.
Ich möchte lieber nicht daran denken, was Seine Heiligkeit in so
einem Fall zu unternehmen gedenkt.
Also werden wir, ungeachtet
aller Schwierigkeiten, die unser Leben zurzeit plagen, die verruchten Täter
finden. Das heißt, Ihr, meine Brüder, werdet sie finden.«
»Ich danke Euch für
Euren Großmut, Ehrwürdiger Vater«, murmelte der
Inquisitor.
Der Prior segnete uns.
»Ihr dürft gehen«, sagte er freundlich. »Geht und
sucht!«
*
Als wir das Haus GOTTES
verließen, bebte der Inquisitor noch immer vor Wut. Es hätte
kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt geben können, ihm meine
Missetat zu gestehen, doch so sollte es sein: Der HERR lässt uns
keine Tat ohne Schwierigkeiten bereuen, denn wenn Reue einfach wäre,
dann würden wir schwachen Menschen noch viel mehr Sünden begehen
als wir es sowieso schon tun. »Meister Philippe, lasst uns bitte für
eine Weile durch den Kreuzgang wandeln, bevor wir uns wieder in Paris auf
die Suche nach den Mördern machen«, bat ich ihn.
Der Inquisitor sah mich
erstaunt an, sagte allerdings nichts, sondern nickte nur zustimmend.
So gingen wir denn langsam
unter dem Säulengang dahin, der uns noch kühlen Schatten bot, während
die Sommersonne den Innenhof buk. Ich gestand dem Inquisitor meine
heimlichen Wege zu Pietro Datini. Immerhin erleichterte es mich, dass sie,
wie ich hoffte, nicht vergebens gewesen waren. Denn selbstverständlich
erzählte ich auch getreulich all das, was ich von Nechenja ben Isaak
in Erfahrung gebracht hatte.
Philippe de Touloubre hörte
sich meinen Bericht schweigend an. Er war noch immer sehr blass - ob noch
aus Zorn über die Worte des Priors oder nun wegen meiner eigenen
Worte, das vermochte ich allerdings nicht zu deuten.
»Nun«, sagte er,
als ich endlich geendet hatte, »du wärst ein guter Ketzer
geworden, mein junger Bruder. Du beherrscht, wie mir scheint, die Kunst
der Heimlichtuerei und der Verstellung geschickt genug. Du kannst deine
Zunge im Zaum halten und du scheust dich nicht, dich auch mit anrüchigen
Leuten einzulassen, wie mit Geldwechslern, sogar mit jüdischen.
Andererseits«, und nun lächelte Meister Philippe dünn,
»sind dies auch genau die Eigenschaften, die einen guten
Inquisitoren ausmachen. Deinde ego te ab so Ivo.«
Ich beugte mein Haupt unter
seiner segnenden Hand. Die Last, die in jenem Augenblick von meiner Seele
fiel, war so groß, dass ich vermeinte zu fliegen.
»Jetzt aber«,
fuhr der Inquisitor fort, »wollen wir zum Juden gehen.« Die
alte Jagdlust leuchtete wieder in seinen Augen auf.
*
Eilig verließen wir das
Kloster. In den Straßen von Paris drängten sich Männer,
Weiber und Kinder sonder Zahl, Ritter und Mönche, Bauern, Handwerker,
Kaufleute, Mägde, Waschfrauen, Boten, dazu unzählige Flüchtlinge,
kenntlich an ihrer fremden Tracht, an ihren seltsamen Dialekten und
fremden Sprachen und am verwirrten Blick, mit dem sie jeden
Vorbeikommenden musterten. Alle schwitzten sie Furcht aus wie ein Fieber
und ich vermeinte, die Angst fast mit Händen greifen zu können.
Große, blau schimmernde Fliegen schwebten in dunklen Wolken über
den Köpfen der Menschen und quälten uns mit ihrem Gesumm. Lauter
noch als sonst waren die Leute, schneller erregt und im Zorn bereit, mit Fäusten
und Knüppeln wegen Nichtigkeiten aufeinander loszugehen.
Uns aber schützte noch
immer die Ordenstracht. Unbehelligt gelangten wir zur Seine und über
den Petit Pont auf die Insel Cite. Wir überquerten den Platz vor
Notre-Dame, wo viele Flüchtlinge, die in der Stadt kein anderes
Obdach gefunden hatten, unter Stoffbahnen ihr Lager aufgeschlagen hatten
und von den mildtätigen Gaben der Gläubigen lebten, welche die
Messen in der Kathedrale besuchten. Auch vor dem Hotel Dieu, dem größten
Hospiz von Paris, das neben dem Hause GOTTES aufragte, hatten sich viele
Gestalten eingefunden: Fremde, von der langen Flucht durch Frankreich
geschwächt und von Krankheiten gezeichnet; Angehörige, die ihre
Lieben im Hospiz besucht hatten — und zwei oder drei erbärmliche
Gestalten, die glaubten, die schreckliche Seuche, von der alle Welt erzählte,
bereits in sich zu tragen. Laut begehrten sie Einlass, doch da sie
offensichtlich am Leib, wiewohl
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