In Nomine Mortis
Anspannung.
»Vor einigen Wochen«,
fuhr Datini fort, »soll ein Dominikaner zum jüdischen
Geldwechsler Nechenja ben Isaak gegangen sein. Niemand von denen, mit
denen ich sprechen konnte, vermochte mir seinen Namen oder sein Aussehen
zu nennen. Doch er ist der einzige Mönch Eures Ordens, der in letzter
Zeit bei einem Pariser Geldwechsler vorstellig geworden ist.«
Ich vermochte meine Erregung
kaum hinter der Fassade frommen Gleichmuts zu verbergen. »Wisst Ihr,
Messer Datini, wann dieser Mönch zum Juden gegangen ist?«,
fragte ich und hörte selbst, wie meine Stimme vor Aufregung halb
erstickt klang. Der Florentiner lächelte dünn. »Einen Tag,
bevor Heinrich von Lübeck erstochen aufgefunden worden ist.«
Mir schwindelte. »Wie
viel Geld hat der Mönch bekommen?«, krächzte ich.
»Darf ich Euch ein Glas
Wasser anbieten, Bruder? Oder Wein?«, fragte Datini besorgt. Als ich
energisch den Kopf schüttelte, nickte er. Ein Hauch von Betrübnis
schien sich für einen Moment über seine ebenmäßigen Züge
zu legen, dann wirkte er wieder so gefasst wie zuvor. »Mehr kann ich
Euch leider nicht sagen, Bruder. Niemand hat davon gehört, dass
dieser Dominikaner eine größere Summe Geldes bekommen —
oder eingezahlt — hätte. Bewegt sich irgendwo ein Vermögen
von einer Hand in eine andere, dann spricht sich das unter uns
Geldwechslern herum. Wenn überhaupt, kann es sich nur um eine geringe
Summe gehandelt haben, welche jener Dominikaner beim Juden erhalten oder
eingezahlt hat. Vielleicht wollte er sich nur nach den Bedingungen einer
solchen Transaktion erkundigen und später wiederkommen - was ihm dann
der HERR verwehrte.« Wir schlugen beide das Kreuz.
»Sagt mir, Messer
Datini, was wisst Ihr über diesen Juden?«
»Nechenja ben Isaak?«,
Datini machte eine Geste, die ebenso weit ausholend wie vage war. »Er
ist schon lange in Paris, sechzehn Jahre bereits, glaube ich. Gleich mir
ist er nicht hier geboren. Manche sagen, dass er aus Deutschland stammt.
Andere behaupten, er komme aus Spanien. Aus dem maurischen Teil, nicht dem
katholischen. Seine Geschäfte sind jedenfalls solide, wenn auch nicht
spektakulär. Ich glaube, dass er wohlhabend ist, doch dass es wohl
drei Dutzend Geldwechsler in Paris gibt, die reicher sind als er.«
Datini ließ offen, ob
er sich selbst dazu rechnete, doch ich konnte es mir denken.
»Er ist ein Büchernarr,
sagt man, und sammelt alte Schriften. Aber das ist ja nichts Ungewöhnliches
für einen Juden.« Der Florentiner lächelte wieder dünn.
»Wenn überhaupt etwas ungewöhnlich ist an ihm, dann ist es
seine Tochter Lea. Eine junge Witwe. Nach dem Tod ihres Gatten ist sie zu
ihrem Vater zurückgekehrt. Offiziell hilft sie ihm in seiner
Wechselstube, denn seine beiden Söhne sind, so sagt man zumindest,
nach Deutschland gegangen, wo sie in großen Städten - in
welchen, das weiß ich nicht - als Rabbiner eingesetzt worden sind.
Die, mit denen ich geredet habe, behaupten, dass Nechenjas Tochter in
Wahrheit die wichtigen Geldgeschäfte regelt.« Datini erlaubte
sich ein kurzes Lachen. »Aber ist es nicht oft so, dass es die
Frauen sind, die im Namen der Männer das Geld durch unsere Welt
pumpen?«
Ich musste unwillkürlich
an Klara Helmstede denken und fragte mich, ob auch sie mehr mit Schiffen
und Waren zu tun hatte, als ich bislang glaubte. Zögernd nickte ich.
»Wo finde ich ihn, diesen Juden?«
»Nechenja ben Isaak
wohnt im Haus ›Zum bunten Ochsen‹ in der Rue de la Juiverie,
wie alle Juden. Im gleichen Haus hat er auch seine Wechselstube. Es steht
direkt neben der kleinen Kirche Saint-Denis-de-la-Chattre. Ihr könnt
es kaum verfehlen, Bruder. Saint-Denis-de-la-Chättre liegt auf der
Cite, am Nordufer der Insel. Nur wenige Schritte vom Grand Pont entfernt.«
»Und wenige Schritte
von Notre-Dame«, murmelte ich düster. Nachdem ich mich von
Messer Datini verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Rückweg
zum Kloster. Unterwegs hatte ich kaum Augen für die Stadt und
widerstand auch der Versuchung, vom Grand Pont direkt in die Rue de la
Juiverie zu gehen. Ich ahnte, dass die Verstrickungen, in die ich nun
hineingeraten war, zu groß waren für einen jungen Mönch
allein. Ich musste Meister Philippe meine Eigenmächtigkeit gestehen,
sein Verzeihen erflehen und mit ihm zum Juden gehen.
Nachdem ich mich zu diesem
Entschluss durchgerungen hatte, fiel
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