In Nomine Mortis
weiter als
eine Reihe von Zufällen.
Andererseits: Hatte Nechenja
ben Isaak möglicherweise etwas mit Richard Helmstede zu schaffen?
Hatte er ihm Geld geliehen — oder schuldete er es ihm? War Heinrich
von Lübeck, ein Vertrauter des Reeders, in diesem Fall vielleicht
kaum mehr gewesen als ein Vermittler oder Überbringer von Geld? Waren
die Münzen, die wir an seinem entweihten Leib gefunden hatten, dann
vielleicht gar nicht die Seinen, sondern die des Geldwechslers? Oder des
Reeders? Warum jedoch sollte mich Lea auf eine derartige Verbindung
hinweisen, die doch ihren Vater in höchste Gefahr bringen könnte?
In einer dieser Nächte, die ich schlaflos verbrachte, glaubte ich,
wieder Schritte und Stimmen zu hören. So viele Mitbrüder und
Kranke waren inzwischen in unserem Kloster, dass die Nächte längst
nicht mehr still waren: Husten und Murmeln hörte ich und des Öfteren
unruhige Schritte, denn die Flüchtlinge schienen mir immer in
Bewegung sein zu wollen. Kaum waren sie stark genug, dass sie sich wieder
von ihren Pritschen erheben konnten, so wanderten sie ziellos den
Kreuzgang entlang, selbst zur dunklen Stunde.
Diese eine Nacht jedoch war
es anders. Ich hörte Schritte, die verklangen. Dann kamen wieder
Schritte. Und wieder. Und wieder. Wie die Male zuvor war es so, als fände
irgendwo eine nächtliche Versammlung statt, als würden sich
Gestalten tief ins Innere unseres Klosters schleichen, um ein
geheimnisvolles Treffen abzuhalten. Also zwang ich meine bleierne Müdigkeit
nieder und glitt hinaus auf den Gang. Nichts. Hatten mich meine überreizten
Sinne getäuscht? Da erblickte ich den schwachen Schimmer eines
flackernden Lichts in der Bibliothek.
So eilte ich denn den Gang
hinunter und drängte mich im Schatten des Kreuzganges an die Wand.
Schritt für Schritt näherte ich mich dem hohen, schlichten Bau,
in dem sich Bibliothek und Skriptorium befanden.
Plötzlich war alle Müdigkeit
von mir gewichen. Hinter einem der Fenster der Bibliothek glomm, wiewohl
schwere Vorhänge vorgezogen waren, ein Talglicht. Ich glaubte, hinter
dem Glas Schatten zu sehen, Geistern ähnlicher als Menschen. Wie
viele es waren, das vermochte ich nicht zu sagen.
Langsam schlich ich mich näher
heran. Vielleicht, so hoffte ich, konnte ich an der Tür zur
Bibliothek lauschen und damit endlich herausfinden, wer die Nachtgestalten
waren und warum sie sich heimlich versammelten.
Doch ich hatte mich erst
wenige Schritte herangeschlichen, als die Tür der Bibliothek
aufsprang — und eine dunkle Figur hinaustrat. Wer immer es war, die
Gestalt kam direkt auf mich zu. Entsetzt floh ich. Ich wusste nicht, ob
mich der Unbekannte entdeckt hatte oder ob nur eine Laune seine Schritte
in meine Richtung lenkte. Doch musste er mich selbst dann, wenn ihn nur
der Zufall hinausgetrieben hatte, bald entdecken, wenn ich mich nicht
rasch versteckte. So eilte ich, ohne mich auch nur einmal umzublicken, mit
bloßen Füßen zurück zu meiner Zelle. Ich flehte den
HERRN an, mich vor der Entdeckung durch den Unbekannten zu bewahren - und
GOTT gewährte mir zumindest diese Gnade.
Ich schlüpfte in meine
Zelle, schweißgebadet, mit hämmerndem Herzen und schmerzender
Lunge - doch ohne dass mich die Nachtgestalt behelligt hätte. Ich
hatte noch genug Geistesgegenwart, meine Türe nicht zu schließen,
denn das Klicken des Schlosses hätte mich womöglich verraten. So
war sie nur angelehnt — und ich stand an der Mauer und lauschte.
Ich hörte keine Schritte
mehr.
Wie lange ich so wartete, weiß
ich nicht mehr. Irgendwann jedoch wagte ich es, die Tür Millimeter um
Millimeter aufzuziehen. Unendlich langsam öffnete sich ein Spalt. Ich
legte mich auf den Boden und schob meinen Kopf, die Wange am kalten
Steinboden, so weit hinaus, dass ich den Gang entlangblicken konnte. Da
stand der Unbekannte. Zu Tode erschrocken riss ich mein Haupt zurück
und flehte den HERRN an, dass er mich ein weiteres Mal vor der Entdeckung
bewahrte, auch wenn ich mein Schicksal erneut versucht hatte. Tatsächlich
hielt ER wieder SEINE schützende Hand über mich.
Die dunkle Gestalt, das
immerhin konnte ich mir nach meinem allzu hastigen Blick zusammenreimen,
war ein Wächter. Er stand im Schatten am Ende des Ganges, dort, wo
dieser in den Kreuzgang mündete. So würde er jeden sehen, der
aus einer Zelle, aus dem
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