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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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weiter als
     eine Reihe von Zufällen.
    Andererseits: Hatte Nechenja
     ben Isaak möglicherweise etwas mit Richard Helmstede zu schaffen?
     Hatte er ihm Geld geliehen — oder schuldete er es ihm? War Heinrich
     von Lübeck, ein Vertrauter des Reeders, in diesem Fall vielleicht
     kaum mehr gewesen als ein Vermittler oder Überbringer von Geld? Waren
     die Münzen, die wir an seinem entweihten Leib gefunden hatten, dann
     vielleicht gar nicht die Seinen, sondern die des Geldwechslers? Oder des
     Reeders? Warum jedoch sollte mich Lea auf eine derartige Verbindung
     hinweisen, die doch ihren Vater in höchste Gefahr bringen könnte?
     In einer dieser Nächte, die ich schlaflos verbrachte, glaubte ich,
     wieder Schritte und Stimmen zu hören. So viele Mitbrüder und
     Kranke waren inzwischen in unserem Kloster, dass die Nächte längst
     nicht mehr still waren: Husten und Murmeln hörte ich und des Öfteren
     unruhige Schritte, denn die Flüchtlinge schienen mir immer in
     Bewegung sein zu wollen. Kaum waren sie stark genug, dass sie sich wieder
     von ihren Pritschen erheben konnten, so wanderten sie ziellos den
     Kreuzgang entlang, selbst zur dunklen Stunde.
    Diese eine Nacht jedoch war
     es anders. Ich hörte Schritte, die verklangen. Dann kamen wieder
     Schritte. Und wieder. Und wieder. Wie die Male zuvor war es so, als fände
     irgendwo eine nächtliche Versammlung statt, als würden sich
     Gestalten tief ins Innere unseres Klosters schleichen, um ein
     geheimnisvolles Treffen abzuhalten. Also zwang ich meine bleierne Müdigkeit
     nieder und glitt hinaus auf den Gang. Nichts. Hatten mich meine überreizten
     Sinne getäuscht? Da erblickte ich den schwachen Schimmer eines
     flackernden Lichts in der Bibliothek.
    So eilte ich denn den Gang
     hinunter und drängte mich im Schatten des Kreuzganges an die Wand.
     Schritt für Schritt näherte ich mich dem hohen, schlichten Bau,
     in dem sich Bibliothek und Skriptorium befanden.
    Plötzlich war alle Müdigkeit
     von mir gewichen. Hinter einem der Fenster der Bibliothek glomm, wiewohl
     schwere Vorhänge vorgezogen waren, ein Talglicht. Ich glaubte, hinter
     dem Glas Schatten zu sehen, Geistern ähnlicher als Menschen. Wie
     viele es waren, das vermochte ich nicht zu sagen.
    Langsam schlich ich mich näher
     heran. Vielleicht, so hoffte ich, konnte ich an der Tür zur
     Bibliothek lauschen und damit endlich herausfinden, wer die Nachtgestalten
     waren und warum sie sich heimlich versammelten.
    Doch ich hatte mich erst
     wenige Schritte herangeschlichen, als die Tür der Bibliothek
     aufsprang — und eine dunkle Figur hinaustrat. Wer immer es war, die
     Gestalt kam direkt auf mich zu. Entsetzt floh ich. Ich wusste nicht, ob
     mich der Unbekannte entdeckt hatte oder ob nur eine Laune seine Schritte
     in meine Richtung lenkte. Doch musste er mich selbst dann, wenn ihn nur
     der Zufall hinausgetrieben hatte, bald entdecken, wenn ich mich nicht
     rasch versteckte. So eilte ich, ohne mich auch nur einmal umzublicken, mit
     bloßen Füßen zurück zu meiner Zelle. Ich flehte den
     HERRN an, mich vor der Entdeckung durch den Unbekannten zu bewahren - und
     GOTT gewährte mir zumindest diese Gnade.
    Ich schlüpfte in meine
     Zelle, schweißgebadet, mit hämmerndem Herzen und schmerzender
     Lunge - doch ohne dass mich die Nachtgestalt behelligt hätte. Ich
     hatte noch genug Geistesgegenwart, meine Türe nicht zu schließen,
     denn das Klicken des Schlosses hätte mich womöglich verraten. So
     war sie nur angelehnt — und ich stand an der Mauer und lauschte.
    Ich hörte keine Schritte
     mehr.
    Wie lange ich so wartete, weiß
     ich nicht mehr. Irgendwann jedoch wagte ich es, die Tür Millimeter um
     Millimeter aufzuziehen. Unendlich langsam öffnete sich ein Spalt. Ich
     legte mich auf den Boden und schob meinen Kopf, die Wange am kalten
     Steinboden, so weit hinaus, dass ich den Gang entlangblicken konnte. Da
     stand der Unbekannte. Zu Tode erschrocken riss ich mein Haupt zurück
     und flehte den HERRN an, dass er mich ein weiteres Mal vor der Entdeckung
     bewahrte, auch wenn ich mein Schicksal erneut versucht hatte. Tatsächlich
     hielt ER wieder SEINE schützende Hand über mich.                     
    Die dunkle Gestalt, das
     immerhin konnte ich mir nach meinem allzu hastigen Blick zusammenreimen,
     war ein Wächter. Er stand im Schatten am Ende des Ganges, dort, wo
     dieser in den Kreuzgang mündete. So würde er jeden sehen, der
     aus einer Zelle, aus dem

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