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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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dann wird er all die Taler und Münzen nie wiedersehen.«
    »Er verzichtet lieber
     auf sein Geld, als etwas zuzugeben, dass ihn in Verbindung mit einem
     ermordeten Mönch bringt«, vermutete der Prior. »Vielleicht
     kennt er einen Zusammenhang zwischen diesem Geld und der schrecklichen
     Untat. Vielleicht ist er gar selbst der Mann, der jenen tödlichen
     Stich führte. Wir sollten ihn verhaften lassen und verhören. Glühende
     Zangen und erzene Daumenschrauben haben schon bei vielen Sündern den
     Panzer der Verstocktheit um ihre Seelen überwunden.«
    Der Inquisitor schüttelte
     den Kopf. »Noch nicht, Ehrwürdiger Vater. Ich lasse nur
     jemanden auf die Streckbank legen, wenn ich weiß, dass er mir auf präzise
     Fragen auch ebensolche Antworten zu geben vermag. Unter der Folter gesteht
     früher oder später fast jedermann alle Sünden — doch
     was sind solche Geständnisse wert? Wenn ich nicht wenigstens eine
     ungefähre Vorstellung von dem habe, was wahr ist und was falsch, dann
     vermag ich auch nicht, die Gültigkeit einer Antwort richtig einzuschätzen.
     In diesem Fall habe ich so viele Fragen, deren Antworten ich nicht einmal
     ahne, dass mir die Folter wenig nützt. Was, beispielsweise, hat
     dieser Vagant mit allem zu schaffen? Gibt es eine Verbindung zwischen
     Pierre de Grande-Rue und Nechenja ben Isaak? Und von beiden zu Heinrich
     von Lübeck? Ich kann mir keine vorstellen.
    Lege ich den Geldwechsler
     jetzt auf die Streckbank, dann wird er mir, nenne ich den Namen des
     Vaganten, sicher vor Angst und Schmerz eine Geschichte vortragen. Doch
     welchen Wert hätte diese für uns? Vielleicht gibt es keine
     Verbindung zwischen Geldwechsler und Vaganten. Oder, noch schlimmer,
     vielleicht gibt es eine — doch die ist so verschlungen, dass
     Nechenja ben Isaak sie selbst nicht sieht. Lasse ich ihn jetzt foltern,
     dann könnte dies eine Verdunkelung seiner Seele oder gar seinen Tod
     zur Folge haben — und wir hätten keine Möglichkeit mehr,
     jene hypothetische Spur zwischen ihm und Pierre de Grande-Rue zu
     entdecken.   
    Rätselhaft ist auch, wie
     der Reeder aus Lübeck in unsere Geschichte passt. Soll ich den Juden
     nach Richard Helmstede fragen? Aber was eigentlich soll ich ihn fragen?
     Hat der sündige Domherr Nicolas d'Orgemont, den wahrscheinlich eine
     Schönfrau erstach, irgendetwas mit dem Mord an Heinrich von Lübeck
     zu tun? Soll ich auch dazu den Geldwechsler befragen?                  
    Nein«, Meister Philippe
     schüttelte den Kopf, »ich muss erst die Zahl der offenen Fragen
     verringern, bevor ich irgendeinen Verdächtigen der peinlichen
     Befragung unterziehen lasse. Sonst bekomme ich zwar ein Geständnis
     — aber nicht den Mörder!«
    *
    Ich litt derweil Qualen der
     Ungeduld - und ich musste weiterleiden. Denn als uns der Prior endlich
     entließ, da mussten wir uns eilen, um noch der Vesper beizuwohnen.
     Oh, wie lange schien mir der Lobpreis GOTTES zu dauern, wie zäh
     zerfloss die Zeit, wie getragen waren unsere Hymnen zu SEINEM Ruhm! Nie
     wohl hat es einen Mönch gegeben, der so ungeduldig auf dem harten
     Boden einer Kirche kniete wie ich.
    Dann, endlich, verklang der
     letzte Psalm. Die Glocke läutete. Gemessenen Schrittes schlichen wir
     in Zweierreihen aus dem Hause GOTTES. Im Kreuzgang verneigte ich mich vor
     Meister Philippe und bat ihn demütig, mich in meiner Zelle von den
     Strapazen des Tages ausruhen zu dürfen.
    Der Inquisitor segnete mich
     und empfahl mir, mich ein wenig auszustrecken. Dann wandte er sich um und
     eilte fort in Richtung Skriptorium.
    Ich zwang mich, meine
     Schritte zu mäßigen. Langsam ging ich zu meiner Zelle, öffnete
     die Tür, schlüpfte hinein und schloss die Tür wieder.
     Zitternd stand ich, ich weiß nicht, wie lange, in dem kargen Raum
     und atmete schwer.
    Dann öffnete ich das
     Pergament und las: »8,23+24«.
    Mehr nicht. Ich drehte und
     wendete den Fetzen, doch fand ich keine weitere Notiz darauf.
    Ich fühlte mich leer,
     getäuscht, ja verhöhnt. Das war alles? Drei Ziffern? Hatte sich
     Lea etwa einen albernen Scherz mit mir erlaubt? Wagte sie es tatsächlich,
     mich, einen Inquisitor — wenn auch den jüngsten und
     unerfahrensten Hund des HERRN - derart zum Narren zu halten?
    Dann jedoch sagte ich mir,
     dass Lea eine Vorsicht hatte walten lassen, an die ich nicht einmal
     gedacht hatte. Hätte sie ihre Nachricht in klarer Sprache
     niedergeschrieben, sie hätte bei ihr oder bei mir

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