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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Dormitorium oder aus der Krankenstube trat und
     sich dabei der Bibliothek näherte. Was würde der Unbekannte tun,
     sollte er jemanden erblickten? Einen Warnruf ausstoßen? Oder einen
     Dolch ziehen? Mir war jedenfalls klar, dass ich in meiner Zelle gefangen
     war. Erst als die Glocke zu den Laudes rief, trat ich hinaus - genau wie
     alle anderen Brüder.
    Da es Juni war und mithin die
     Sonne besonders früh aufging, lag selbst zum Zeitpunkt dieses Frühgebets
     schon ein grauer Schimmer Licht in der Luft. Ich sah deshalb sofort, dass
     der Unbekannte am Ende des Ganges verschwunden war. In der Bibliothek
     brannte kein Licht mehr. Und in der langen Reihe der Mönche, die
     durch den Kreuzgang der Kirche entgegenschritten, fehlte niemand.
    *
    Erst in der dritten Juniwoche
     durfte ich das Kloster wieder verlassen. Es war zu Sankt Achatius, da der
     Prior nach der Terz Meister Philippe und mich zu sich rufen ließ.
    Bruder Carbonnet war in den
     Wochen, da wir uns um all die Flüchtlinge sorgen mussten, alt
     geworden und abgemagert. Mehr noch als die Hilfsbedürftigen, derer
     wir uns annahmen, bedrückte ihn jedoch die Missachtung, die das Volk
     von Paris uns Dominikanern entgegenbrachte. Ganz zu schweigen selbstverständlich
     vom Tode Heinrichs von Lübeck, der noch immer ungesühnt war. Es
     gab inzwischen mehr als einen Bruder, der im Speisesaal, im Kreuzgang, ja
     selbst in der Kirche murmelte, dass allein der Fluch dieser Untat uns alle
     anderen Ungelegenheiten verursacht habe. Die Mönche hätten
     Meister Philippe und mir wohl auch manch bösen Blick zugeworfen, da
     wir den Sünder nicht fingen, doch die Angst vor dem älteren
     Inquisitor hielt sie davon ab.
    »Ambroise de Lore hat
     mir heute Morgen einen Besuch abgestattet«, eröffnete uns der
     Prior.
    »Der Prévôt
     royal?«, fragte Meister Philippe erstaunt und, wie ich seiner Stimme
     anhören konnte, mit aufkeimendem Zorn. »Warum habt ihr mir
     nichts davon gesagt, Ehrwürdiger Prior?« Bruder Carbonnet hob
     begütigend die Hände. »Ich wollte es tun, Meister
     Philippe, seid dessen versichert. Doch der Prévôt bat mich
     inständig darum, es nicht zu tun. Er war im ersten Morgenlicht hier.
     Denkt Euch: sogar ohne Diener oder Wachen! So heimlich ist er zu mir
     gekommen.«
    Der Prior bemühte sich
     nicht länger, ein Lächeln zu verbergen. »Er ist gekommen,
     wie es einem Sünder geziemt: zerknirscht und um Vergebung heischend.
     Vergebung, die ich ihm selbstverständlich erteilt habe«, setzte
     er rasch hinzu.
    »Das wird nicht der
     einzige Grund für Herrn de Lore gewesen sein, uns zu beehren, Ehrwürdiger
     Vater«, gab Meister Philippe zu bedenken, noch immer nicht ganz besänftigt.
    »Gewiss nicht. Der Prévôt
     ist nicht mehr Herr von Paris, das ist es. Er weiß nicht mehr, wohin
     mit den Flüchtlingen. Woher soll er Mehl und Brot nehmen für die
     Menschen? Wo sollen sie ihre müden Häupter betten? Wo kann er
     noch Kranke niederlegen lassen? Vor allem aber: Wie kann er die Gerüchte
     vom Schwarzen Tod und vom Fluch des HERRN eindämmen? Immer wirrer
     werden die Menschen, immer weniger respektieren sie GOTTES Ordnung in
     dieser Welt. Manche scheren sich gar nicht mehr um die Sakramente. Sie
     behaupten, dass ihnen Taufe und Ehe nichts mehr bedeuten, da doch morgen
     die Welt untergehe. Diese Narren! Gerade wenn dies stimmte, dann müssten
     sie sich doch nach den Sakramenten sehnen. Doch es gibt Sünder,
     welche die Kirche nicht mehr achten und die Männer des Königs
     erst recht nicht.«
    Der Prior machte eine
     bedeutungsschwere Pause. »Heute sind dies noch Worte, doch werden
     ihnen morgen Taten folgen? Was ist, wenn morgen jemand die Hand zur Faust
     ballt? Was ist, wenn morgen jemand das Schwert zieht? Wie wird es dann in
     Paris aussehen, mit all diesen Menschen in seinen Mauern?
    Es wird ein Gemetzel geben,
     ein Strafgericht, wie es die Menschen seit Sodom und Gomorrha nicht mehr
     erdulden mussten. Das ist es, was den Prévôt umtreibt.«
    Meister Philippe nickte. Sein
     Zorn war verraucht. »Ambroise de Lore will, dass wir hinausgehen und
     predigen wie nie zuvor«, murmelte er. Bruder Carbonnet segnete den
     Inquisitor. »Ihr seht in meine Seele, Meister Philippe. Ja, genau
     dies hat er sich von mir erbeten. Wir sollen hinausgehen und das Wort des
     HERRN verkünden. Wir sollen predigen, auf dass die Menschen ihre
     Hoffnung wiedererlangen - und gehorsam bleiben.«
    »Das ist eine ernste
     Sache«,

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