In Santiago sehen wir uns wieder
in diese Fülle und nehme den goldenen Becher an mich. Glückseligkeit durchströmt mich.
Während ich noch immer auf dem Boden lag, erzählte mir der Becher das Märchen von einer Prinzessin, die sich auf den Weg macht. Ich war ganz aufgeregt, denn ich wusste, dass diese Geschichte etwas mit dem Jakobsweg zu tun hat. Was, weiß ich noch nicht. Vielleicht hilft sie mir, sein Geheimnis zu verstehen.«
- »Lass sie mich ein anderes Mal hören, Bella, ich bin müde.« - »Schlaf gut, Süße.«
Der Schlüssel
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Eine Tür geht auf, du gehst hindurch.
Drei Tore stehen vor dir - verschlossen.
Ein Tor geht auf, du gehst hinein.
Drei Pforten stehen vor dir - verschlossen.
Du gehst und gehst -
und plötzlich bist du in der Goldenen Stadt.
Ultreia
Peñalba de Santiago – Cacabelos
Mittwoch, 23. Juli
In großer Herzlichkeit verabschieden wir uns voneinander, die Heilerinnen und ich. Ich stehe an der Bushaltestelle, aber der verheißene Bus nach Ponferrada kommt nicht. Alles hat einen Sinn, würde meine Schwester sagen, also mache ich mich zu Fuß auf den Weg durch das Tal der Stille. Tiefer und tiefer geht es, zwischen hoch ragenden Felsen hindurch, an riesigen Kastanienbäumen vorbei. Uralt müssen sie sein - in einer Zeit gepflanzt, als Bäume noch heilig waren. Amanda: »Bella, ich habe gedacht...« - »Na, Amanda?« - »Was ist bedingungslose Liebe?« - »Hm, wenn man das erklären könnte. Warum fragst du?« - »Erklär erst, was es ist.« - »Soweit ich von ihr weiß, ist es die große, unteilbare allumfassende Kraft, die den Kosmos zusammenhält, von den Sternen der Milchstraße bis hinein in das kleinste Teilchen eines Atoms. Der universelle Kitt, der die Wunden und Spaltungen der Welt heilt.« - »Hast du sie?« - »Du kannst sie nicht haben. Haben heißt die Welt spalten. Ich, das Subjekt, habe ein Ding, das Objekt. Wenn du dein Herz öffnest, hast du an ihr teil. Du verströmst sie an jeden und alles, ohne zu fragen, warum und weshalb. Wenn Menschen in der allumfassenden Liebe stehen, spürst du es. Sie reden nicht davon. Aber warum fragst du?« - »Ich habe eine der Frauen da oben sagen hören: >Ich brauche den Jakobsweg nicht zu machen. Ich habe die bedingungslose Liebe.<« - »Wenn sie mir ein Stück davon abgeben könnte!« - »Hihi! Du bist in die Falle geraten! Haben heißt die Welt spalten. Hast du gerade gesagt.« - »Ach Amanda. Ich sehne mich so sehr danach, mein Herz öffnen und lieben zu können.« - »Sei nicht traurig, du bist auf dem Weg, auf dem Weg in die Goldene Stadt.«
Ein Taxi fährt den Berg hinauf. Es wird auch wieder herunterkommen. Vielleicht nimmt es uns als Leergut mit. Amanda: »Ist es anstrengend, bedingungslos zu lieben? Ich meine, Jesus zum Beispiel, war Jesus gestresst, gereizt oder nervös?« Bella: »Jesus war manchmal müde, das ist überliefert. Er konnte auch ärgerlich sein über den Unverstand und die Trägheit der Menschen. Aber dass er gesagt hätte, ich brauche Urlaub, weil ich zu viel geliebt oder geheilt habe - Amanda!«
Das Taxi ist da, wir verhandeln einen Preis, kurze Zeit später stehe ich in Ponferrada vor der Reinigung und nehme meine Sonntagshose in Empfang. Ich sitze in der Kirche und versuche, Ruhe zu finden und mich wieder neu für die Gegenwart zu öffnen. Da ist es mir, als regnete aus den Gewölben eine lichte Leichtigkeit auf mich herab, als wüchsen mir zwischen den Schulterblättern Flügel. Luft, denke ich.
❖
Cacabelos. Wir bewohnen eines der kleinen Häuschen in der Pilgerherberge. Die Störche auf dem Glockenturm über uns machen einen unglaublichen Krach. Klapperstorch - ich verstehe. Amanda kann nicht ein- schlafen und bittet mich, ihr die Geschichte vom goldenen Becher zu erzählen:
Es waren einmal ein König und eine Königin. Die hatten sich sehr lieb. Ein Jahr nach der Hochzeit gebar die Königin ein Kind. Es war ein kleines, zierliches Mädchen mit schwarzen Haaren, einem Stupsnäschen und feinen weißen Händen. Die Eltern waren sehr glücklich. Als das Mädchen auf den Namen Leni getauft werden sollte -
Amanda, dem Einschlafen nah, fährt hoch: »Ach, Bella, das ist doch der Name deiner Enkelin!« - »Ja, Amanda, warum soll ich meine Märchenprinzessin nicht nach meiner Enkelin benennen. Als sie auf die Welt kam, war sie winzig klein, hatte schwarze Haare, ein Stupsnäschen und feine weiße Hände.« - »Stimmt, und als du auf die Reise gingst, bekamen ihre blauen Augen einen
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