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In Santiago sehen wir uns wieder

In Santiago sehen wir uns wieder

Titel: In Santiago sehen wir uns wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Uhde-Stahl
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und weiter. Ein steiniger Hohlweg führt höher und höher, dann ist es geschafft, ich komme in La Faba an. In der Herberge rezitiere ich die ersten Strophen der Schiller’schen Bürgschaft - ich bin willkommen, als Schwäbin und kostenlos.
    Dirk, der Astrologe aus Dänemark, sitzt lachend vor der Tür, als er mich kommen sieht. In Cacabelos hatten wir keine Zeit, uns kennen zu lernen, aber jetzt! Der Camino aus der Sicht der Planeten und Konstellationen: Medium Coeli - Mars, Merkur, Neptun. Wir reden und reden, und irgendwie, ich weiß nicht wie und warum, er spricht ein Thema an, das in den Untergründen meiner Seele schwelt. Frauen mit einem Doppelnamen. Leiche im Gepäck. Eine Wunde bricht auf, als ich in die Bar gehe, um Wein zu kaufen.
    Unendliche Traurigkeit überschwemmt mich. Auch der Kaffee tröstet nicht, ich setze die Sonnenbrille auf, obwohl es draußen düster ist. Frische Höhenluft atmen, am Lorbeerbusch zupfen und den Duft riechen. Ein alter Mann geht an mir vorbei, eine Sichel und eine Plastikschüssel in den Händen, einen Holzrechen über der Schulter. Seine Jacke, diese Blautöne! Der Ort hier scheint aus der Zeit herausgefallen zu sein. Nichts hilft. Der Punkt der Punkte. Mistcamino - was sollen das Suchen, die Heiligkeit, das Getue, wenn diese Wunde... »Ist denn gegen diese Trauer kein Kraut gewachsen, Bella?« fragt Amanda zart. »Doch. Das Gehen, Malen, Schreiben, Tanzen, das Zusammensein mit lieben Menschen, die Kleinen, das Lichthaus in Beaulieu. Das Argumentieren im Hirn, dass ich es ja so gewollt habe und nun akzeptieren müsse, das hilft nicht. Nun bin ich sechs Wochen unterwegs, da kommt so einer aus Dänemark an und ich... Mist.«
    Er steht an der Mauer und sieht mir entgegen, reden muss ich mit ihm, wenigstens diesen Mut aufbringen. »Ja«, sagt er und nimmt mich in den Arm, »das heißt doch nur, dass du über die Liebe etwas lernen möchtest. Meinst du, dass die vielen Männer und Frauen, die als Paare zusammen sind, einander lieben, wirklich lieben? Pluto, Venus, Saturn... « Ach, er sagt so viel und so viel Kluges zu diesem Thema, dass ich nichts mehr verstehe. Wir sitzen auf einer Bank am
    Straßenrand, Löcher in der Wolkendecke, es riecht nach Holzfeuer, Wärme und Kuhstall. Bunte Blumen um uns herum, Bohnen an langen Stangen, Salat, Fülle... »Du bist noch nicht in Santiago angekommen. Also!«
    »Amanda«, sage ich vor dem Einschlafen. »Wie hältst du es mit den Männern, du hast doch auch ein Herz?« - »Ach weißt du, ich vereinige in mir Weibliches und Männliches. Mal fühle ich mich als Frau, mal als Mann, und manchmal feiere ich Hochzeit mit mir.« »Bella«, fragt Amanda am nächsten Morgen, »willst du mir nicht sagen, was du geträumt hast?« - »Nein, Amanda, auch ich habe meine kleinen Geheimnisse.« Mir träumte:
    »Nimm den Deckel von deinem Gesicht und schau in die Abendsonne!« An der Reling stand ein junger Mann, den Hut in der Hand. »Wohin, schöne Frau?«, sagte er. »Nach Hause, schnell, auf dem Herd kocht Marmelade«, antwortete ich. »Marmelade, Marmelade, Sirup, Honig, Lirumlarum einerlei«, sagte der Mann und pfiff durch die Zähne. »Ich bin der Regenmacher, weißt du das? Wer mich bei untergehender Sonne trifft, hat Glück in seinem Leben.« - »Glück?« sagte ich. »Wie sieht dein Glück aus?« - »Regentropfen, wo Halme trocken stehen. Samen sprießen, Blüten wachsen. Sterne fallen vom Himmel, wenn deine Hände offen sind.« Er nahm mich um meine Taille, drehte mich im Kreis und tanzte mit mir lachend zur Stadt hinaus und zum Fluss hinab. Ein Boot ankerte am Ufer. Wir stiegen ein, er stieß ab, mit dem Strom glitten wir der sinkenden Sonne nach. Sterne wanderten über uns auf milchiger Straße, die Zeit versank mit dem heutigen Tag. Goldene Wellen trieben zum Strand.
     

La Faba – Triacastela
    Samstag, 26. Juli
     
    Auf dem Pass in O Cebreiro. Hinter mir eine weite Sicht in die Berge und Hügel, die mich an die schottischen Highlands erinnern, vor mir die Provinz Galicien, in deren Westen Santiago wartet. Und meine Füße. Es ist windig und kalt. Die Kirche hält mich nicht, trotz gregorianischer Gesänge aus dem Lautsprecher. Stimmung will nicht aufkommen, alles ist mir zu touristisch. So halte ich mich nur kurz in einer Bar auf, bevor ich weiterwandere. Nach der nächsten Passhöhe geht es abwärts, immer abwärts, zwischen gewaltigen Steinmauern hindurch, an senkrecht aufgestellten Steinplatten entlang. Kleine Dörfer mit grauen

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