In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
sagte: »Sehen Sie die Frau da ganz vorne?«
»Die, die ihren Slip auf die Bühne geworfen hat?«
Sie nickte. »Das ist Norms - äh, Ten-A-Flys - Frau. Sie haben drei Kinder. Außerdem müssen sie ihr Haus verkaufen und bei ihren Eltern einziehen. Aber sie unterstützt ihn, wo sie nur kann.«
»Nett«, sagte Wendy, aber als sie noch einmal hinguckte, kam ihr der Jubel doch etwas zu krampfhaft vor, es sah eher nach einer typischen Überkompensation aus als nach echter Begeisterung.
»Was wollen Sie hier?«, fragte Sherry Turnball.
»Ich versuche, die Wahrheit über Dan Mercer herauszubekommen.«
»Ist es dafür nicht ein bisschen spät?«
»Wahrscheinlich schon. Aber Phil hat heute etwas Eigenartiges zu mir gesagt. Er sagte, er wüsste, wie es ist, wenn man zu Unrecht beschuldigt wird.«
Sherry Turnball spielte mit ihrem Drink.
»Sherry?«
Sie hob den Blick und sah Wendy in die Augen. »Ich will nicht, dass er noch mehr durchmachen muss.«
»Ich will ihm nicht schaden.«
»Phil wacht jeden Morgen um sechs auf. Er steht auf und
zieht sich Anzug und Krawatte an. Als ob er zur Arbeit ginge. Dann kauft er sich sämtliche Lokalzeitungen und fährt runter zum Suburban Diner an der Route 17. Er bestellt sich einen Kaffee und sieht die Stellenanzeigen durch. Jeden Morgen. Ganz alleine. In Anzug und Krawatte. Tag für Tag.«
Wieder ging Wendy das Bild ihres Vaters durch den Kopf, der am Küchentisch saß und Bewerbungen in Umschläge steckte.
»Ich versuche, ihm zu helfen, das geht schon«, sagte Sherry. »Aber wenn ich vorschlage, dass wir in ein kleineres Haus umziehen, sieht Phil das als persönliches Versagen. Männer, was?«
»Was ist mit ihm passiert, Sherry?«
»Phil hat seinen Job geliebt. Er war Finanzberater. Ein Vermögensmanager. Heutzutage sind das negativ besetzte Begriffe. Aber Phil hat immer gesagt: ›Die Menschen vertrauen mir ihre Lebensersparnisse an.‹ Überlegen Sie mal. Er war für das Geld der Menschen zuständig. Sie haben die Früchte ihrer Arbeit, die Ausbildung ihrer Kinder und ihre Rente in seine Hände gelegt. Er sagte immer: ›Stell dir vor, was für eine Verantwortung ich trage - und was für eine Ehre das ist.‹ Bei ihm drehte sich fast alles um Vertrauen. Um Ehrlichkeit und Ehre.«
Sie schwieg. Wendy wartete. Als Sherry nicht weitersprach, sagte Wendy: »Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt.«
»Ich werde wieder arbeiten gehen. Phil will das nicht, aber ich werde es trotzdem tun.«
»Sherry, hören Sie mir zu. Ich weiß von dem Unterschlagungs-Vorwurf.«
Sie erstarrte, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. »Woher?«
»Das spielt keine Rolle. Hat Phil das gemeint, als er zu mir sagte, er sei zu Unrecht beschuldigt worden?«
»Das Ganze ist vollkommen frei erfundener Unsinn. Ein
Vorwand, um einen ihrer bestbezahlten Mitarbeiter loszuwerden. Wenn er schuldig war, wieso wurde dann nie Anzeige erstattet?«
»Ich würde gern mit Phil darüber sprechen.«
»Warum?«
Wendy öffnete den Mund, stockte und schloss ihn wieder.
Sherry sagte: »Das hat doch nichts mit Dan zu tun.«
»Vielleicht doch.«
»Inwiefern?«
Gute Frage.
»Können Sie ihn für mich darauf ansprechen?«, fragte Wendy.
»Und was soll ich ihm sagen?«
»Dass ich ihm helfen will.«
Aber dann fiel Wendy etwas auf - etwas, das nicht nur Jenna, sondern auch Phil und Sherry gesagt hatten. Etwas, das sich auf die Vergangenheit bezog. Auf Princeton. Und auf Farley. Sie musste nach Hause, sich an den Computer setzen und der Sache nachgehen. »Reden Sie mit ihm, okay?«
Ten-A-Fly fing den nächsten Song an, eine Ode an eine MILF namens Charisma, und plagiierte sich gewissermaßen selbst mit dem Witz, dass er zwar kein Charisma in sich hätte, aber gern in Charisma wäre. Wendy machte sich auf den Weg zu Pops.
»Komm mit«, sagte sie.
Pops deutete auf die beschwipste Frau mit dem verführerischen Lächeln und dem tiefen Ausschnitt. »Sie arbeitet hier.«
»Lass dir ihre Telefonnummer geben, und sag ihr, sie kann später für dich die Möpse schwingen. Wir müssen los.«
FÜNFZEHN
D ie erste Aufgabe von Ermittler Frank Tremont und Sheriff Mickey Walker bestand darin, eine Verbindung zwischen dem Kinderschänder Dan Mercer und der vermissten Haley McWaid zu entdecken.
Auf Haleys Handy hatten sie bisher keine weiteren Hinweise gefunden - keine neuen SMS, E-Mails oder Anrufe. Jetzt hatte sich Tom Stanton, ein junger Cop vom Sussex County Police Department, der sich mit Technik auskannte,
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