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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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erwarte, dass du in einem anständigen Kleid erscheinst«, hatte sie gesagt und unmissverständlich die schwarzen Augen funkeln lassen.
    Dann ist das Teil eben doch noch einmal für etwas gut, dachte Hadice, während sie grimmig in den geschmeidigen Stoff schlüpfte.
    Noch vom Taxi aus rief sie bei Theo an.
    Zum Glück meldete er sich sofort.
    »Hör mal«, sagte sie, ohne sich groß mit Erklärungen aufzuhalten. »Ich muss wissen, wie viel Zeit man nach einer Tollwutinfektion hat, um sich noch immunisieren zu lassen.«
    Theo, der gerade die Rechnungen für die letzten Bestattungen schrieb, war mit einem Mal hellwach.
    »Das kommt drauf an.«
    »Geht’s ein bisschen genauer?«
    »Es kommt drauf an, wie viele Viren in den Blutkreislauf geraten und wie nah die Eintrittspforte am zentralen Nervensystem ist.«
    »Du meinst die Bisswunde.«
    »Genau. Es kann Wochen dauern, bis sich die ersten Symptome zeigen.«
    »Und wenn man in den Hals gebissen wird?«
    Er schwieg. »Ich würde sagen, höchstens zwei, drei Tage.«
    Hadice stieß einen leisen Pfiff aus. Achtundvierzig Stunden, dachte sie. Und wer weiß, wie viele davon schon verstrichen waren. »Holy Shit.«
    »Du glaubst, wir haben noch ein Opfer«, hörte sie Theo sagen.
    »Nathalie ist weg. Ihr Vater hat sie heute früh als vermisst gemeldet.«
    Sie musste es Heiner Grasmann hoch anrechnen, dass er bei ihrem Anblick keinerlei Regung zeigte. Sie humpelte zum Stuhl vor seinem Schreibtisch und lehnte die Krücken sorgsam an beide Armlehnen, bevor sie sich niederließ. Die schwarze Seide knisterte verführerisch.
    »Was anderes hat nicht über den Fuß gepasst«, erklärte sie mürrisch.
    Ihr Chef gestattete sich ein Lächeln. »Steht dir gut.«
    Sie zupfte unbehaglich an ihrem Dekolleté. »Der Fall Stüven.«
    »Ich hab mir schon fast gedacht, dass du deshalb hier aufschlägst.« Grasmann war einer der Leiter von Teams, die in Hamburg für Tötungsdelikte zuständig waren. Er war ein großer Mann mit leicht zerzaustem, schon etwas angegrautem Haar. Wie immer trug er Jeans und Hemd. Auf seinen Wangen spross ein Dreitagebart.
    »Ich muss da einfach mitarbeiten«, drängte sie.
    Grasmann zog eine Augenbraue hoch. »Kommt nicht in die Tüte. Du bist krankgeschrieben.«
    »Aber ich kenne die Stüven persönlich.«
    »Tatsache?«
    Hadice nickte.
    »Du weißt schon, dass dich das eher für den Job disqualifiziert?«
    Hadice winkte ab. »So gut nun auch wieder nicht. Wir sind vor einer Ewigkeit gemeinsam zur Schule gegangen. Aber ich bin sicher, ich weiß, worum es hier wirklich geht.«
    Grasmann verkniff sich ein Lächeln. Er mochte seine stürmische neue Kommissarin, schätzte ihre Energie und die Leidenschaft, mit der sie sich hinter die Fälle klemmte.
    »Na, dann erzähl mal.«
    »Vielleicht sollten wir die anderen dazuholen.«
    Fünf Minuten später legte sie los. Es war gar nicht so einfach, die irrwitzige Geschichte einigermaßen plausibel darzustellen.
    »Okay«, sagte Grasmann schließlich. »Das klingt gelinde gesagt abenteuerlich.«
    »Aber …«
    Grasmann hob eine Hand. »Aber das bedeutet nicht, dass ich das für ausgeschlossen halte, Hadice.« Er knipste nachdenklich auf seinem Kugelschreiber herum.
    »Du und Henry, ihr geht dieser Spur nach. Aber sobald es auch nur ansatzweise brenzlig riecht, hältst du dich raus, Öztürk. Ich meine das ernst.« Er sah sie streng an.
    Hadice wusste, dass ihr Einsatz eigentlich gegen die Vorschriften war. Wer nicht hundertprozentig auf dem Posten war, durfte höchstens Bürojobs übernehmen. Zu seinem eigenen Schutz und dem der Kollegen.
    »Na schön.« Grasmann hoffte, dass er die Entscheidung nicht bereuen müsste. Aber er war sicher, dass Hadice den Fall entscheidend weiterbringen würde. Er warf ihr noch einen strengen Blick zu. »Der Rest des Teams macht weiter wie bisher«, entschied er. »Videoanalyse, Zeugenbefragung, der ganze Zinnober.«
    »Und?«, fragte Henry bedächtig. »Womit sollen wir loslegen?« Hendrik Sibelius war ein erfahrener Ermittler mit sehr viel mehr Dienstjahren auf dem Buckel, als Hadice sie vorweisen konnte. Seine Körperfülle hatte schon manchen Gegner getäuscht. Wenn es darauf ankam, schlug er blitzschnell zu. Hadice hielt inzwischen große Stücke auf ihn.
    »Ich würde mit den ersten Opfern anfangen. Vielleicht hat doch irgendjemand etwas mitbekommen. Irgendwie muss der Täter sich ja an sie rangemacht haben.«
    »Auf nach Wilhelmsburg«, sagte Henry.
    Sabine Klasen öffnete ihnen die Tür.

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