Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
Vom Netzwerk:
ihr Handy hervor. »Ich lasse sie zur Fahndung ausschreiben.«
    Ihr war entgangen, dass auch Theos Gesicht am Rande der Mindmap auftauchte.

KAPITEL 24
    »Theo«, sagte Sylvia und lächelte unergründlich. Ihre Hornbrille hatte sie trotz des bedeckten Himmels gegen eine Sonnenbrille ausgetauscht. Wie sie dort so im Wind stand, in ihrem Trenchcoat und mit den wehenden Haaren, sah sie zu seiner Überraschung aus wie eine geheimnisvolle Femme fatale aus einem Film noir. Verwundert bemerkte Theo, dass sie Lippenstift aufgelegt hatte. Das bisschen Farbe reichte aus, um sie verwandelt erscheinen zu lassen.
    »Weißt du noch?«, sagte sie und nickte zum Dach hinauf, das Jonas als Absprungrampe aus dem Leben hatte dienen sollen. Theo schluckte. »Sicher.« Er löste seinen Blick von der Stelle, auf der vor zwanzig Jahren sein Klassenkamerad aufgeschlagen war. »Was treibt dich her?«
    Sie lächelte nur.
    »Wie wär’s mit Vergangenheitsbewältigung?«, schlug Theo vor.
    »Vielleicht eher so etwas wie rückwirkende Vergangenheitskorrektur.« Sie schob die Brille ins Haar und sah ihm in die Augen. Zum ersten Mal bemerkte er, dass sie besonders hellblau waren. »Wie meinst du das?«
    »Hast du Lust auf einen Kaffee?«
    Verwirrt bemerkte er, dass er sie ausgesprochen attraktiv fand. Nicht zu fassen. Die unscheinbare Sylvia Kuhn. »Aber gern«, hörte er sich sagen. Immerhin war das eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihr etwas auf den Zahn zu fühlen, redete er sich ein und wusste doch, dass das maximal die halbe Wahrheit war.
    Sie schob die Sonnenbrille zurück auf ihre Nase. »Ausgezeichnet.«
    Hanna hatte den Nachmittag am Computer verbracht. Der neue Artikel zum Thema »Impfen oder nicht« war ihr nicht so leichtgefallen. Der Gedanke an die verschleppte Senatorin, die vermutlich mit jeder Stunde, die verstrich, dem Tod näher kam, hatte es ihr schwer gemacht, sich zu konzentrieren.
    Sie hängte den Artikel an die Mail und schickte ihn in die Redaktion der »Welt«, wo er in der nächsten Ausgabe erscheinen sollte. Dann erhob sie sich und trat auf den Balkon. Sie zündete sich eine Zigarette an und warf einen Blick auf die Armbanduhr. Schon halb sechs! In zwei Stunden war sie mit Theo im StrandPauli verabredet, einer alternativschicken Beachbar direkt am Hafen.
    Im Haus gegenüber wurde ein Fenster geöffnet. Die alte Frau Hansen winkte ihr freundlich zu. Hanna bewunderte die alte Dame um ihren Lebensmut. Obwohl sie vor Schmerzen nur noch mühsam laufen konnte, bewältigte sie mindestens einmal am Tag die drei Stockwerke, »um unter Menschen zu kommen«, wie sie sagte. Dann humpelte sie in die Bäckerei nebenan, verzehrte ein Gebäckteilchen und trank eine Tasse Milchkaffee, auch wenn der seit Jahren Latte macchiato hieß.
    Hanna winkte zurück. Sie beschloss, der Nachbarin spätestens am Montag einen Besuch abzustatten und ihr ihre Hilfe bei Einkäufen anzubieten. Unten auf der Straße fuhr ein alter Citroën vorbei, der sie an Theo erinnerte. Theo. Noch immer war sie sich ihrer Sache mit ihm nicht sicher. Nachdenklich drückte sie die Zigarette in dem bunten Tonaschenbecher aus, den sie aus einem Portugalurlaub mitgebracht hatte, und ging zurück in die Wohnung.
    Sie merkte, dass sie ihm noch immer nicht vorbehaltlos vertraute. Dieses Zaudern war ihr im Grunde fremd. Früher hatte sie sich immer von null auf hundert bis über beide Ohren verliebt und sich ohne Netz und doppelten Boden in eine Beziehung gestürzt. Aber das war natürlich vor ihrer gescheiterten Ehe gewesen. Die Trennung von ihrem Mann war ein langer und schmerzlicher Prozess gewesen. Sie hatte es einfach nicht wahrhaben wollen, dass vom Flächenbrand der großen Liebe nach fünf Jahren nur noch ein Häufchen Asche übrig geblieben war. Sie ging hinein und schloss die Balkontür hinter sich.
    Während sie das kühle Duschwasser über ihren Körper fließen ließ, hing sie weiter ihren Gedanken nach. Sie glaubte eigentlich nicht, dass die Enttäuschung sie zu einem misstrauischen Menschen gemacht hatte. Nie hatte sie daran gezweifelt, sich eines Tages wieder verlieben zu können – und genau so war es jetzt ja auch gekommen. Nur dass sie sich nicht, wie sonst immer, fallen ließ. Warum nur?
    Theo ließ eigentlich keinen Zweifel daran, dass er ernsthaft interessiert war. Sie trocknete sich ab, schlüpfte in Slip und BH, wählte eine teure Bodylotion und cremte sich gründlich ein. Verdammt, der Kerl sah einfach zu gut aus! Sie registrierte die Blicke der

Weitere Kostenlose Bücher