In sündiger Silvesternacht
warten musste? Nur die Gegenwart zählte. Wenn der fünfzehnte Januar kam, konnte er auch aus dem Dienst ausscheiden, statt sich für weitere fünf Jahre zu verpflichten. Spielte es wirklich eine Rolle, dass er nicht genau wusste, was er als nächstes tun wollte?
Sein älterer Bruder besaß eine Sicherheitsfirma in Manhattan und hatte ihm schon einmal eine Stelle angeboten. Aber im vergangenen Jahr hatte Jase einen neuen Partner gefunden, und erst vor Kurzem hatte er geheiratet. Egal, mir fällt schon etwas ein, dachte D. C. Das war doch immer so. Er lächelte. Wenn er etwas liebte, dann waren es Überraschungen. War es nicht genau die Vorhersehbarkeit seiner täglichen Routine in Fort McNair, die ihn wahnsinnig machte?
Nun, da er eine Entscheidung getroffen hatte, fühlte er sich ein wenig erleichtert.
Endlich.
Seine Mutter und seine Schwester fuhren wieder an ihm vorbei, und diesmal winkte er ihnen zu. Heute war sein freier Tag, und er hatte die beiden in die National Mall eingeladen, um ins Museum zu gehen und anschließend im Skulpturengarten Eis zu laufen. Mit dem Besuch in der National Gallery hatte er seine Mutter in die Stadt gelockt. Seit Nancy Campbell vor zwanzig Jahren zur alleinerziehenden Mutter geworden war, hatte sie sich nämlich nie viel Zeit für sich selbst gegönnt.
Als sie beiläufig erwähnt hatte, dass sie gern die Ausstellung mit dem Rubinov Diamanten besuchen wollte, hatte D. C. deshalb kurzentschlossen diesen Tag geplant. Wenn man der Presse glaubte, besaß der Rubinov den Ruf eines Liebesstifters, der Paare zusammenbrachte, die mit ihm in Kontakt kamen. Aber der Stein war mindestens ebenso berühmt dafür, dass er in unregelmäßigen Abständen für lange Zeit verschwand. Wenn er dann irgendwann wieder aufgetaucht war, war es bisher niemals möglich gewesen, eine Verbindung zwischen seinem alten und seinem neuen Besitzer herzustellen.
Man musste allerdings nicht über viel kriminalistischen Spürsinn verfügen, um zu erraten, dass dabei wohl häufig Betrug im Spiel war. D. C. vermutete, dass der Diamant einfach mehrfach in irgendeiner privaten Sammlung verschwunden war. Wie groß die Versuchung für private Sammler in solchen Fällen sein konnte, hatte er bei einem Kunstdiebstahl im Irak gelernt. In diese Sache waren einige hochrangige Militäroffiziere verwickelt gewesen. Eine wirklich schmutzige Angelegenheit.
Wer wusste, wie lange sich der Rubinov schon im Besitz seines derzeitigen Eigentümers, Gregory Shalnokov, befand? Der zurückgezogen lebende Milliardär hatte zugegeben, den Diamanten schon seit zehn Jahren zu besitzen. Aber wie er ihn erworben hatte, blieb ein Geheimnis. Herkunftsnachweise konnte man schließlich fälschen.
Trotzdem fand D. C., er schulde Shalnokov einen Gefallen, als er an den entrückten Gesichtsausdruck seiner Mutter und seiner Schwester dachte, während sie den Edelstein betrachtet hatten. D. C. schüttelte den Kopf. Frauen und Diamanten, das war schon ein Kapitel für sich.
Was ihn anging, so war das blaue Juwel lediglich ein schöner Stein, auch wenn man diesem außergewöhnliche Kräfte nachsagte. Er persönlich war viel mehr von den Sicherheitsvorkehrungen im Ausstellungsraum und an der Glasvitrine fasziniert gewesen als von dem Diamanten selbst. Nachdem er ein bisschen nachgebohrt und seinen Ausweis gezeigt hatte, hatte ihm einer der Sicherheitsleute, ein Mann namens Bobby, erzählt, dass das Schloss des Schaukastens sprachaktiviert war. Nur Shalnokov selbst konnte es öffnen.
Interessant.
Über die Jahre hinweg hatte der legendäre Diamant genauso viele Diebe wie Liebende angezogen. Während D. C.s weibliche Familienmitglieder den Diamanten mit vielen Ahs und Ohs bedachten, hatte er darüber nachgedacht, wie gut ein Dieb sein musste, um das Juwel zu stehlen. Die Tatsache, dass seine Gedanken sich auf solche Abwege begaben, war wohl der traurige Beweis dafür, wie sehr er sich langweilte.
Dann hatte er aufgesehen und dieser geheimnisvollen Frau in die Augen geblickt. Für einige Sekunden war die übrige Welt völlig ausgeblendet gewesen, und er hatte nur noch die schöne Fremde wahrgenommen. So etwas war ihm noch nie zuvor passiert.
Sein Handy klingelte, und D. C. konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er die Nummer des Anrufers erkannte. Seit er nach Fort McNair versetzt worden war, machte Jase einmal pro Woche einen Kontrollanruf. Ein klassischer Fall von Großem-Bruder-Syndrom.
„Hast du nichts Besseres zu tun?“, meldete sich
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