In sündiger Silvesternacht
Einzelheiten an ihm als bei ihrer ersten Begegnung. Er war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, mindestens einen Meter dreiundachtzig. Seine Schultern waren breit, und er besaß den Körper eines Schwimmers, der gut zu seinem schmalen Gesicht passte. Doch es waren seine Augen, die Fiona am meisten fesselten.
Schon wieder.
Sie waren dunkelgrau, sein Blick offen und sehr direkt. Bestimmt entgeht diesen Augen selten etwas, dachte Fiona. Allerdings war es ein Fehler, sich zu lange darin zu verlieren. Sie zogen sie aufs Neue in ihren Bann, und Fiona konnte gerade noch an sich halten, um dem Mann nicht direkt in die Arme zu sinken.
Ungeduld stieg in ihr auf. Sie hatte einen Job zu erledigen und würde später über diesen Fremden nachdenken. Vielleicht war es sogar besser, überhaupt nicht über ihn nachzudenken, weder jetzt noch später. „Sagen Sie mir bitte alles, was Sie sonst noch wissen.“
„Ich bin Captain D. C. Campbell.“ Er bewegte die Hand zu seiner Innentasche, hielt dann jedoch inne. „Ich habe einen Ausweis.“
Danach hätte sie längst fragen sollen. „Zeigen Sie ihn mir.“
Während sie den Ausweis prüfte, fuhr er fort. „Gegenwärtig bin ich in Fort McNair stationiert und leite den Stützpunkt der Militärpolizei. Heute ist mein freier Tag, und ich bin hier auf einem Ausflug mit meiner Mutter und meiner Schwester. Die beiden laufen dort drüben auf der Eisbahn.“
Fiona fielen die beiden Frauen ein, die sie in der Ausstellung in seiner Begleitung gesehen hatte, und, dass sie da schon den Eindruck gehabt hatte, die drei seien miteinander verwandt.
Mit einem letzten prüfenden Blick verstaute sie ihre Waffe wieder in ihrem Abendtäschchen. „Kommen wir jetzt zum interessanten Teil?“
„Sicher“, erwiderte er belustigt.
Sie kniete sich neben die Frau auf den Boden, um deren Puls zu fühlen und hörte in diesem Augenblick, wie die Sirenen verstummten. D. C. Campbell berichtete ihr weiter von der Auseinandersetzung zwischen den beiden Personen. Er beschrieb seine Beobachtungen detailliert, aber kurz.
„Hat der Angreifer irgendetwas mitgenommen?“
„Nein. Er hat einmal auf mich geschossen und schien dann die Nerven zu verlieren.“
Die Frau lag halb auf der Seite und ihr Profil löste etwas in Fiona aus, das sie nicht benennen konnte. Sie entdeckte eine Brieftasche und machte sich gerade daran, die Identität des Opfers festzustellen, als D. C. sagte: „Ich kenne sie.“
Sie blickte zu ihm hoch. „Wer ist sie?“
„Sie ist die Verwaltungsassistentin meiner Vorgesetzten – Private Amanda Hemmings“.
Jetzt fiel es Fiona wieder ein. Sie erinnerte sich an die junge blonde Frau in Uniform, die vor Begeisterung sprühend in ihr Büro gekommen war und unbedingt bei der Spielzeugsammlung mithelfen wollte. Fiona runzelte die Stirn und betrachtete erst den Ausweis und dann die Frau. Sie wirkte jung und sehr hilflos. „Ich kenne sie auch. Allerdings bin ich ihr nur einmal begegnet. Sie hilft unserer Abteilung bei der Spielzeugsammlung für die Familien der Veteranen. Deshalb trägt sie eine Weihnachtsmannmütze. Die Mützen waren ihre Idee. Alle meine freiwilligen Helfer tragen sie.“
„Der Mann, der sie angegriffen hat, trug ebenfalls eine.“
Als sie zwei uniformierte Beamte auf sie zulaufen sah, stand Fiona sofort auf, zückte ihren Ausweis und hielt ihn hoch, ohne D. C. aus den Augen zu lassen. „Er trug auch eine Mütze? Das ist merkwürdig. Ich frage mich, was hinter dem Angriff steckt.“
„Da habe ich einen Hinweis.“
Er zog die Kette aus seiner Tasche, und Fiona starrte sie ungläubig an. Selbst in dem schwachen Licht schien der große blaue Diamant in seiner Fassung zu glühen. Unwillkürlich streckte sie die Hand danach aus. „Das ist der Rubinov, nicht wahr?“
„Das nehme ich an.“
Als er ihr die Kette gab, streifte er mit den Fingern ihre Handfläche. Es geschah ganz unabsichtlich. Doch Fiona überkam sofort ein Gefühlscocktail aus Hitze, Lust und Verheißung, den sie bis in die Zehenspitzen fühlte. Sie schloss die Finger um die Kette und wusste nicht, ob sie einen Schritt auf D. C. zu machen oder sich lieber umdrehen und weglaufen sollte.
Aus dem Augenwinkel sah sie zwei Sanitäter mit einer Trage auf sie zueilen. Doch bevor sie sich ihnen zuwandte, begegnete sie noch einmal D. C. Campbells Blick. Seine Augen strahlten so intensiv wie der Diamant, und noch immer brannte die Stelle auf ihrer Hand, an der seine Finger sie gestreift hatten. Sie standen
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