In sündiger Silvesternacht
Schüler verabschiedet. Das war so gegen achtzehn Uhr, und da parkte ein Van auf der anderen Straßenseite. Es war dunkel, aber der Wagen stand ganz nah bei einer Straßenlaterne. In dem Auto befanden sich drei Personen.“
„Haben Sie eine von ihnen erkannt?“, fragte D. C.
Claire Ridgeway schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Wissen Sie, wie lange der Van dort stand?“, erkundigte sich Fiona.
„Das kann ich nicht genau sagen. Er war verschwunden, als ich den Streifenwagen bemerkte.“
Fiona dankte der Frau noch einmal. Nachdem sich die Tür hinter Mrs Ridgeway geschlossen hatte, sagte sie: „Sie wussten, wo sie wohnt und haben hier auf sie gewartet. Das untermauert die Theorie, dass Hemmings, ihr Angreifer und die beiden Personen im Van zusammenarbeiteten.“
D. C. nickte. „Ob sie nun zusammenarbeiteten oder nicht, jedenfalls wussten die Drei, dass sie den Diamanten hatte – und sie waren sich nicht sicher, wie schwer sie verletzt war.“
„Deshalb sind sie hergekommen, sie wollten sichergehen und hofften, Amanda würde doch noch mit dem Rubinov auftauchen. Als die Polizei eintraf, sind sie abgehauen.“
„Das ist eine denkbare Theorie.“
Fiona sah sich in dem ordentlichen Ein-Zimmer-Apartment um. An einem Ende stand eine Theke, und dahinter war eine winzige Küche untergebracht. Ein dreiteiliges Erkerfenster war auf halber Höhe in eine Wand eingelassen und bot einen Blick auf die Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein Kamin aus Marmor mit einer erhöhten Feuerstelle. Möbel gab es nur wenige, aber jedes Stück sah aus, als wäre es sehr sorgfältig ausgewählt worden. Wahrscheinlich war diese Wohnung Amanda Hemmings erste Adresse, seit sie dem Pflegefamiliensystem entwachsen war. Fiona rief sich in Erinnerung, wie viel Mühe sie sich selbst bei der Einrichtung ihrer ersten Wohnung gegeben hatte.
Ein Sofa im viktorianischen Stil und ein niedriger geschnitzter Holztisch füllten den größten Teil des Raumes. Während D. C. in Richtung Küche um die Möbel herumging, steuerte Fiona auf den Schreibtisch zu. Nichts stand oder lag darauf herum, auch nicht auf dem Kaminsims und dem Sofatisch. Nicht einmal eine Zeitschrift störte die perfekte Ordnung. In der ersten Schublade, die Fiona öffnete, entdeckte sie einen kleinen Stapel Broschüren über die Spielzeugsammlung. Darunter befand sich ein Führer durch Washington und Umgebung und eine Bibel, die aussah, als würde oft darin gelesen. In dem Stadtführer steckte eine Broschüre als Lesezeichen auf der Seite mit einem Übersichtsplan der Smithsonian Museen. In einer anderen Schublade lagen Aktenmappen mit Rechnungen, Kontoauszügen und ein Scheckheft.
„Im Kühlschrank ist nichts, außer ein Rest chinesisches Essen zum Mitnehmen“, rief D. C. „Und die Küchenschränke sind fast so leer wie deine.“
„Das scheint ihre erste eigene Wohnung zu sein, und sie lebt hier zum ersten Mal wirklich alleine. Wahrscheinlich isst sie bei der Arbeit und nimmt sich nur manchmal etwas auf dem Heimweg mit.“
Fiona schob gerade die Schublade wieder zu, da sah sie die Ecke einer Aktenmappe unter der Schreibunterlage hervorlugen. „Ich habe etwas“, sagte sie, während sie die Mappe hervorzog. Sie setzte sich auf das Sofa und legte sie geöffnet auf den niedrigen Tisch. „Hier ist ein Stapel Presseausschnitte über den Rubinov.“
Als D. C. sich zu ihr setzte, knackten die Beine des Sofas unheilverkündend. Er achtete nicht darauf und half Fiona, die Ausschnitte auf der Tischplatte auszubreiten.
Einen Augenblick lang sagte keiner von ihnen ein Wort. Fiona hatte das Gefühl, etwas würde ihre Brust einschnüren. „Ich bin kein Experte, aber ich denke, sie ist fasziniert von dem Diamanten.“
„Das sehe ich auch so.“ D. C. tippte auf einen der Artikel. „Dieser hier ist die erste Ankündigung der Ausstellung im Oktober.“
Fiona betrachtete das zugehörige Foto und erkannte eine der beiden darauf abgebildeten Frauen. „Das ist Regina Meyers.“ Unter dem Bild stand, die andere Frau sei Charity Watkins, die Ausstellungsdirektorin der National Gallery.
Ihr Handy klingelte, und Fiona warf einen Blick auf die Nummer des Anrufers. „Das ist Natalie.“ Sie drückte auf die Lautsprechertaste, damit D. C. mithören konnte.
„Chance hat mit den Sicherheitsleuten von der National Gallery gesprochen. Dabei hat sich herausgestellt, dass es gestern Nachmittag ein kleines Problem mit dem Überwachungssystem gab und zwar gerade zu der
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