In Todesangst
Jennings. »Sind Sie noch dran?«
Und ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass Marjorie mir liebend gern den nächsten Strick drehen würde.
Kate Wood, tot in meinem Haus – nur ein paar Stunden nachdem sie mich bei der Polizei reingeritten hatte. Und beim Verhör hatten sie zweifellos genau mitbekommen, wie sauer ich auf Kate gewesen war. Es lag auf der Hand: Kate war bei mir vorbeigekommen, um mit mir zu reden, aber ich war schlicht ausgeflippt, ausgerastet, durchgedreht. Marjorie erinnerte sich garantiert noch genau, wie ich ihm an die Kehle gegangen war.
Es war sinnlos, ihnen irgendetwas erklären zu wollen. Sie würden mich sofort verhaften.
Und damit war dann auch die Suche nach Syd gestorben. Sie würden alles daransetzen, um mir zu beweisen, dass ich meine Tochter umgebracht hatte.
»Mr Blake?«, sagte Kip Jennings erneut.
»Ich kann gerade nicht«, erwiderte ich. »Ich melde mich bei Ihnen.«
***
Ein paar Minuten später klingelte mein Handy schon wieder. Diesmal warf ich einen Blick aufs Display, ehe ich dranging.
»Hallo«, sagte ich, während ich den Motor des Beetle startete und losfuhr. Nichts wie weg hier.
»Hi, Tim. Andy hier.« »Hi, Andy.«
»Alles in Ordnung? Du klingst so komisch.«
»Was gibt’s, Andy?«
»Ich bin gerade im JD’s, aber dieser Gary ist bislang noch nicht aufgetaucht. Ich habe zwei, drei Leute nach ihm gefragt, aber keiner hat ihn in letzter Zeit gesehen.«
»Weiß jemand, wo man ihn finden kann? Oder wo er wohnt?«
»Nein. Aber ich zische jetzt erst mal noch ein, zwei Bierchen und warte ab, was sich so tut. Sag mal, die Drinks gehen auf dich, okay?«
Ich hatte wahrlich andere Sorgen, als jetzt auch noch darüber zu diskutieren. »Von mir aus.«
»Danke. Ich melde mich dann später wieder.«
Ich beendete das Gespräch. Und dann spielten meine Nerven plötzlich nicht mehr mit.
***
Die Tränen schossen mir derart in die Augen, dass ich nichts mehr sehen konnte. Ich fuhr auf den Seitenstreifen, stellte auf Leerlauf und zog die Handbremse an, ehe ich das Steuer mit beiden Händen umklammerte, so fest, als könnte ich meine gesamte Anspannung in den Wagen ableiten. Mein Atem schien immer schneller zu gehen, als wolle er mein rasendes Herz einholen.
»O Gott«, stieß ich hervor. »O Gott, o Gott, o Gott.« Wie ein Mantra sprach ich die immer gleichen Worte vor mich hin.
Fühlte sich so ein Herzinfarkt an?
Mit einem Mal schien sich der gesamte Stress der letzten Wochen Bahn brechen zu wollen. Erst war meine Tochter verschwunden, dann ein Anschlag auf mein Leben verübt worden, und nun lag auch noch meine Exfreundin tot in meinem Haus. Ich war schlicht am Ende.
Verdammt noch mal, ich war nur ein Autoverkäufer. Nichts in meinem Leben hatte mich auch nur entfernt auf die Situation vorbereitet, in der ich gerade steckte.
Reiß dich zusammen.
Ich löste die Hände vom Lenkrad und wischte mir die Tränen aus den Augen. Aber sie hörten einfach nicht auf zu fließen.
Reiß dich zusammen. Tu es für Syd. Du kannst dir jetzt keinen Nervenzusammenbruch leisten. Wenn du nicht nach ihr suchst, wer soll es sonst tun?
Abermals wischte ich mir die Augen und versuchte, so ruhig und gleichmäßig wie möglich zu atmen.
»Entspann dich«, sagte ich leise. »Du kriegst das hin.«
Nach und nach begann sich meine Atmung zu normalisieren. Auch mein Herz schlug wieder ruhiger.
»Syd«, sagte ich. »Syd.«
Dann fuhr ich wieder los.
***
Ein paar Minuten später bog ich in die Einfahrt des Hauses von Pattys Mutter ein. Es befand sich in einem der älteren, westlich gelegenen Viertel von Milford, wo die Häuser wie Strandhäuser aussehen, auch wenn sie nicht direkt am Wasser liegen.
In der Einfahrt stand kein Wagen, weshalb es mich nicht weiter wunderte, dass niemand an die Haustür kam. Ich überlegte, ob ich eine Nachricht an der Tür hinterlassen sollte, doch gerade als ich eine meiner Visitenkarten aus dem Portemonnaie kramte, bog ein rostiger alter Ford Taurus in die Einfahrt und hielt neben meinem Beetle.
Eine Frau um die vierzig stieg aus. Sie nahm zwei Einkaufstüten und ihre Handtasche vom Beifahrersitz und schwankte, ihre Sachen in der linken, die Schlüssel in der rechten Hand, auf ihren hochhackigen Sandalen zur Haustür.
»Kann ich Ihnen helfen?« Sie nahm ihre Sonnenbrille ab, während sie näher kam.
»Sind Sie Pattys Mutter?«, fragte ich.
»Ja, warum?« Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ich hatte sie nie zuvor
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