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In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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gerade mal zehn bis zwanzig Pfund. Der Arm fühlte sich an, als sei er mit Daunenfedern gefüllt.
    Ich erhob mich und drängte mich an Ian vorbei ins Wohnzimmer.
    »Hast du die Puppe nebenan gekauft?«, fragte ich.
    Ian nickte. Mit hängenden Schultern stand er da; er sah erbärmlich aus, nackt bis auf seine Boxershorts, und hätte mir beinahe leidgetan. »Bitte sagen Sie meiner Tante nichts«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Sowieso nicht.« In diesem Moment fiel mir ein, was ich Carter zugerufen hatte, als ich durch die Lobby des Just Inn Time gerannt war. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Polizei eintraf.
    »Bewahrst du sie hier auf?«, fragte ich Ian.
    Er senkte den Kopf. »Nein. Meine Tante kommt hier dauernd rein, um aufzuräumen oder mir was zu essen zu machen. Normalerweise verstecke ich sie in einem Schuppen drüben in Bridgeport – na ja, und manchmal bringe ich sie nachts eben hierher und fahre sie dann im Morgengrauen zurück, bevor meine Tante zur Arbeit kommt. Ab und zu fahre ich auch mit ihr zum Hafen runter, höre ein bisschen Musik und sehe mir mit ihr die Schiffe an.«
    Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Jetzt begriff ich, warum Ian sich bei unseren vorherigen Begegnungen so merkwürdig verhalten hatte. Der Typ war ein echt schräger Vogel.
    »Hör zu, Junge«, sagte ich. »Ich habe die Cops gerufen. Die kreuzen hier garantiert gleich auf.«
    »O Scheiße!« Er sah mich entsetzt an. »Bloß das nicht!«
    In gewisser Weise sprach er mir damit aus der Seele. Fest stand, dass Ian mich wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung drankriegen konnte, auch wenn ihm das in seiner Verwirrung nicht klar zu sein schien.
    »Verdammter Mist«, sagte er. »Noch nicht mal wegen … äh, ihr.«
    »Warum?«
    »Ich habe hier auch noch Dope rumliegen.«
    »Ich werde jetzt gehen und draußen auf die Cops warten«, sagte ich. »Wenn ich sie sehe, erzähle ich ihnen, ich hätte eine Anhalterin an der Straße versehentlich für meine Tochter gehalten.«
    »Danke«, murmelte Ian.
    Ich erwartete, dass jede Sekunde Einsatzwagen mit Blaulicht auftauchen würden, doch weit und breit war nichts zu sehen. Als ich zum Just Inn Time zurücklief, erspähte ich einen einzelnen Streifenwagen, der in normalem Tempo in Richtung des Howard Johnson’s fuhr.
    Carter kam hinter dem Empfang hervor, als ich das Hotel betrat. »Was ist passiert, Mr Blake?«
    »Haben Sie die Polizei gerufen?«
    »Noch nicht«, sagte er. »Ich wusste doch gar nicht, was los ist. Was hätte ich den Cops denn sagen sollen?«
    Unter anderen Umständen wäre ich stinksauer auf ihn gewesen, doch so konnte ich heilfroh sein, dass Carter nicht zum Telefon gegriffen hatte.
    »Hat sich erledigt«, sagte ich und ging zurück in mein Zimmer.
     
    ***
     
    Als ich am nächsten Morgen in die Lobby kam, war von Carter oder Veronica nirgendwo etwas zu sehen, doch als ich mir im Frühstücksbereich einen Blaubeer-Muffin holte, fiel mir Cantana ins Auge – die junge Asiatin, die ich hier schon einmal gesehen hatte.
    Sie trat auf mich zu und reichte mir einen Kaffeebecher.
    »Sieht man gleich, dass ich was zum wach werden brauche, oder?«, sagte ich freundlich, aber statt mein Lächeln zu erwidern, nickte sie höflich, senkte den Blick und verschwand in der angrenzenden Küche.
    Ich warf die Reisetasche auf den Rücksitz meines CR-V und stellte den Kaffeebecher in den Getränkehalter. Krümel rieselten in meinen Schoß, als ich einen Bissen von dem Muffin nahm. Ich ließ den Kopf gegen die Nackenstütze sinken und gab einen tiefen Seufzer von mir. Ich hatte kaum geschlafen, und mein Überfall auf Ians Apartment war mir ziemlich peinlich. Ich hatte mich wie ein Vollidiot aufgeführt – ganz abgesehen davon, dass mich die Aktion Syd keinen Schritt näher gebracht hatte.
    Ich startete den Motor und machte Syds iPod an. Erst kam ein alter Song von den Spice Girls – seit ihrer Wiedervereinigung vor ein paar Jahren war Syd Feuer und Flamme für sie dann ein Stück vom White Album der Beatles, »Why Don’t We Do It In The Road«. Prima Sache, wenn die eigene Tochter auf Songs steht, die davon handeln, wie es irgendwelche Leute auf der Straße treiben.
    Als ich kurz vor acht zu Hause vorfuhr, hatte ich noch keinen Schluck Kaffee getrunken, dafür aber mein Hemd und meine Hose mit Muffinresten vollgekrümelt.
    In meiner Einfahrt parkte ein Streifenwagen, und am Straßenrand stand das Auto von Kip Jennings. Niemand saß hinterm Steuer, doch dann

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