In tödlicher Gefahr
wurde diesen Gedanken nicht los, seit er sie vorhin in den Geländewagen hatte steigen sehen.
Abbie war nicht sicher, wann die Unterhaltung von höflichem Geplauder auf Persönliches gekommen war und wer den Themenwechsel eingeleitet hatte. Zunächst war sie auf der Hut gewesen, da sie sich der Gefahr, diesen Mann im Haus zu haben, sehr bewusst war. Doch sie war bald sorgloser geworden. John Ryan war ein angenehmer Gesprächspartner von erfrischender Offenheit, jedenfalls außerhalb seines Dienstes.
Er wollte etwas über ihren Exmann hören, obwohl sie nicht gern über ihn sprach. Nachdem sie die Fragen über ihre Mutter jedoch abgeblockt hatte, fiel es ihr leichter, über ihre gescheiterte Ehe zu sprechen.
„Jack war immer ein Getriebener“, erklärte sie und war froh, inzwischen ohne Zorn über ihn reden zu können. „Leider floss seine Energie größtenteils in seine Anwaltskanzlei. Als ich mich beklagte, dass er mir und Ben nicht genügend Zeit widme, erklärte er, dass er nur deshalb so hart arbeite, damit ich mir alle Wünsche erfüllen könne.“
„Dann haben Sie sich wegen seines Jobs getrennt?“
„Nein, nicht wegen seines, sondern wegen meines Jobs. Jack wollte nicht, dass ich berufstätig bin. Er meinte, das mache vor seinen Kollegen einen schlechten Eindruck. Deren Frauen verbrachten ihre Zeit mit Tennis, Golfspielen und der Förderung von Wohltätigkeitsveranstaltungen. Das Problem war, dass ich unbedingt arbeiten wollte. Ich war stolz auf meine Tätigkeit. Und da mein Partyservice es mir erlaubte, zu Hause bei Ben zu sein, sah ich nichts Schädliches daran, etwas zu tun, das mir Spaß machte. Aber Jack sah das anders.“
„Wie lange sind Sie schon geschieden?“
„Vier Jahre.“
„Seine Idee oder Ihre?“
Sie lächelte. „Sind Sie immer so neugierig, oder ist das nur eine Berufskrankheit?“
Er warf den Kopf zurück und lachte. „Touché. Tut mir Leid.“
„Ich wollte Sie nur necken.“ Sie sah die beiden Jungen in einem Wettrennen durch den Pool kraulen. „Wir erkannten ungefähr zur selben Zeit, dass wir gar keine Ehe mehr führten. Der Unterschied war, dass ich eine Scheidung wollte und er nicht. Scheidung bedeutete für ihn Versagen, und er hasst Versagen, in allen Bereichen. Da ich nicht nachgeben wollte, versuchte er mich umzustimmen, indem er das alleinige Sorgerecht für Ben beantragte. Die Entscheidung des Gerichtes zu meinen Gunsten war eine weitere Ohrfeige für ihn. Vor dem Gerichtsgebäude drohte er sogar, den Jungen zu entführen. Ich musste ein Kontaktverbot gegen ihn erwirken.“
„Sieht er seinen Sohn überhaupt nicht?“
„Doch, aber nicht sehr häufig, obwohl ich das Kontaktverbot längst habe aufheben lassen.“ Sie nahm ihr Glas und schwenkte die Eiswürfel herum. „Jack zog mit seiner Anwaltskanzlei nach Edison und hat angeblich keine Zeit für Besuche, obwohl er nicht mal eine Stunde entfernt ist. Er hält den Kontakt per Telefon und E-Mail.“
John blickte zum Pool, wo Ben und Jordan eine Wasserschlacht veranstalteten. „Das muss schwer sein für Ihren Sohn.“
„Zuerst war es das. Jack war nicht gerade der beste Vater der Welt, aber der Junge sah zu ihm auf. Als Jack ging, stürzte Bens kleine Welt ein.“
„Wie sind Sie damit umgegangen?“
Sie hatte ihr Privatleben immer penibel geschützt. Und nun öffnete sie sich einem Mann, der praktisch ein Fremder für sie war, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.
„Ich habe ihn beschäftigt. Als ich dann beschloss, das Restaurant zu eröffnen, habe ich ihn in alle Entscheidungen einbezogen. Es hat ihm sehr gefallen, dass ich seinen Rat eingeholt habe. Er fühlte sich wichtig. Ich weiß, dass ich ihm den Vater nicht ersetzen kann, aber wir stehen uns sehr nah. Und wenn er ernsthaft einen Mann an seiner Seite braucht, hat er Brady.“
„Ihren Souschef?“
Sie nickte und trank ihre Limonade aus. „Er tut Ben gut.“
Aus Sorge, sie könnten nun wieder auf ihre Mutter zu sprechen kommen, lenkte Abbie die Unterhaltung geschickt auf Johns Familie. Sie merkte, dass er einen ausgeprägten Sinn für Humor hatte, besonders als er von seinem Besuch bei der Direktorin von FitzRandolph erzählte, dem zweiten in diesem Jahr. Todernst wurde er jedoch, als er die Absicht seiner Exfrau erwähnte, Jordan in eine Militärschule zu geben. Ein Vorhaben, dem er entschieden widersprochen habe.
„Ich wünschte, ich könnte Jordan immer bei mir haben“, fügte er hinzu. „Und ich weiß, dass der Junge es auch
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