In tödlicher Gefahr
Angebot war damals verlockend gewesen, doch John hatte seinem Vater nicht den Butler nehmen wollen. Die beiden Männer waren wie Brüder und so auf die Eigenheiten des jeweils anderen eingestellt, dass man sich die beiden nicht getrennt vorstellen konnte.
Vielleicht gab es aber doch ein Arrangement, mit dem allen, einschließlich seiner Exfrau, gedient war. Doch bevor er mit Clarice sprechen würde, wollte er die Idee seinem Vater unterbreiten.
Percy, ein kleiner, runder Mann ohne ein einziges Haar auf dem rosigen Schädel, öffnete die Tür und begrüßte John mit der üblichen Freundlichkeit.
„Guten Abend, John.“ Vor langer Zeit hatte er versucht, ihn Master John zu nennen, wie es bei seinem vorherigen Arbeitgeber üblich gewesen war. Doch dem hatte John rasch ein Ende gesetzt, indem er drohte, ihn zur Strafe Percival zu nennen. Das Wort Master war ihm danach nie mehr über die Lippen gekommen. „Wie geht es Ihnen heute Abend?“
„Ehrlich gesagt, Percy, bin ich bester Stimmung.“
Der Butler lächelte. „Das freut mich zu hören und Ihren Vater sicher auch. Er ist in seinem Arbeitszimmer.“
Spencer Ryan, ein mehrfach ausgezeichneter Vier-Sterne-General der Armee, ruhte in seinem Lieblings La-Z-Boy. Obwohl John ihn nicht sehen konnte, roch er den vertrauten Pfeifentabak mit einem Hauch Schokoladenaroma, was ihm verriet, dass Spencer Ryan sich seinen beiden Lieblingsbeschäftigungen hingab: Rauchen und dabei den History Channel ansehen. Heute entfaltete sich der letzte Vorstoß der Deutschen in Belgien im Zweiten Weltkrieg in epischer Breite auf dem Fernsehschirm.
„Hallo, Dad.“
Spencer schaltete das Gerät aus und drehte sich mit dem Sessel um. Im Gegensatz zu Percy hatte Johns Vater volles, silbriges Haar und eine Statur, die einen Dreißigjährigen neidisch machen konnte.
„John! Hätte ich wissen müssen, dass du kommst?“
John lachte und setzte sich. „Das bezweifle ich. Ich habe mich erst vor wenigen Minuten dazu entschlossen.“
„Gut. Ich wollte mir gerade Sorgen machen.“ Er zog kurz an seiner Pfeife. „Wie ist es Jordan heute ergangen?“
„Die Cardinals haben gewonnen. Sie spielen jetzt um den ersten Platz.“
„Ausgezeichnet. Ich bedaure, dass ich das Spiel versäumt habe. Ein alter Freund aus der Armee kam vorbei, und ich habe nicht auf die Zeit geachtet.“
„Du kannst beim nächsten Spiel dabei sein.“ John wartete, bis sein Vater wieder einen Zug an der Pfeife gemacht hatte, und fuhr fort: „Dad, ich habe beschlossen, Clarice um das Sorgerecht für Jordan zu bitten – für immer.“
Die Ankündigung verblüffte seinen Vater offensichtlich. „Ich dachte, die Idee hättest du aufgegeben.“
„Ich habe es mir anders überlegt.“ John erzählte ihm von dem Vorfall in der Schule und Clarice’ Entscheidung, den Jungen in eine Militärschule zu geben. Als er Jordans „Killerhaken“ erwähnte, glaubte er, ein Lächeln um den Mund seines Vaters spielen zu sehen.
„Ich finde es gut, dass du in dieser Sache fest bleibst, mein Sohn“, sagte er, als John fertig war. „Die Militärschule ist kein Ort für einen Neunjährigen. Aber wenn Clarice fest entschlossen ist, wird sie dir einen höllischen Kampf liefern.“
„Vielleicht. Aber ich habe das Gefühl, dass die Mutterrolle sie mehr fordert, als sie gedacht hat, obwohl sie Jordan natürlich liebt. Aber sie hat nun mal viele zusätzliche Pflichten zu erledigen.“
„Bedeutet das, du bist bereit, Percy anzuheuern?“
„Ja. Aber nur unter der Voraussetzung, dass ich ihn dir nicht völlig wegnehme.“ Er erklärte ihm seinen Plan und erkannte am Grinsen seines Vaters, dass er seine volle Unterstützung hatte.
„Die Frage ist“, fügte John hinzu, „ob Percy einverstanden ist.“
Spencer stand auf. „Ich weiß nicht. Aber warum fragen wir ihn nicht?“
Captain Matthew Farwell war nicht besonders groß – etwa einsfünfundsechzig, bei hundertfünfzig Pfund –, aber in seinen sieben Jahren als Leiter des Princeton Township Police Department war das nie ein Nachteil gewesen. Durchsetzungsfähigkeit und klares Urteilsvermögen hatten ihm den Respekt der Männer und Frauen im Department eingebracht – außer Tinas. Sie hatte das Gefühl, und John widersprach ihr da absolut nicht, dass Farwell eher Politiker war als Polizist und sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit im Stich lassen und eine politische Karriere anstreben würde. Außerdem war er ein hoffnungsloser überzeugter Chauvinist, und sie
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