In tödlicher Gefahr
verabscheute es, sich ständig vor ihm beweisen zu müssen.
Die immer noch unaufgeklärte Vergewaltigung und Ermordung des achtjährigen Eric Sommers war ein riesiger Stachel im Fleisch des Captain. Die Eltern hatten Angst um ihre Kinder, und der Bürgermeister fürchtete um seinen Job und übte Druck auf den Polizeichef aus, der ihn wiederum an Farwell weitergab.
Gestern hatte eine nervöse Lehrerin an der Eastbrook Grundschule ein hinter dem Spielplatz geparktes Auto gemeldet. Sie war besorgt genug gewesen, sich das Nummernschild aufzuschreiben, ehe der Wagen wegfuhr. Auch wenn kein Kind von der Schule entführt worden war, hatte sich die Anspannung in der Stadt in den letzten vierundzwanzig Stunden deutlich erhöht.
Kein Wunder also, dass die Atmosphäre im Büro des Captain an diesem Montagmorgen geladen war. Da John und Tina technisch gesehen immer noch Partner waren, hatte Farwell sie zusammen zu sich zitiert.
„Sie können mich beide über Ihre jeweiligen Fälle informieren“, sagte er hinter seinem unaufgeräumten Schreibtisch. „Sie zuerst, Wrightfield, was haben Sie?“
„Es könnte einen kleinen Durchbruch in dem Fall geben“, erklärte sie und war ein wenig hoffnungsvoller als in den letzten Tagen. „Der Wagen, der gestern vor der Eastbrook Grundschule entdeckt wurde, war von einer Barbara Michaels als gestohlen gemeldet worden. Mrs. Michaels wohnt am Hund Drive und besitzt einen grauen Ford Taurus mit dem Kennzeichen New Jersey MSCV 5438.“
Farwells Miene hellte sich auf. „Gestohlen? Das ist derselbe Modus operandi wie bei der Entführung von Eric Sommers.“
„Das stimmt.“
„Wo ist der Taurus jetzt?“
„Er wurde heute Morgen an der Rosedale Road gefunden – mit neuen Nummernschildern. Deshalb war er so schwer zu entdecken. Ich habe ihn in unsere Garage abschleppen lassen. Die Labortechniker sehen ihn sich an.“
Farwell schien in sich zusammenzufallen wie ein löchriger Ballon. „Das soll ein Durchbruch sein, Wrightfield? Glauben Sie, unser Killer hat eine Visitenkarte hinterlassen?“ Er machte eine abwertende Geste. „Vergessen Sie’s. Das passiert nicht. Der Mann ist zu clever.“
„Vielleicht doch nicht, Captain.“ John konnte es nicht ausstehen, wenn Farwell seine Position benutzte, um in diesem Ton zu reden, besonders einem so gewissenhaften und methodischen Officer wie Tina gegenüber. „Warum lassen Sie Tina nicht ausreden?“
Farwell sah seinen einzigen weiblichen Detective fragend an. „Tut mir Leid, Wrightfield. Fahren Sie fort.“
Tina, die ein dickeres Fell hatte, als John vermutete, warf ihm einen ihrer Blicke zu, die besagten: Danke, aber ich trage meine Kämpfe selbst aus. Dann fuhr sie fort: „Barbara Michaels leidet unter Schlaflosigkeit. Sie war wach, als ihr Wagen gestohlen wurde. Sie hörte den Motor anspringen, lief hinaus und erhaschte einen Blick auf den Täter.“
„Haben Sie mit ihr gesprochen?“
„Noch nicht. Ich habe die Information gerade erst von der Abteilung für Autodiebstahl erhalten“, erklärte sie mit leicht frostigem Unterton, der Farwell nicht entging. „Ich war auf dem Weg dorthin, als Sie mich hereinriefen.“
„Nun gut …“ Farwell räusperte sich und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, ein Zeichen, dass er nervös war. „In dem Fall machen Sie weiter, Wrightfield. Und bringen Sie mir gute Nachrichten.“
Sobald sie die Tür geschlossen hatte, sah er John an. „Vielleicht sollten Sie sie begleiten.“
Zum Glück hatte Tina den letzten Satz nicht gehört, denn sonst wäre sie explodiert. „Wozu? Zeugen befragen kann keiner besser als sie.“
Farwell dachte einen Moment darüber nach und nickte. „Also gut.“ Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Hände über dem flachen Bauch. „Wie weit sind Sie im McGregor-Mord?“
John brachte ihn auf den neuesten Stand, ließ Abbie unerwähnt und teilte ihm mit, dass er in wenigen Stunden nach New York aufbrechen würde, um mit Liz Tilly zu reden.
27. KAPITEL
L iz Tilly lebte an der McDougal Street, in der Nachbarschaft von Kaffeehäusern, Jazzclubs und Restaurants unterschiedlicher Nationen. John konnte sich die Exfrau von Jude Tilly hier gut vorstellen. In verschiedenen Zeitungsartikeln, die er im Internet über sie gelesen hatte, wurde sie als Freigeist beschrieben, der oft in Avantgarde-Stücken gesehen wurde, die immer noch in und um Greenwich Village gespielt wurden.
Liz war in den frühen Achtzigern nach New York
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