In Tödlicher Mission
nicht weg. »Ja, Diamanten. Eine Diamantbrosche von Van Cleef. Sind wir im Geschäft?«
Nun zog sie ihre Hand weg. Sie waren am Ambassadori angekommen. Sie nahm ihre Tasche vom Sitz neben sich. Dann drehte sie sich zu ihm um. Der Portier öffnete die Wagentür, und das Licht von der Straße verwandelte ihre Augen in Sterne. Sie betrachtete sein Gesicht mit einer gewissen Ernsthaftigkeit. »Alle Männer sind Schweine, aber ein paar sind nicht ganz so schlimm. Also gut. Ich werde mich mit Ihnen treffen. Aber nicht zum Abendessen. Was ich Ihnen vielleicht erzähle, ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich bade jeden Tag am Lido. Aber nicht am üblichen Strand. Ich bade am Bagni Alberoni, wo der englische Dichter Byron immer ausgeritten ist. Dieser Strand befindet sich an der Spitze der Halbinsel. Das Vaporetto wird Sie hinbringen. Treffen Sie mich dort übermorgen um fünfzehn Uhr. Ich werde mich vor dem Winter noch ein letztes Mal richtig bräunen.
Zwischen den Dünen. Sie erkennen mich am hellgelben Sonnenschirm. Darunter werde ich liegen.« Sie lächelte. »Klopfen Sie auf den Schirm und fragen Sie nach Fräulein Lisl Baum.«
Sie stieg aus dem Taxi. Bond folgte ihr. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. »Vielen Dank für die Rettung. Gute Nacht.«
»Also um fünfzehn Uhr«, wiederholte Bond. »Ich werde da sein. Gute Nacht.«
Sie drehte sich um und stieg die geschwungenen Treppenstufen zum Hotel hinauf. Bond blickte ihr nachdenklich hinterher, dann drehte auch er sich um, ging zum Taxi zurück und wies den Fahrer an, ihn zum Hotel Nazionale zu bringen. Er lehnte sich zurück und betrachtete die Leuchtreklamen, die am Fenster vorbeirasten. Die Dinge, einschließlich des Taxis, bewegten sich fast schneller, als ihm lieb war. Das Einzige, worüber er die Kontrolle hatte, war das Taxi. Er lehnte sich vor und bat den Fahrer, nicht so schnell zu fahren.
Der beste Zug von Rom nach Venedig ist der Laguna Express, der jeden Tag um die Mittagsstunde abfährt. Bond, der den Morgen damit verbracht hatte, über den Scrambler der Station I schwierige Gespräche mit dem Londoner Hauptquartier zu führen, erwischte ihn um Haaresbreite. Der Laguna ist ein elegantes stromlinienförmiges Gebilde, das sich luxuriöser anhört, als es ist. Die Sitze sind für kleine Italiener gemacht, und das Personal des Speisewagens leidet unter der gleichen Krankheit, unter der ihre Kollegen in den berühmten Zügen der ganzen Welt leiden – einem aufrichtigen Abscheu gegenüber dem modernen Reisenden und besonders allen Ausländern. Bond hatte einen Platz am Gang über der Radachse im hinteren Wagen. Selbst wenn die sieben Himmel am Fenster vorbeigerauscht wären, hätte es ihn nicht interessiert. Er behielt seinen Blick im Zug, versuchte trotz des Wackelns ein Buch zu lesen, verschüttete Chianti auf der Tischdecke, verlagerte seine langen schmerzenden Beine und verfluchte die italienische Eisenbahn.
Aber schließlich waren sie in Mestre und fuhren auf der schnurgeraden Strecke durch die wie ein Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert wirkende Landschaft nach Venedig. Dann folgte der übliche Schock über die Schönheit der Stadt, der niemals nachließ, und der sanft schwankende Abschnitt den Canal Grande entlang in einen blutroten Sonnenuntergang und das scheinbar äußerste Vergnügen, das beste Doppelzimmer im Gritti Palace gebucht zu haben.
An diesem Abend warf James Bond mit Tausend-Lire-Scheinen nur so um sich, erst in Harry’s Bar, im Florian’s und schließlich im oberen Stock des großartigen Quadri, und spielte für jeden, den es interessieren mochte, die Rolle, die er sich für Fräulein Baum zurechtgelegt hatte – den erfolgreichen Schriftsteller, der es sich gut gehen ließ. Im vorübergehenden Zustand der Euphorie, den ein erster Abend in Venedig mit sich brachte, egal wie ernst der Grund des Besuchs auch sein mochte, kehrte Bond ins Gritti zurück und fiel in einen achtstündigen traumlosen Schlaf.
Mai und Oktober sind die besten Monate in Venedig. Die Sonne ist mild und die Nächte sind kühl. Die glitzernde Szenerie ist nicht so grell für die Augen, und es liegt eine Frische in der Luft, die einem dabei hilft, die vielen Kilometer aus Stein und Terrazzo und Marmor zurückzulegen, die im Sommer für die Füße so unerträglich sind. Und es sind viel weniger Menschen dort. Auch wenn Venedig die einzige Stadt auf der Welt ist, die hunderttausend Touristen so leicht verschlucken kann, als wären es bloß tausend
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