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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Unternehmung zu geben, die den Engländern den letzten Stützpunkt auf französischem Boden entriß und meinem Vater die Baronie einbrachte.
    Ich hatte Balsa gebeten, mir für diesen Anlaß die Insignie seiner Macht zu leihen (was ihm sehr zuwider war), und eben mit seinem langen Stab dirigierte ich den auf dem Parkett hockenden Miroul und bedeutete ihm durch jeweiliges Berühren, welcheSoldaten – Engländer oder Franzosen – er zu rücken hatte, je nach den Wechselfällen der Schlacht und entsprechend meinem Bericht, den ich begeistert vorantrieb in dem beflügelnden, burschikosen Ton, mit dem mein Vater die Geschichte in Mespech dargeboten hatte.
    Espoumel hatte mir etliche Kanönchen gebaut, die ich bronzefarben gestrichen hatte und die nun, auf das Kommando meines Stocks, mit Zündpulver schossen; Monsieur de Joyeuse und seine Offiziere lächelten, der junge Anne aber und seine Brüder waren verzückt, zumal Miroul mittels langer Schnur am Fuße der Zitadelle eine ganze Mauerfläche zum Einsturz brachte, so daß also meine Kanonen gleichsam eine Bresche in den Stein der Festung gerissen hatten.
    »Wundervoll, Monsieur de Siorac, das ist wundervoll!« rief der kleine Anne, in die Hände klatschend. »Und jetzt drauf, drauf auf die verfluchten Engländer!«
    »Hier, Monsieur«, sprach ich zu ihm und reichte ihm meinen Stab, »tut mir die Ehre an und kommandiert den Angriff.«
    Er sprang empor, rief »drauf! drauf!« und berührte mit der Stockspitze eine Anzahl französischer Soldaten, die Miroul durch die Mauerbresche in die Festung eindringen ließ.
    »Gemach, mein Herr Sohn«, rief Monsieur de Joyeuse, »ent blößt Euch nicht zu sehr. Ihr benötigt auch Reserven, die Stadt ist noch nicht eingenommen. Erobert habt Ihr erst die Zitadelle, und es ist nicht gesagt, daß Ihr Euch da halten könnt.«
    Das gab dem kleinen Anne zu denken.
    »Monsieur de Siorac, wieviel Mann hat der Herzog von Guise gegen die Zitadelle eingesetzt?« fragte er.
    »Fünfhundert, dazu noch viele Edelleute.«
    »Darunter Euer Herr Vater war, sofern ich mich recht erinnere«, bemerkte Monsieur de Joyeuse höflich.
    Worauf ich mich tief verbeugte.
    »Und auch Monsieur de Guise?« fragte Anne.
    »Monsieur de Guise führte den Angriff, doch als die Zitadelle genommen war, durchquerte er den Meeresarm ein zweites Mal und eilte zu seiner Hauptstreitmacht.«
    »Ha, ich an seiner Stelle wäre in der Zitadelle geblieben, um als erster in die Stadt einzudringen!« rief Anne begeistert.
    Ich wußte keine Erwiderung und blickte zu Monsieur de Joyeuse, der gemessen sprach:
    »Nein, Anne, das ging nicht. Die fünfhundert Franzosen, die die Zitadelle eingenommen hatten, befanden sich in einer gefahrvollen Lage: die Stadt war noch ganz in der Hand der Engländer, die ebenfalls Kanonen hatten. Monsieur de Guise tat klug, daß er zum Festland zurückkehrte, damit er im Notfall seine in der Zitadelle verbliebene Truppe zurückziehen oder auch verdoppeln könnte.«
    Anne antwortete mit einem kleinen Schmollblick, doch hätte er seines Vaters viele Ermahnungen zu kluger Vorsicht immer befolgt, wäre ihm sicherlich ein längeres Leben beschieden gewesen: an der Spitze einer Armee, die Heinrich III. ihm anvertraute und die er so tapfer wie wagehalsig befehligte, fand er mit sechsundzwanzig Jahren den Tod.
    »Ach, hätte ich doch diese kleinen Soldaten für mich, ich würde sie jeden Tag exerzieren lassen!« sagte Anne, als ich meinen Vortrag beendet hatte.
    »Aber Monsieur, sie gehören Euch, auch die Kanonen und die Wälle. Ich habe sie Euch geschenkt.«
    »Mein Herr Vater, habt Ihr gehört?« rief der kleine Anne mit freudig glänzenden Augen.
    Und den Vorteil nutzend, daß ich mich hingekniet hatte, um einen umgestoßenen Soldaten aufzurichten, warf er sich mir an den Hals und bedeckte mein Gesicht mit so vielen Küssen, daß ich den Tränen nahe war.
    Als ich mich erhob, dankte mir Monsieur de Joyeuse unter tausend Höflichkeitsbezeigungen und versprach andeutungsweise auch Ersatz aller Kosten, die mir entstanden waren. Hierüber wünschte er mich herzlich zu verabschieden, und auch Madame de Joyeuse reichte mir ihre Fingerspitzen zu einem Kuß. Da alle sich zurückzogen, blieb ich mit Cossolat allein, der mir den Arm um die Schulter legte und mir zuflüsterte:
    »Heiliger Antonius, Siorac, Ihr seid heute mächtig im Ansehen gestiegen bei Monsieur de Joyeuse, aber auf die erwähnte Entschädigung würde ich nicht viel geben, der Mann hält sein Geld

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