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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Rang zu achten?«
    Das hatte gesessen, mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Ich löste endlich ihre Hände, hielt sie auf Abstand und sagte:
    »Madame, Ihr wolltet mich sprechen.«
    »Ach ja, eine einfache Sache.« Sie fiel jetzt in einen ganz anderen Ton, gab sich geschäftig. »Caudebec habe ich wissenlassen, daß ich bei meiner Cousine logiere, und es wäre gut, wenn Ihr Meister Sanche um die Erlaubnis bätet, daß Samson – auch zum Schutz dieses Hauses – für die Dauer meines hiesigen Aufenthaltes die Nächte hier verbringen darf.«
    »Madame, die Sache ist weniger einfach, als Ihr denkt. Meister Sanche ist ein gestrenger Mann, der eine bestimmte Sünde, na Ihr wißt schon, sehr mißbilligt. Zudem hat mein Vater ihm die Obhut über Samson übertragen, und ich weiß nicht, ob er sich zugunsten einer Dame, die er nicht kennt, nachgiebig zeigt.«
    »Aber mein Bruder, so bedenkt doch die Gefahr, die mir in diesem Hause droht!« Sie löste ihre Hände von den meinen, nur um sie mir sogleich um den Hals zu legen. »Und dann die Gefahren, denen sich mein geliebter Samson auf den nächtlichen Straßen aussetzt, und die Gefahr, in die Ihr selbst Euch begebt.« Sie näherte ihr Gesicht dem meinen und sah mich verführerisch an, die rosafarbenen Lippen halb geöffnet, die blauen Augen ganz zärtlich.
    Heiliger Antonius! durchfuhr es mich, ist das eine scharfe Witwe, wie fromm sie auch tun mag! Sie wickelt die Männer um den Finger! Mein Samson kann froh sein, daß sie bald wieder aufbricht in ihre Normandie, sonst würde er eines Tages leiden müssen.
    »Madame«, sprach ich, wobei ich meine Hände von ihrem Hals löste, »ich bin Euer Diener und will Euch nach bestem Vermögen gehorchen, doch ich kann nicht versprechen, daß Meister Sanche Eure Bitte erfüllt.«
    »Soll ich also Monsieur Cossolat bitten, vor diesem Haus Posten zu beziehen?«
    Ha, Teufelin! war mein Gedanke, hast noch bei gesenkten Lidern gemerkt, daß Cossolats Blicke mir mißfallen haben.
    »Madame«, sagte ich kühl, »ich an Eurer Stelle, wenn Meister Sanche ablehnt, würde mich in der Tat an den Hauptmann halten.«
    Ich küßte ihr die Hände, rief Miroul und begab mich von dannen, sehr verdrossen und sonderlich in Argwohn über diese schöne Circe. Sehe ich sie endlich in ihrem wahren Lichte? fragte ich mich. Ist sie wirklich so durchtrieben? Ist mein lieber Bruder durch meine Schuld in weniger zärtliche Hände gefallen, als ich geglaubt hatte?
    Zurück in der Apotheke, legte ich viel Eifer darein, Meister Sanche zu überzeugen, welch große Gefahr unser auf den nächtlichen Straßen lauerte, und schließlich erlaubte er Samson, samt seinen Waffen im Nadelhaus zu logieren. So würde denn Dame Gertrude nicht tagtäglich dem Hauptmann begegnen, und ich selbst wäre der Gelegenheiten enthoben, sie zu sehen.
    Cossolat hielt Wort: am folgenden Donnerstag schickte Monsieur de Joyeuse seine Karosse zu mir (die gewaltig polterte in der Rue de la Barrelerie) und ließ meine hölzernen Soldaten holen, die Wälle von Calais, die Zitadelle samt dem sie umgebenden Meeresarm (in Blau auf Karton gezeichnet und freilich nicht so eisig kalt wie die natürliche Vorlage damals im Januar, als der Herzog von Guise, seine Brüder, Sénarpon, mein Vater und viele andere bis zum Hals darin versanken).
    Ich meinte, meinen Bericht im großen Saal der Residenz einzig vor Anne de Joyeuse geben zu sollen, doch zu meiner großen Verwunderung fand ich Tisch und Teppich fortgeräumt und rings um die große leere Fläche Sessel und Hocker aufgestellt, bethront von Anne, seinen Brüdern, seinen Schwestern, von Monsieur de Joyeuse, den seine ranghöchsten Offiziere umringten, und auch von der schönen Madame de Joyeuse, die dem kriegerischen Spektakel beizuwohnen geruhte, geschmückt wie eine Königin und sich ein bißchen auch für eine solche haltend, nannte sie doch die sie begleitenden Damen ihren Hofstaat, weshalb letztere fast ebenso reich geschmückt gingen wie sie selbst, in raschelnder Seide, perlenübersät und von Parfums bestäubt.
    Ich machte Monsieur de Joyeuse meine Aufwartung und küßte Madame de Joyeuse die mit Ringen gezierte Hand, dabei ich ihr mit meinen Blicken genügend kundtat, wie sehr ihre Schönheit mich beeindruckte.
    Zunächst war ich etwas verschämt, daß ich vor so erlauchter Versammlung sprach, doch sobald ich mich in Eifer geredet hatte, vergaß ich, wo ich mich befand, und war nur noch darauf bedacht, bestmöglichen Bericht von dieser

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