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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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hierin rühmlich bekannten Pariser). Sie klebten uns gleichsam am Rücken und faßten bisweilen am Kopf oder mitten im Gesicht die uns zugedachten Treffer.
    Abgemacht war zwischen der blauen und der roten Partei, daß die zu Boden gefallenen Apfelsinen nicht wieder zu neuerlichem Wurf verwendet werden dürften. Doch es gab Schurken in dieser Menge, die die geplatzten, schmutzigen Orangen vonder Erde auflasen und sie blind drauflos hierhin und dorthin schmissen, gegen jedermann, ohne selbst die friedfertigen Gaffer zu schonen. Da machten unsere beiden Parteien gemeinsam Front gegen die Übeltäter, jagten sie mit unseren Geschossen in die Flucht und vollendeten deren Niederlage, indem sie handgemein wurden, sie mit Ohrfeigen traktierten und Tritten in den Hintern. Nun schrien und jammerten sie, daß man sie morden wolle, bis schließlich Cossolat mit seiner Garde herbeieilte.
    Als der Hauptmann den Platz sah, ganz mit Apfelsinen übersät – ein Anblick, bei dem sich mir das Herz zusammenkrampfte, weil ich die Früchte der Erde schätzte und achtete –, geriet er in argen Zorn, zumal er reformierten Glaubens war und die irren Verschwendungen der katholischen Edelleute mißbilligte. Andererseits wußte er, wer unter solcher Verkleidung steckte, und mochte es sich mit den Familien dieser Goldjungen nicht verderben.
    »Meine Herren«, rief er, »wäret Ihr nicht, was Ihr seid, ich würde Euch wegen dieses Tumults für etliche Tage dem Stadtgefängnis anvermählen. Dennoch sei Euch gesagt, daß solches Vergnügen verboten bleibt. Heute will ich ein Auge zudrücken, unter zwei Bedingungen: erstens, jeder zahlt meinem Sergeanten einen Sol, damit er den Platz säubern läßt. Zweitens, Ihr tragt die Euch verbliebenen Apfelsinen ins Spital, wo sich die armen Schlucker dort auf blankem Stroh daran gütlich tun mögen.«
    Ohne Murren wurde Folge geleistet, denn Cossolat duldete nicht Widerrede. Auch ich entrichtete meinen Sol an den Sergeanten, zuinnerst beschämt bei dem Gedanken, daß ich an dieser Vergeudung mitgewirkt hatte, und froh darüber, daß mich Cossolat unter meiner Maske nicht erkannte. Er mochte jedoch ahnen, daß ich mit von der Partie war, als er Miroul unter den Dienern sah, welche die Säcke voll Orangen ins Spital schleppten.
    Nachdem sich Cossolat zurückgezogen hatte, kam einer vorbei und verkündete laut, durch die Rue de l’Espazerie bewege sich ein prächtiger Umzug. Sofort rannte das Schafsvolk hin, und ich mit meinesgleichen hinterdrein. Und in der Tat, wir sahen einen schönen Maskenzug, wo zum Klang der Tamburine, Gitarren und Querpfeifen getanzt wurde. Die einen gingen als Seeleute verkleidet, schwangen Taue und trugen Körbe mit Fischen (die gottlob aus Pappe waren); andere als Rompilger(Rücken, Bauch und Hinterbacken mit Ablaßzetteln beklebt) oder als Landleute mit ihren Sensen; und dann waren da noch die als Weiber verkleideten Mannsbilder. Letztere führten sich am verrücktesten auf, zappelten wie die Lustdirnen, gackerten, glucksten, wippten aus den Hüften, klimperten mit den Wimpern, schnitten Fratzen und bedrängten die Passanten mit geilen Gebärden, als wollten sie ihnen ans Gemächte fahren. Und kaum hatten sie unsere Truppe erspäht, fielen sie jählings über uns her: wir seien die schmuckesten Burschen von Montpellier, sie wollten auf der Stelle von uns gefreit werden. Am wildesten unter diesen Lüstlingen gebärdete sich ein hoch aufgeschossenes, sehr schlankes »Weib« mit fuchsroter Perücke, das mich ganz fest umschlang und mich befummeln wollte; da stieß ich ihm den Ellbogen in den Magen und schlug ihm die Maske herunter, so daß ich den Mann erkannte. Ich wagte meinen Augen nicht zu trauen: es war Fogacer.
     
    Nach dieser Entdeckung – die mir arg zu denken gab! – wandte ich mich ab von den Maskierten. Ich hatte neben mir sagen hören, unter dem Barbote-Turm seien Popanze aufgetaucht, die unsere Notabeln verspotten; sie würden unter Fanfarenklängen durch die Stadt getragen. Das wollte ich mir anschauen und zwängte mich nicht ohne Mühe durch die Menge, Miroul mir hinterdrein. Am Barbote-Turm kamen wir nicht mehr vorwärts, so groß war das Gedränge, weil das Volk gar zu gerne sein Mütchen an den Popanzen gekühlt hätte, doch ich gewahrte Samson, der mich trotz meiner Maske sofort erkannte und sich mir wortlos in die Arme warf: vor zorniger Erregung konnte er nicht sprechen. Darob sehr verwundert, weil er doch eigentlich von sanfter Natur, bestürmte ich ihn mit

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