In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
anno 1567 leider nicht zutraf, denn noch ehe das Jahr zu Ende ging, flammte wieder der Bruderkrieg auf. Doch im Januar ahnte ich nichts von den Schrecken, deren Zeuge ich werden sollte, sondern ergab mich den fröhlichen Spielen, die den liebenswerten Bewohnern der Stadt soviel Freude machten.
Zu dieser Jahreszeit begannen auch die Bälle, die vom Adel und den betuchten Stadtbürgern bei abendlichem Fackelschein gegeben wurden. Wie ich mich überzeugen konnte, waren immer dieselben Leute anwesend. Ich als Edelmann – und als »kleiner Vetter« von Madame de Joyeuse – war überall geladen.Samson ebenso, da er mein Bruder und von besonderer Schönheit; doch er wies solche Ehre ab, nannte es »sinnlose, eitle, frivole Narrheit«. Ich hingegen, obwohl ich noch nie getanzt, ließ keinen einzigen dieser Bälle aus. Sehr schnell lernte ich
branle
,
gaillarde
und
volte
tanzen und fand dabei doppeltes Vergnügen: mich selbst zu bewegen und zu sehen, wie die jungen Mädchen sich bewegten, was sie gar anmutig und bezaubernd taten. Einen ganzen Monat lang – bis zum letzten Tag des Karnevals, mit dem die Bälle endeten – kehrte ich stets erst nach Mitternacht in mein Logis zurück, das Hemd durchnäßt und die Beine schlapp; doch schon um fünf war ich wieder auf und strebte zur Schule, trug meine Bücher, Miroul mein Schreibzeug und die Kerze. Im Gürtel hatten wir Degen und Pistole, da es noch Nacht war. In der Rue du Bout-du-Monde nahm ich Miroul das Schreibzeug und die Kerze ab und übergab ihm meine Waffen. Meine Glieder, muß ich gestehen, waren etwas schlaff, in meinem Kopf geisterten über den Wunden, den Quartalsfiebern und den Furunkeln, die der Professor uns beschrieb, die hübschen Gesichter vom vergangenen Abend, doch ich brachte die Tagesarbeit recht gut zu Ende. Und danach ging ich wieder zum Ball.
Am Rosenmontag brachte mir Aglaés Bruder, Justin de Mérol, ein hübscher Bengel von sechzehn Jahren, der mir gut Freund geworden, eine weiße Robe, eine Maske von selber Farbe, einen Sack und einen aus Weide geflochtenen Korb.
»Und was soll ich mit dieser Ausrüstung?« fragte ich.
»Ihr zieht die Robe über, legt die Maske an und hängt Euch den Sack vor die Brust.«
»Und was kommt in den Sack hinein?«
»Das ist ein Geheimnis.«
»Und wozu der Korb?«
»Das ist ein Geheimnis.«
»Wetten«, sagte ich, den Korb nach allen Seiten drehend, »daß er mir als Schutzschild dienen soll.«
»Richtig geraten«, sagte Justin. »Denkt daran, Pierre, morgen ist der Karneval der Edelleute, da wollen wir uns vergnügen. Ich hole Euch hier ab.«
Lachend stob er davon, dieser nette junge Bursche mit allerdings wenig Grütze im Kopf, was für ihn aber ohne Belang war, da er sich, um in der Welt voranzukommen, keiner Mühenzu unterziehen brauchte als ältester Sohn eines Vaters, der hunderttausend Livres Jahreseinnahmen hatte.
Und lachend kam er anderntags angestoben, gefolgt von einem Diener, der einen großen Sack schleppte.
»Los, Pierre, angezogen!« rief er. Und seine Fröhlichkeit steckte mich an, fand ich selbst doch großes Gefallen am Verkleiden. Ich zog das Gewand an, legte die Maske vor und setzte eine Kappe auf, weil man mich sonst an meinem blonden Haar erkannt hätte. Justin hängte mir den Sack vor die Brust und sagte:
»Das hier ist Eure Munition.«
Worauf der Diener ihm Apfelsinen reichte, die er mitgebracht hatte.
»Was!« sagte ich, »Orangen? Die soll ich den Leuten an den Kopf werfen? Ist das nicht ein Jammer? In Sarlat, wenn man sie überhaupt bekommt, sind sie sehr teuer.«
»Aber hier kosten zwei Dutzend nur vier Heller, das ist fast geschenkt … Und ich habe die weicheren ausgewählt, damit niemand gar zu derb verletzt wird.«
»Und wen soll ich damit bepflastern?«
»Alle Edelleute, die eine rote Schärpe tragen und nicht, wie Ihr, eine blaue. Nun voran, Pierre! Ehe es Mittag ist, will unsere Partei vor Notre-Dame-des-Tables sein, um den Platz in Beschlag zu nehmen. Mein Diener folgt uns und wird uns weiter versorgen.«
»Nein, er schleppt zu schwer, wir geraten in Verzug«, sagte ich. »Miroul soll ihn begleiten und in einem zweiten Sack die Hälfte der Munition tragen.«
Ha! war das ein schöner Kampf, der nicht nur uns allein begeisterte, sondern eine Menge Leute unterschiedlichen Standes herbeilockte. Sie lachten, applaudierten, drängten heran, um den wechselnden Verlauf der Schlacht aus der Nähe zu erleben (die Montpellieraner sind mindestens so große Gaffer wie die
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