In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
der Kleine sei an einer Erkrankung der Lunge gestorben –, da war’s dann ein Gestank, daß es auch dem Standhaftesten den Magen umdrehte. Wir sprühten Essig darauf, wider die ekligen Dämpfe und mögliche Ansteckungsgefahr. Doch der Essig blieb ohne Wirkung, zudem waren die Lungen schon dermaßen zersetzt, daß da nichts mehr zu sehen und zu finden war außer kleinen Steinen, sofern man die winzigen Granulierungen so bezeichnen konnte; wir wußten sie auch nicht zu deuten, denn in der Regel findet man sie in den Harnleitern.
Nachdem der Knabe wieder in sein Laken eingenäht und die Kurtisane in ihr Grab zurückgebracht war, erklärte Merdanson, er wolle das Kind mitnehmen in seinen Garten und dort, in einem Schuppen, das Skelett freilegen, um es dann anonym der Medizinschule zu schenken, unseren Professoren als Lehrobjekt zu aller Unterweisung. Das sei ohne viel Mühe zu bewerkstelligen, weil das arme Kind nur noch Haut auf den Knochen habe und dem Anschein nach an Auszehrung gestorben sei.
Wir gaben ihm zu bedenken, wie gefährlich es sei, mit einerLeiche durch Montpelliers Straßen zu spazieren: Cossolat hatte die Nachtwachen verdoppelt, weil er fürchtete, daß die Heißsporne unter den Papisten und Hugenotten wegen der Flandernaffäre, die die Geister erregte, im Dunkel handgemein werden könnten. Doch das alles fruchtete nichts. Merdanson, starrköpfig wie ein Esel, ließ sich von seinem Plan nicht abbringen, und Cabassus gab schließlich nach. Wir kamen überein, anstelle des Kindes ein dickes Holzscheit zu begraben, was wir auch taten. Dann traten wir drei, maskiert, den Rückweg in die Stadt an, ich vornan mit unseren Stecken, den Stricken und der Blendlaterne, dann Carajac mit seinem kostbaren Bündelchen in der Hand, und einige Klaftern hinterdrein Merdanson, der auf der Schulter das in sein Laken eingenähte und von einer Decke umhüllte Waisenkind trug, eine Last, die schon durch ihren Gestank die Aufmerksamkeit der Wache erregt hätte.
Der Weg zurück in die Stadt führte nun aber durch ein Tor, das um diese Stunde geschlossen war. Und mochte der Torwächter auch alt sein und ein Säufer, war er von Amts wegen dennoch neugierig und hätte nachgefragt, was denn die Decke berge. Also bat ich Merdanson, seine Last etliche Klaftern vor dem Tor abzulegen, ebenso Carajac sein Bündelchen. Ich tat ein Gleiches mit den Stricken, den Waffen und dem restlichen Gerät, und als wir nun die Hände frei hatten, indes ohne die Masken vom Gesicht zu nehmen, klopfte ich an die Pforte, bis der Alte oben seinen Schopf zu einem Fensterchen heraussteckte.
»Wächter, mach auf!« rief ich.
»Wer seid Ihr?« fragte er.
»Ehrbare junge Burschen aus Montpellier. Wir haben in Montpellieret unsere Schönen aufgeschürzt, was uns die Börsen ausgetrocknet hat und ebenso den Schlund. Mach auf, Wächter, und bring uns eine Flasche von deinem besten Wein. Wir zahlen gut und trinken sie mit dir zusammen.«
Das tat Wirkung. Er kam herunter. Die Pforte öffnete sich einen Spalt, der Mann ließ uns einzeln ein, er stellte seine Laterne hin und tastete unsere Leiber nach Waffen ab.
»Warum tragt Ihr Masken?« fragte er.
»Ich bin der Sohn eines Edelmanns, und die beiden hier sind Sprößlinge von betuchten Bürgern«, sagte ich. »Wir möchten unerkannt bleiben, wenn wir unseren wilden Hafer aussäen.«
»Und woher der Lehm da an Euern Schuhen?«
»Von Gottes guter Erde, auf der wir gevögelt haben.«
Da lachte er schallend, und weil ich ihn so gut gelaunt sah, schmierte ich ihm gleich noch die Pfote und rief:
»Deinen Wein, braver Mann! Deinen Wein, um Christi willen, sonst bersten uns die vertrockneten Kehlen!«
Er musterte meine kleinen Münzen.
»Moussu, wenn Ihr einen Frontignan wünscht, der kostet fünf Sols mehr.«
Ich gab sie ihm, und er humpelte davon. Flugs holten Merdanson und Carajac unser Gepäck und versteckten es hinter einer Mauer, weit genug vom Tor entfernt. Als der Mann mit der Flasche kam, galt es dann nur noch, sie mit ihm zu leeren, was wir mit Wonne taten, da uns nach dieser makabren Nacht der Schlund ganz ausgetrocknet war.
Zum Glück befand sich Merdansons Logis nur einen Steinwurf weit entfernt, und als er endlich das Waisenkind samt den Stöcken und Stricken in seinen Schuppen eingeschlossen hatte, atmete ich ein wenig auf. Ein wenig freilich nur, denn da war immer noch das Herz der Kurtisane, ein ebenso belastendes Beweisstück unseres Verbrechens, wenn die Wache uns stellte. Ich suchte
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