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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Galenus mir Zeuge, kam mich ein Weiberkuß so teuer zu stehen. Cossolat, der wiegenden Gangs sich entfernenden Wirtin hinterdrein schauend, schien’s sehr zufrieden; unvermittelt setzte er andere Miene auf und rief in anderem Ton:
    »Ach, Pierre! Pierre! Warum habt Ihr Eure Missetat Madame de Joyeuse nicht gleich am nächsten Tag erzählt, sondern erst drei Tage später: ich hätte noch alles vertuschen können. Das ist nun nicht mehr möglich. Das Provinzialgericht hat Wind bekommen. Die Mangane wurde gefaßt und ins Verhör genommen. Sie hat den Namen Cabassus preisgegeben. Zum Glück kennt sie den Euren nicht, sowenig wie den Eurer Spießgesellen, doch sie hat Euch beschrieben.«
    Es klopfte an die Tür, und er verstummte. Die Wirtin servierte den Braten und kredenzte den Wein. Dabei strichen mir ihre Finger liebkosend über den Nacken.
    »Meine Beste, genug der Dankbarkeit! Zuviel tut nicht gut«, zürnte Cossolat.
    Hierauf sie errötete und enteilte.
    »Aber was wird Cabassus widerfahren?« fragte ich.
    »Wie! Ihr sorgt Euch um Cabassus, obschon Ihr selber den Kopf riskiert? Sitzt der bei Euch so lose, daß sein Verlust Euch wenig schert? Cabassus ist ein Schützling des Pfarrers von Saint-Denis, der ihn lieber für verrückt denn für gottlos gelten läßt und ihn vor zehn Jahren, um ihn vor dem Scheiterhaufen zu retten, aller geistlichen Ämter entbunden und in jene Hütte verbannt hat, die Ihr kennt. Cabassus riskiert wenig, sofern er vernünftig bleibt und das Maul hält.«
    »Leider ist er verrückt und plappert wie ein Wasserfall.«
    »Dann muß er fliehen und sich verstecken«, sagte Cossolat.
    »Das wird er nicht tun. Cabassus ist besessen von seinem Unglauben, er hat ihn in einem
Nego
betitelten Traktat niedergelegt und will ihn
urbi et orbi
verkünden.«
    »Wie! er hat seine Verdrehtheiten schriftlich niedergelegt?« rief Cossolat. »Heiliger Strohsack, was soll ich da noch ausrichten? Wenn sie Cabassus verhaften, kommt er unter die Folter, er wird Eure Namen verraten, und dann fallt auch Ihr.«
    Mir lief ein Schauer über den Rücken, der mich erstarren ließ und den an Messers Spitze zum Munde geführten Happen Fleisch vor meinen Lippen anhielt.
    »Eßt nur, eßt!« sagte Cossolat. »Noch kniet Ihr ja nicht auf dem Schafott. Ihr habt einflußreiche Freunde. Schlimmstenfalls, Pierre, müßt Ihr eilends aus der Stadt fliehen, wie Euer Herr Vater in seinen jungen Jahren.«
    »Außer dem Tod gäbe es kein größeres Unglück für mich. Ich liebe die Medizin über alles«, sagte ich.
    »Wohl gar zu sehr, scheint mir«, sagte Cossolat.
    Wie ich hierauf meinen Braten verzehrte, weiß ich nicht.
    »Cossolat, was meint Ihr: Ist die Mangane wirklich eine Hexe oder nur Lug und Trug ihr Gerede?« wollte ich wissen.
    Cossolat zuckte die Achseln.
    »Sie ist eine Irre, aufgezogen von Irren, die sich für Zauberer hielten und auf Grund ihrer eigenen Geständnisse als solche verbrannt wurden. Ob die Geständnisse aufrichtig waren oder nur dumme Angeberei, dafür kann ich nicht bürgen.«
    »Wieso habt Ihr Zweifel?« fragte ich.
    »Weil die Mangane unter der Folter gestanden hat, auf dem Grab des Großinquisitors mit dem Beelzebub Unzucht getrieben zu haben.«
    »Aber das war doch ich!« rief ich. »Und sie weiß es, denn sie selbst hat mir vorgehalten, ich hätte mich als der Große Bock ausgegeben.«
    »Sie lügt eben! Das ist klar!« sagte Cossolat. »Und wenn hier, lügt sie dann nicht vielleicht in allem? Maßt sich aus irrem Stolz, obwohl ihr der Scheiterhaufen droht, ein Können an, das sie nicht besitzt?«
    Dies hätte mich beruhigen können hinsichtlich meines Unvermögens, hätte da nicht eine andere, weitaus folgenreichere Drohung auf mir gelastet. Mir schnürte es die Kehle zu bei dem Gedanken, fliehen zu müssen; wie könnte ich dann je noch wagen, vor meinen Vater hinzutreten?
    »Cossolat«, fragte ich, als hätte er meine Gedanken hören können, »was soll ich tun, um nicht in diese schlimme Lage zu geraten?«
    »Warten und die Ohren offenhalten.«
    »Reichen Eure Ohren nicht mehr aus?«
    Cossolat verstand die Anspielung und lächelte.
    »Meine Ohren sind leider nicht überall. Die von Fogacer würden Euch in diesem Fall dienlicher sein.«
    »Fogacer?« fragte ich und riß die Augen auf.
    »Fogacer ist der Freund jenes Richters am Provinzialgericht, der als Popanz beim letzten Karneval zu sehen war.«
    »Und der Richter könnte einem Freunde Einzelheiten einer geheimen Untersuchung verraten?« fragte

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