In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Münze auf die Erde wirft, verschwindet die Münze. Also muß der Teufel sie genommen haben.«
»Ihr seid naiv, Siorac. Das ist ein übler Trick: die Zauberin läßt das Geldstück auf dem Pflaster klingen und hebt es schleunigst wieder auf. Dann könnt Ihr suchen. Was, meint Ihr, tut die Münze in der Sache? Nach dem Erklingen soll ihr Verschwinden Euch entsetzen!«
»Woher wißt Ihr das, Fogacer?« fragte ich baff.
»Wenn das Gericht eine Hexe verhaftet, sperrt es eine von ihm bezahlte falsche Hexe mit in die Zelle, um sie zum Plaudern zu bringen.«
»Also ist alles Trug?«
»Aber ja!«
»Und unsere Richter verbrennen die Hexen trotzdem?«
»Weil unsere Richter solchen Betrug für teuflisch halten. Sich als Zauberin ausgeben ist in ihren Augen so verdammenswert wie Zauberin sein. Die Hexe stiftet Verwirrung in der Welt, weil sie den Satan anbetet und nicht Gott.«
Ich überlegte und neigte immer mehr zu der Annahme, daß der Knoten in mir selbst sei, wie Monsieur de Joyeuse es ausdrückte. Doch es war nur eine flüchtige Überlegung, mich bedrängten jetzt viel schrecklichere Dinge.
»Und Cabassus?« fragte ich.
»Cabassus! Da die Mangane ihn genannt hatte, wurde er vor Gericht geladen, wo er aber nicht erschien, mit der Begründung, er sei Priester und unterliege der Gerichtsbarkeit seines Bischofs.«
»Recht so.«
»Schlecht so, denn das Gericht hieß den Bischof gegen Cabassus vorgehen. Und der Bischof war zwar nicht gelüstig, einen seiner Priester verbrennen zu lassen, hat aber seine Kleriker mit der Untersuchung beauftragt.«
»Und falls sie Cabassus in ein geistliches Gefängnis sperren, wird er da der Folter unterzogen?«
»Weiß ich nicht, Siorac.« Fogacer schaute mich fest an. »Wenn ja, dann nennt er Euren Namen, und Ihr müßt fliehen.«
Sofern mir noch Zeit bleibt! durchfuhr es mich. Fogacermerkte meine Verwirrung und versuchte mich zu trösten. Als ich ihn verließ, konnte ich seiner Freundschaft sicher sein, nicht aber meiner Zukunft vertrauen. In mein Zimmer zurückgekehrt, hatte ich einen schlechten Schlaf, freilich aus ganz anderem Grund als in den voraufgegangenen Nächten. Mir wollte scheinen, daß ich den Kopf sehr lose auf den Schultern trug.
Den ganzen Dienstag verbrachte ich in großem Kummer, schaudernd bei dem Gedanken, daß ich meinen Vater entehren würde, wenn ich mich wegen Grabschändung auf öffentlichem Schafott köpfen ließe. Welch eine Pein bei meinen sechzehn Jahren! Ich, der ich vom Leben nur Rosen erwartet hatte, war nun auf solches Distelbeet geworfen! Trüb war mein Geist und gram; vom Jammer übermannt, erschauerte ich vor mir selbst. Wenn ich auf meinem Zimmer war, betete ich, in Tränen aufgelöst, zu Gott.
Ich mußte mich sehr zwingen, Kanzler Saportas Privatkurs zu besuchen. Üblicherweise, während er las, faßte er mich hin und wieder freundlich ins Auge, da ich so begierig lauschte, doch an diesem Morgen schaute er mich nicht ein einziges Mal an, obwohl ich in vorderster Reihe saß, aufmerksam wie stets. Er nahm meine Gegenwart nicht zur Kenntnis. Ich hatte gar den schlimmen Eindruck, daß der Kanzler mich bereits getilgt hatte aus der Schule und aus der Schar der Lebenden. Ich konnte verstehen, daß er wütend war auf mich, der ich durch einen öffentlichen Prozeß den Namen der Schule beschmutzte. Doch daß er mich keines Blickes würdigte, war mir eine unerträgliche Qual. Ich hörte nicht mehr hin. Unnütz geworden mein Schreiben. Die Feder reglos zwischen meinen Fingern, starrte ich auf die Erde, der ich bald zu eigen sein würde, verfaulend in der Finsternis des Grabes, fern der goldenen Sonne des Languedoc und – zur Schande der Meinen – den Kopf vom Rumpf getrennt.
Nach der Vorlesung sah ich Merdanson und Carajac, auch sie niedergeschlagen und mit hängenden Schultern. Da packten mich Gewissensbisse, daß ich sie in dieses unheilvolle Abenteuer hineingezerrt hatte, und ich lud sie zum Mittagessen in die
Drei Könige
ein.
Die Wirtin gab mir gern Einlaß in ihr kleines Gemach, das gemeinhin betuchteren Gästen vorbehalten war. Mir auf demFuße fanden sich Merdanson und Carajac in der Herberge ein. Ich bestellte den Braten und drei Flaschen, denn wir hatten es nötig, unsere Lebensgeister anzufachen. Sie wußten inzwischen, daß die Mangane im Kerker saß, nicht aber, daß Cabassus Gleiches drohte, und als sie es von mir erfuhren, waren sie so erschrocken, daß Merdanson Flucht aus der Stadt erwog, unverzüglich.
Hierüber entbrannte
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