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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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heftiger Streit, Carajac war dafür, ich dagegen. In ihrem Verhalten schwang unausgesprochen der Vorwurf mit, daß ich sie rettungslos in ein Sumpfloch geführt hatte. In ihren Augen las ich, daß sie mir vor lauter Angst mit jeder Minute gramer wurden. Da klopfte es an die Tür. Cossolat trat ein.
    Merdanson erbleichte bei seinem Anblick und erhob sich. Carajac suchte nach einem Fluchtweg.
    »Monsieur, wollt Ihr mich arretieren?« fragte Merdanson beklommen.
    »Ich weiß nicht, Monsieur, wer seid Ihr?« sagte Cossolat zweideutig, wobei seine schwarzen Pupillen blitzten. Dann an Carajac gewandt: »Und Ihr, mein Herr, wie heißt Ihr? Die Mangane hat Eure breiten Schultern so gut beschrieben, daß ich es leicht erraten kann.« Und da meine beiden Gefährten ganz blöd und verdattert dreinschauten, fuhr er fort: »Ich hätte es erraten, selbst wenn Eure dumme Frage Euch nicht überführt hätte. Setzt Euch wieder hin!«
    Das war im Befehlston gesagt, und meine beiden Freunde setzten sich, bekümmert, daß sie wie Dümmlinge behandelt wurden, aber erleichtert, da Cossolat ihnen eher spöttisch denn drohend begegnete.
    »Monsieur de Siorac, wenn ich recht verstehe, kann ich Eure Angelegenheit vor Euren Freunden ansprechen; sie wünschen wohl nicht minder, über deren Fortgang zu erfahren.«
    »Monsieur, müssen wir fliehen?« fragte Merdanson, meiner Antwort zuvorkommend.
    »Schon wieder eine verräterische Frage!« tadelte ihn Cossolat mit einem kleinen Lachen. »Mein Herr, Ihr seid wahrhaftig noch zu grün, um vor den Richtern zu erscheinen.«
    »Spottet nicht, Monsieur!« sprach Carajac, merklich verwirrt. »Ihr seid Hugenotte. Wir sind es ebenso. Antwortet uns: müssen wir fliehen?«
    »Monsieur, ich frage Euch nicht, ob ich spotten darf!« sagte Cossolat grimmig. »Ich bin ein guter Hugenotte, ja, mag aber grabschänderische Hugenotten nicht leiden. Und jetzt zu fliehen wäre Irrsinn. Das ist meine Antwort.«
    Hierauf langes Schweigen. Der Rüffel hatte gesessen.
    »Monsieur de Siorac«, fuhr Cossolat dann fort, »was habt Ihr durch den Freund der bewußten Person in Erfahrung gebracht?«
    »Cabassus wurde vor das Gericht zitiert, hat sich ihm aber versagt mit der Begründung, er sei Priester. Da hat das Gericht seinem Bischof aufgetragen, gegen ihn zu ermitteln.«
    »Ist das alles?«
    »Ja.«
    »Mein Besuch hier ist also nicht unnütz«, sagte Cossolat. »Vernehmt den weiteren Fortgang. Der Bischof hat drei Kleriker beauftragt, Cabassus in seiner Hütte zu befragen. Der lag im Bett, sehr mitgenommen von einem Katarrh, der ihm vorsorglich die Stimme geraubt hatte. Sie bekamen aus ihm nichts heraus, hielten ihn für verrückt, wollten schon wieder gehen, als ihnen sein
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in die Hand fiel. Verdammt! dem Vernehmen nach steckt da Pulver und Feuer drin! Nur hundert Seiten, doch jedes Blatt wiegt ein Reisigbündel auf, und deren braucht man keine hundert, um einen Atheisten zu verbrennen.«
    »Oh!« stieß ich kummervoll hervor, »Cabassus ist verloren, durch meine Schuld!«
    »Durch seine Schuld!« sagte Cossolat. »Was muß er solche Auffassungen schriftlich niederlegen! Die Kleriker haben ihn in ein geistliches Gefängnis gesperrt.«
    »Wird man ihn foltern?«
    »Im Augenblick nicht, da er dem Priesterstand angehört. Doch der Klerus wird seine Degradation anordnen. Und ist er dann wieder Laie, übergibt man ihn dem weltlichen Arm, dann kann das Gericht die peinliche Befragung anordnen.« Cossolat sah mir in die Augen. »Hier nun, Monsieur de Siorac, kann der Freund der bewußten Person, sofern er Euch beizeiten unterrichtet, Euch unschätzbare Dienste erweisen.«
    »Zwecks Flucht?« fragte Merdanson tonlos.
    »Monsieur, wenn Ihr flieht, verliert Ihr alles: Eure Familie, Eure Freundschaften, Eure Stadt, Euer Studium, Euren künftigen Beruf«, sagte Cossolat. »Deshalb kommt Flucht nur inäußerster Not in Betracht: ich wünschte, Ihr hättet das begriffen.«
    »Ha, Monsieur! Siorac hat einflußreiche Beschützer!« sagte Carajac. »Dagegen wir!«
    »Auch das ist ein Irrtum, Monsieur!« sagte Cossolat ernst. »Was für Siorac gilt, gilt für alle drei. Man kann nicht den einen beschuldigen und die anderen nicht, und ebensowenig den einen nur freisprechen. Bedenket dies.«
    Damit verließ er uns, kaum grüßend, militärisch steif.
    Für den Rest des Tages wälzte ich nur mehr einen einzigen Gedanken wie einen Mühlstein in meinem armen Kopf herum, den ich vielleicht bald verlieren würde. Nach dem kargen Mahl wollte

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