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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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koste und küßte sie mich und lobte so überschwenglich mein prachtvolles Verhalten (nicht ohne auch Ratschläge einzuflechten, wie ich es nächstens noch besser machen könnte), daß ich mich, ohne sie besessen zu haben, neuerlich als ihr Liebhaber fühlte: was mich besänftigte und bei der Rückkehr in die Apotheke meinen Schritt beflügelte. Nachdem ich wortlos meine spartanische Suppe geschlungen hatte, eilte ich in mein Zimmerund warf mich auf mein Bett. Aber ich schlief nicht ein, obzwar ich nun weniger gepeinigt war von meiner Qual.
    Am Abend des folgenden Tages brachte mir ein Lakai einen Brief und ein kleines Paket von meiner Dame. Dies der Wortlaut des Briefes:
     
    Mein kleiner Vetter,
    dieses Paket enthält ein Säckchen mit Heilkräutern, das Michel de Montaigne meinem Ehegemahl in einer sehr ähnlichen Not wie der Euren gab. Tragt es am Tage und bei Nacht am Hals neben der Marienmedaille, die Eure Frau Mutter Euch auf dem Totenbett schenkte und die Ihr, weil Ihr ein böser Hugenotte seid, nicht verehrt. Das Säckchen wird Wunder wirken. Ihr werdet es am Mittwoch erleben, welchen Tag ich herbeisehne, um Euch bei mir zu empfangen.
    Mein kleiner Vetter und Büßer, ich reiche Euch meine Fingerspitzen.
    Eléonore de Joyeuse
     
    Ha! dachte ich, die Fingerspitzen! Mit welcher Eleganz die Großen alles sagen (und alles tun) können, dabei sie sich hinter den Worten verstecken. Gleichwohl rührte es mich sehr, daß sie an mich gedacht, gar ihren Diener zu mir geschickt hatte – sie, die den ganzen Tag mit Nichtstun eifrig beschäftigt war. Ich eilte in mein Zimmer, öffnete das Paket, hängte mir das Säckchen um den Hals und trug es dort auch nachts, weil ich in ein von Montaigne empfohlenes Heilmittel großes Vertrauen setzte.
    Beim abermaligen Lesen des Briefes entdeckte ich ein Postskriptum, das mir zunächst entgangen war:
Cossolat wird Euch morgen mittag in den
Drei Königen
aufsuchen.
    Verflixt! hat sie ihm alles erzählt? war mein Gedanke. Schon lange mutmaßte ich enge Verbindungen zwischen ihr und Cossolat einiger Intrigen wegen, deren Fäden sie zog im Languedoc, um ihrem Ehegemahl dienlich zu sein. Weshalb ich nicht hätte behaupten dürfen, sie sei eifrig mit Nichtstun beschäftigt.
    Die Wirtin in den
Drei Königen
begegnete mir noch immer abweisend, machte ein grimmiges Gesicht. Sie führte mich in ein kleines Zimmer, in dem Cossolat mit strenger Miene vor einem Braten und einer Flasche Wein saß.
    »Monsieur haben mich herbefohlen, um mich ins Gefängnis zu sperren?« fragte ich.
    »Das noch nicht, Monsieur de Siorac, obwohl Ihr es verdientet«, sagte er kühl.
    Also weiß er alles, durchfuhr es mich, und meine Beine zitterten etwas, ich setzte mich. Cossolat aß und trank weiter, ohne mich im mindesten zu beachten, was mir recht mißfiel, war ich doch solche Behandlung nicht gewöhnt, schon gar nicht von Cossolat.
    »Monsieur, habt Ihr noch ein bißchen übrig von dem Manna der zweihundert Dukaten, die Madame de Joyeuse Euch schenkte?« fragte er schließlich.
    »Aber ja«, sagte ich, verwundert über die indiskrete Frage. »Ich habe erst ein Viertel davon ausgegeben.«
    »Nun, dann bestellt bei der Wirtin einen Braten und eine Flasche, und zahlt ihr zehn Dukaten.«
    »Zehn Dukaten? Für einen Braten und eine Flasche, die nur zehn Sols kosten?« rief ich.
    »Nicht doch! Zehn Dukaten für den Verlust, den sie hatte, weil Ihr Caudebecs Römlinge mit Eurer Pestgeschichte verscheucht habt.«
    Obschon nicht so knickrig wie Samson oder Sauveterre, weiß ich als guter Hugenotte mit meinem Geld durchaus umzugehen. Hier aber begriff ich schnell, daß ich ohne diese zehn Dukaten (wovon Cossolat vielleicht in irgendeiner Weise sein Teil beschieden war) sein Wohlwollen nicht wiedergewinnen könnte, das ich, wie er mich spüren ließ, sehr nötig haben würde. Also nahm ich es hin, mich ein klein bißchen würgen zu lassen.
    »Hier sind die zehn Dukaten«, sagte ich, indem ich sie einzeln aus meiner Geldkatze kramte und auf den Tisch legte.
    Cossolat klatschte in die Hände, die Tür tat sich auf, und herein trat die Wirtin. Sie sah mein Gold, und ihre Augen leuchteten.
    »Meine Beste«, sagte Cossolat, »Monsieur de Siorac wünscht einen Braten und eine Flasche, und hier ist das Geld für die Zeche. Küßt ihn auf die Wange und seid seine Freundin.«
    Die Wirtin, eitel Honigseim und Lächeln, gehorchte – mein Geld hatte sie flugs eingesteckt. Nie in meinen jungen Jahren, da seien Hippokrates und

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