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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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habenals Tapetenbehänge an den Wänden. Er war groß und hager, sein eingefallenes Gesicht nur Haut und Knochen; wäre da nicht die Nase und das Feuer seiner schwarzen Augen gewesen, hätte es ausgesehen wie ein Totenkopf.
    »Monsieur«, sprach er zu mir, »es gibt in der Stadt viele widersprüchliche Gerüchte über Euch, weshalb ich gern aus Euerm Mund erführe, was daran wahr ist.«
    Dieser Einstieg mißfiel mir sehr, und ich sagte kühl:
    »Herr Pastor, ergibt sich aus meiner Treue zum reformierten Glauben eine Verpflichtung zur Ohrenbeichte?«
    Da selbige von den Hugenotten als eine der übelsten papistischen Erfindungen geschmäht wurde, konnte ich Monsieur de Gasc nichts Schlimmeres unterstellen, als daß er sie von mir verlangte. Und in der Tat, er lief rot an und verstummte für einen Augenblick.
    »Monsieur de Siorac«, sprach er endlich, »bei uns ist die Beichte kein Sakrament und noch weniger eine Verpflichtung. Aber ist es mir als Pastor nicht dennoch auferlegt, mich über den Lebenswandel meiner Glaubensbrüder ins Bild zu setzen?«
    »Weiß ich nicht, mir hat kein Pfarrer je Fragen gestellt.«
    »Und wer hat Euch welche gestellt?« fragte er ungehalten.
    »Mein Vater.«
    »Und kann ich nicht Vaterstelle bei Euch vertreten?«
    »Aber ich habe hier bereits einen Vater, dem ich über meine Handlungen Rechenschaft ablege, es ist Kanzler Saporta.«
    »Könntet Ihr in mich nicht das gleiche Vertrauen haben?«
    Ich senkte den Blick und nahm mir Zeit zum Überlegen. Denn weder wollte ich den Prediger abermals brüskieren noch seiner Forderung nachgeben.
    »Herr Pastor, ich hätte in Euch das gleiche Vertrauen, wenn Eure Fragen so diskret wären wie die von Doktor Saporta.«
    »Wollt Ihr mir meine Fragen beschneiden, ehe ich sie überhaupt vorgebracht habe?«
    »Lieber die Fragen beschneiden als die Antworten.«
    »Wollt Ihr damit sagen, Eure Antworten werden nicht aufrichtig sein?«
    »Ich will damit sagen, daß ich mir nicht wider Willen die Beichte abnehmen lasse.«
    »Ihr fühlt Euch also schuldig?«
    »Aber gewiß, Herr Pastor, ich fühle mich sehr schuldig vor meinem Schöpfer.«
    »Ah, das höre ich gern aus Euerm Mund«, sagte der Pfarrer.
    Er schien erleichtert, wie von großer Last befreit. Und ich hätte mich darüber wohl gewundert, wäre mir nicht alsbald klar geworden, welchen Argwohn er gegen mich hegte.
    »Mein Sohn, demnach habt Ihr nicht Euren Glauben verloren, als Ihr diesem Gottesleugner begegnet seid!« fuhr er fort, beide Hände hebend. »Ihr glaubt an Gott!«
    »Aber gewiß, und es betrübt mich sehr, daß Ihr das Gegenteil wähnen konntet, obwohl ich stets den Gottesdienst besucht habe! Bin ich ein Heuchler, daß meine Lippen etwas anderes bekennen als mein Herz glaubt?«
    »Mein Sohn, vergebt mir gütigst«, sprach der Pfarrer. »Ich freue mich unendlich, daß der Teufel, wie oft er auch Gelegenheit dazu hatte, Euch nicht zu seiner Beute gemacht hat. Denn mit Verlaub, mein Sohn, wenig erbaulich ist Euer täglicher Wandel. Ihr sollt ein Schürzenjäger sein. Und habt beim Karneval die Gaillarde getanzt. Und in der Herberge
Zu den drei Königen
sah man Euch Tricktrack spielen.«
    Ha, das Tricktrack! dachte ich verärgert, muß er mir dieses unschuldige Vergnügen vorhalten? Aber wetten, daß er mich nicht des Ehebruchs zeihen wird: meine Komplizin ist eine gar zu hohe Dame, als daß man sie beim Namen nennen dürfte. Ob bei Papisten oder Hugenotten – vor den Stufen der Macht hält die Moral erschrocken inne.
    »Herr Pastor, Ihr stellt so trefflich Eure Fragen, daß sich die Antworten erübrigen.«
    »Dennoch muß ich Euch eine bestimmte Frage stellen«, sagte er ernst. »Beim Provinzialgericht geht das Gerücht, Ihr hättet den auf dem Scheiterhaufen brennenden Cabassus mit einem Arkebusenschuß getötet.«
    »Herr Pastor, das Gericht hat von einer Untersuchung Abstand genommen. Wollt Ihr diese nun nachholen?« fragte ich sehr kühl und erhob mich.
    »Monsieur de Siorac, Ihr mißversteht mich, mir geht es nicht um das Verbrechen, doch um die Sünde. Den Herrgott um die gerechte Strafung eines Gottlosen zu berauben, das ist Sünde.«
    »Verstehe ich Euch recht, Herr Pastor? Wer immer Cabassus tötete, beging eine Sünde, weil er die irdischen Leiden einesGottlosen verkürzte? Sollte man es nicht dem Allmächtigen überlassen, den Gottlosen im Jenseits zu strafen?«
    »Irrtum, Monsieur de Siorac, schlimmer Irrtum!« rief Monsieur de Gasc. »Gottes Allmacht befreit den Menschen nicht von

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